3 x ABC und kein Auxerrois

Dienstag/Mittwoch, 28. und 29. Mai 2024: Stellplatz in Gurgy an der Yonne, 7 km bis Auxerre

Wie gemalt: Morgenstimmung am Serein in Chablis mit Lavoir.
Hat Volker auf dem Weg zur Boulangerie fotografiert

Das Nomadenleben auf vier Rädern geht weiter. Am Morgen ist wieder Ortswechsel angesagt! Der HoGo bekommt eine ausgiebige Morgentoilette mit Untenrum-Handwäsche und viel frisches Wasser. Dann holen wir unseren vorverkosteten Wein in der Chablisienne ab (hätten wir ja fast vergessen 🙈) und fahren nach Auxerre. Besser gesagt dran vorbei nach Gurgy, weil dort am Ufer der Yonne ein sehr hübscher und preiswerter Stellplatz ist.

Ist wesentlich hübscher, als es auf dem Foto aussieht und erinnert uns sehr an den schönen Stellplatz in Minden am Mittellandkanal. Da war das Foto allerdings besser und das Wetter auch.
Von Chablis (I) an Auxerre vorbei zu unserem lauschigen Stellplatz in Gurgy (J), 30 km

Auxerre (das x spricht man wie ein scharfes s, also Oh-ssähr) ist die Hauptstadt des Departements Yonne, das wiederum nach dem Fluss benannt ist. Die Yonne ist ab Auxerre Schifffahrtstraße, der Canal de Bourgogne verbindet sie mit der Saône (-> Rhône -> Mittelmeer), der Canal du Nivernais mit der Loire (-> Atlantik). Die Yonne selbst mündet in die Seine und diese in den Ärmelkanal. Von hier aus kommt man also überall hin!

So schaut sie aus, die Yonne. Viele Stauwehre mit Schleusen hat sie hier, aber mit wenig Höhendifferenz.

Wir holen sofort die Fahrräder runter und machen uns auf den Weg (überwiegend am Fluss entlang) nach Auxerre. Die Wetterhervorsage droht schon wieder mit Regen am Nachmittag und wir haben noch was in A. zu erledigen.

Nein: Keine der 3 opulenten Kirchen, keine Abtei und auch kein Schloss. Davon sind wir zurzeit etwas übersättigt. Nach den sehr intensiven Besuchen in Fontenay und Vézelay braucht es mal eine Pause. Also weder Another Bloody Cathedral noch Another Bloody Chateau! Eher ein Sportgeschäft für einen neuen kleinen Rucksack und ein Postamt für einen versprochenen Gruß aus eben dieser Stadt.

Der hängt mit der Auxerrois-Verkostung in TJ6 zusammen (insider), eine Nachricht aus Auxerre sei da doch mehr als passend! Tja, denkste! Den Auxerrois kriegt man hier nicht, wächst hier nicht, kennt hier keiner!

Die Rebsorte wird in Frankreich fast nur im Elsass und in Lothringen angebaut, woher sie mutmaßlich auch stammt, auch wenn die Informationslage da etwas wirr ist. Die meisten Quellen beschreiben Auxerrois als Rebsorte aus Lothringen. In Auxerre jedenfalls wächst das, was im benachbarten Chablis und in ganz Burgund dominiert: Chardonnay. Und Pinot noir. Und kein Auxerrois. Schade eigentlich, ist nämlich nicht nur unser neuer Lieblingsweißwein.

Ich vermute ja, dass die Verwechslung damit zusammenhängt, dass die Burgunder ihre Weine nicht nach Rebsorten klassifizieren, sondern nach Regionen: Auxerrois ist Wein aus der Region um Auxerre.

Kaum sind wir in Auxerre eingeradelt, bleiben wir an der Place Saint Nicolas hängen. Hinter dem opulenten Brunnen beobachtet der aus seiner Nische das Treiben auf dem hübschen kleinen Platz.

Im Restaurant Le Quai sind noch Tische frei, es ist Mittagszeit, das Wetter recht freundlich, man sitzt im Freien und tut das, was alle Franzosen um diese Zeit tun: Mittagessen!

Es ist echt so, dass Frankreich zwischen 12 Uhr und 14 Uhr geschlossen ist. Da ist Mittagspause und der Franzose geht essen (die Französin auch). Ob im Restaurant oder auf der Parkbank: Hauptsache dejeuner! Also macht alles zu, bis auf die Restaurants, die haben Hochbetrieb. Die schließen dann um halb 3 und öffnen erst um 19 Uhr wieder.

Wir schauen uns an und denken: Warum eigentlich nicht! Nicht dass wir übermäßig Hunger hätten – aber darum geht es nicht: Wir sind ja nunmal auch auf einem Kulturtrip und da muss man sich endlich mal den Gepflogenheiten anpassen! Außerdem dämmert mir so eine vage Erinnerung: War da nicht was mit Weltkulturerbe und französischer Esskultur?

In der Tat: Ein kurze Nachfrage bei Wikipedia bestätigt, dass die französische Küche 2010 von der UNESCO als immaterielles Welterbe anerkannt wurde. Dabei geht es nicht um die Rezepte, sondern um Produktqualität, Speisenabfolge, Getränkeauswahl, auch um Geselligkeit – um das gesamte Setting, in dem in Frankreich gegessen wird, bis hin zum fein gedeckten Tisch. Begriffe wie Sättigungsbeilagen, Kalorien, Nutri-Score oder Nährstoffzufuhr haben da nix zu suchen 😂. Es geht um den Genuss, an dem alle Sinne beteiligt sind.

So sieht das bei uns aus: Terrine de Campagne mit Zwiebelconfit, Wolfsbarschfilet an Zitronen-Estragon-Sauce und als Dessert eine Mousse au chocolat für den Schokoholic und Crème brulée für mich. Dazu Brot, Wein und zum Abschluss einen Café. So lecker kann Welterbe sein oder einfach nur savoir vivre, das französische dolce vita.

Unser Mittagsmenu. War übrigens gar nicht so teuer, 24,70 € pro Nase.

Überaus zufrieden und wohlig gestimmt, radeln wir dann gemächlich durch die malerischen, fachbewerkten Gassen von Auxerre und statten den drei Kirchen einen Ultrakurzbesuch ab, so kurz, dass wir ihn hier gar nicht erst dokumentieren.

Hier mal kein Fachwerk
Der Tour de l’Horloge, der Uhrturm

Von der anderen Seite der Yonne bzw. von der Brücke hat man dann den „Dresdenblick“ auf den Altstadthügel mit den dominierenden Kirchen. Die sind so groß, dass man den (recht amtlichen) Hügel gar nicht sieht.

Nachdem wir sowohl die Postkarte als auch den Rucksack (und zusätzlich Kartoffeln, Zwiebeln und den Ersatz für unser in Auflösung befindliches Brotkörbchen) erworben haben, geht es wieder die ca. 10 Kilometer zurück nach Gurgy.

Als hätten sie die Sache mit dem Brotkörbchen geahnt, gesellt sich das animal of the day zu uns, heute gleich doppelt in Gestalt eines Stockentenpärchens. Sie picken kleine Steinchen vom Boden, als ob sie uns das ganze Elend ihres Hungerleidens vorführen wollen und rücken dabei immer näher.

Erwartungsfroh! Die Bettelenten.

Bevor sie uns noch ins Wohnmobil hüpfen erbarmt sich Volker und füttert sie mit Brotstückchen:

Wir selbst sind übrigens auch um 21 Uhr 30 noch gesättigt von unserem Welterbeerlebnis am Mittag. Hat echt was!

Die Wetteraussichten für die kommenden Stunden und Tage schauen alles andere als rosig aus. Lassen wir uns nicht unterkriegen, der HoGo hat ja zum Glück ein Dach. Wir bleiben erstmal hier und vergraben uns im HoGo.

Am Donnerstag soll’s dann zum Projekt Guédelon gehen – dem Burgbau wie im Mittelalter.

Wir gehen zu Bett und hoffen, dass die Yonne das auch tut und vor allem drin bleibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert