Radtour mit Karin und Rolf
vom 20. bis 25. September 2020
Schon v. C.* hatten wir mit unseren Freunden diese Radreise gebucht, die uns „sportlich flott an zwei Flüssen durch drei Länder“ führen sollte. Um Streckenführung, Hotels und Gepäcktransport kümmert sich der Veranstalter Velociped, wir müssen also „nur“ in die Pedale treten.
v. C. ist die neue Zeitrechnung: vor Corona. Alle hoffen auf n. C.
Sozusagen als Prolog radeln Volker und ich am Samstag bei herrlichem Wetter zusätzliche 60 km von Höfen nach Aachen, den HoGo lassen wir in der Obhut von Brigitte und Rik zurück. Besser als ihn auf einem unbewachten Platz außerhalb Aachen abzustellen.
Auf der RAVeL Linie 48 folgen wir der umgebauten Trasse der ehemaligen preußischen Bahnlinie zwischen Aachen und dem luxemburgischen Ulflingen (mit dem schönen französischen Namen Troisvierges), dem Vennbahn-Radweg.
Die meiste Zeit geht es bergab, denn Aachen ist der niedrigste Punkt dieser ca. 130 km langen Strecke.
Gegen 14:00 erreichen wir wie verabredet unser Hotel in Aachen und die Wiedersehensfreude ist groß.
Wir verbringen den Nachmittag mit Sightseeing und Geocachen in der Stadt Karls des Großen, dessen Signet hier alle paar Meter den Straßenbelag ziert.
Auf ihn geht auch der Bau des zentralen Bauteils des Aachener Doms zurück, der Pfalzkapelle, die auf achteckigem Grundriss errichtet wurde. Später wurde sie rechts und links durch gotische Anbauten erweitert, aufgestockt und im Inneren mehrfach umgestaltet. Das alles gibt dem Aachener Dom sein einzigartiges Erscheinungsbild, innen wie außen.
Daneben haben wir viel Spaß mit dem Wherigo zum Dombau, der allerlei Sagen um den Bahkauv, die Klappergasse und natürlich den Teufel zu erzählen weiß. Auch der 👻 am Puppenbrunnen macht uns sichtlich Spaß.
Nach einem ganz brauchbaren Abendessen im Goldenen Einhorn (besser gesagt davor) fallen wir müde in die Betten.
8:30 Uhr Frühstück. Wir sind ja nicht zum Spaß hier 😜.
Von Aachen zum Rursee
Der Tag beginnt selbstverständlich mit … dem offiziellen Startfoto vor dem Aachener Dom.
Und dann geht es ab auf die Piste der Vennbahn. Für uns also wieder zurück, was wir gestern gekommen sind. Diesmal bergauf, aber moderat. Ex Bahnlinie eben. Zwischenstopp in der hübschen Altstadt von Kornelimünster, wo wir uns mit Kaffee, Steinschlappen und einer Mehlwaage verlustieren. Leider können wir nur einen kurzen Blick auf die seltsam gebaute Kirche, das … wer hätte es gedacht … Kornelimünster werfen.
Unterwegs jagen wir Rolf gleich zweimal auf einen ollen Signalmast zwecks Bergen und Loggen eines Geocaches. Das macht ihm sichtlich Spaß, uns auch.
Hinter Lammersdorf verlassen wir den Vennbahnradweg und stürzen uns hinab ins enge Tal der Rur, zum Rursee.
Die Rurtalsperre staut das Eifelflüsschen zum zweitgrößten Stausee Deutschlands, nur der Bleilochstausee in Thüringen ist größer. Gebaut wurde die Haupttalsperre 1934 bis 1939 und von der Wehrmacht im Februar 1945 gesprengt, um den Vormarsch der Alliierten an der Rurfront zu stoppen. Nach dem Krieg wurden die Staumauern wieder auf- und ausgebaut.
Schon von oben sieht man, dass die anhaltende Trockenheit dem Stausee wohl zu schaffen macht. Ca. 12 Meter fehlen bis zur Oberkante.
Vor dem Hotel aus sieht das noch dramatischer aus.
Aber das sei alles noch nicht bedenklich, meint die Homepage von Rurberg, auch die Segler haben noch genug Wasser unterm Kiel. Erst wenn der Wasserspiegel weitere 7m fällt, wird es eng.
Unser Hotel, der Paulushof, ist schon arg in die Jahre gekommen und der Wirt anfangs etwas bärbeißig. Aber am End wird alles gut, wir ergattern einen Tisch auf der Terrasse und das Essen – Kartoffelsuppe, Hähnchengeschnetzeltes mit Kartoffelstampf und Apfelkuchen – ist wesentlich besser als es klingt und als es die Googlerezensionen erwarten ließen.
Von Rurberg nach Jülich
Am nächsten Morgen erwartet uns die längste Etappe: Am See und dann durch das schöne Tal der Rur bis nach Jülich. Die Fahrt in der Morgenstimmung am See ist wirklich herrlich! Wir trödeln rum und loggen noch einige Tradis, bis es dann aber Zeit wird, auf die Tube zu drücken.
Nicht weit hinter der großen Rurtalsperre Schwammenauel passieren wir ein schneeweißes Jugendstilbauwerk: das Kraftwerk Heimbach. Es liegt zwar an der Rur, bezieht aber sein Wasser über den Kermeterstollen aus dem Urftsee. Als es 1905 gebaut wurde, war es das größte Speicher-Wasserkraftwerk Europas.
Leider recherchieren wir diese spannenden Informationen erst im Nachhinein, das ist die Krux solcher (Rad-)Reisen: Es bleibt zu wenig Zeit zum Verweilen 🤷♂️🤷♀️.
Und wenn man dann mal einkehren will ☕️🍺🥪🍲 hat man schlechte Karten: alle Kneipen/Cafés voll besetzt. Und das an einem Dienstag! Endlich finden wir in Kreuzau in Leos Brauhaus eine urige Einkehr für die längst fällige Mittagspause.
Vorbei an einem großen Bundeswehrgelände und Bauten, die vom Forschungszentrum genutzt werden, erreichen wir die Stadt Jülich, über die man so gar nichts weiß. Beziehungsweise wusste, denn jetzt sind wir schlauer. Jülich entstand schon zur Römerzeit als eine Art Autobahnraststätte, nämlich als Straßenstation entlang der Via belgica nach Köln. Im Mittelalter erlangte Jülich Stadtrechte und wurde nach einem verheerenden Brand 1547 vom italienischen Stararchitekten Alessandro Pasqualini zu einer prachtvollen Idealstadt im Stil und Sinn der Renaissance ausgebaut, inklusive Festungsanlagen und Zitadelle. Der damalige Herzog Wilhelm V. trug nicht umsonst den Beinamen „der Reiche“.
Aber das schauen wir uns erst morgen an, wir gehen am Abend grad mal ums Eck ins Restaurant Liebevoll und auf einen sehr kurzen Spaziergang zum 50m entfernten Bücherschrank in der Telefonzelle. Leider wissen wir immer noch nicht, warum tote Finnen keinen Tango tanzen (insider 😘).
Und dann war da noch … dieses Verkehrsschild. Wir erinnern uns an die Rheinradtor 2018, als wir eine internationale Vergleichsstudie über eben solche Schilder angestellt haben. Von der deutschen Mutter bis zum schweizerischen Onkel und dem armen Franzosen aus Fessenheim. Wir dachten, wir haben fertig … und dann das hier 😳. In Jülich sind die Kinder sehr groß geraten und dazu deutlich übergewichtig. Das Fahrrad bleibt im Schuppen nebenan, weil das dicke Kind ja gar nicht in den Kindersitz passt. Es kommt aber mit seinen Stummelbeinchen auch kaum voran und die beiden ruhen sich gerade aus.
Leider hatten wir zu wenig Muße für eine Analyse der Mutter/Vater/Kind(Be-)Ziehungen in Belgien und den Niederlanden. Das müssen wir mal nachholen.
Von Jülich nach Roermond
Am nächsten Morgen geht es zur kurzen Stadtbesichtigung per Fahrrad. Die Zitadelle innerhalb der Festungsmauern scheint indes einem hässlichen Schulbau gewichen zu sein, also gleich wieder raus und weiter zum City-Cache und zum Virtual 👻.
Mittelalterliches Stadttor Am Muttkratbrunnen (Muttkrat = Schlammkröte, so nennen sich die Jülicher)
Das war‘s dann auch schon mit Jülich, wir folgen weiter dem Lauf der Rur bis zu ihrer Mündung in die Maas. Viele Wehre bremsen den Flusslauf und laden ein zum Beobachten der Strömungen, Wirbel und Walzen.
Damit verlassen wir denn auch Deutschland und kommen zu unseren holländischen Nachbarn.
Schon unterwegs bei der Einkehr in ein nettes Café mussten wir feststellen, dass die holländischen Corona-Regeln sehr lax sind. Ein wenig Abstand halten, eine „Gesundheitsprüfung“, die in der beiläufigen Frage besteht, ob man sich gut fühlt, und ab und an Desinfektionsmittel – das war‘s. Für den Abstand ist jeder selbst verantwortlich und Masken trägt keiner. Die freiheitsliebenden und eigenwilligen Holländer lassen sich nicht gerne was vorschreiben, da nimmt man lieber hohe Infektionszahlen in Kauf und vielleicht auch das Ableben der Oma. Auf uns wirkt das nicht vertrauenerweckend und vor allem rücksichtslos. Aber wir sind vorsichtig, ziehen unsere Rüsseltüten an und meiden Innenräume.
Roermond (ausgesprochen Rurmond, holländisch oe = u) begrüßt uns mit tollem Blumenschmuck und einem Kussmund 💋.
Und das Hotel ist auch vom Feinsten, sehr schick und nagelneu.
Nach einem üppigen (und teuren) Abendessen springen wir müde in die Bettboxen – äh nein – wir fallen in die tollen Boxspringbetten.
Von Roermond nach Maastricht
Heute sind wir aber wirklich durch den Wind! Den ganzen Tag weht eine steife Brise aus SW 🌬🌬 und demnach uns genau in die Schnauze. Kommt der Wind mal von der Seite, bläst es einen fast um.
Aber zuerst kommt unser inzwischen allmorgendliches Express-Sightseeing, das sich mal wieder an einem besonderen Geocache orientiert.
Dann geht es auch schon wieder weiter und maritimes Feeling macht sich breit – so breit wie die Maas: Sonne, Wind, Segelboote, Möwen – volle Kanne Holland.
Über die genialen holländischen Fahrradwege geht es durch das weite Tal der Maas. Hier biste wer als Radfahrer, denn in Holland gilt das Fahrrad als primäres Verkehrsmittel und nicht als Störenfried für Autofahrer. eBikes ersetzen peu a peu das Hollandrad, aber als Hersteller von Fahrradhelmen hast du schlechte Karten: Die trägt hier keiner, noch nicht mal kleine Kinder. Es gibt kaum schwere Unfälle, was verwunderlich ist, so wie die Holländer durch die Gegend düsen, eine Hand am Lenker, in der anderen ne Einkaufstasche und volles Tempo.
Die Maas ist Grenzfluss zwischen Holland und Belgien, so wechseln wir ständig die Seiten. Pause machen wir in Thorne, dem weißen Dorf in Holland, das uns sehr gut gefällt.
Poffertjes Pannekoeken
Später machen wir noch einen Abstecher nach Oud Rekem, dem schönsten Dorf Flanderns, das wir aber nicht so dolle finden mit seinen dusteren Backsteinhäusern.
Ein kleines Highlight ist die Fahrt mit der Maasfähre, die wir per Glocke heranrufen und die uns für 1,20 EUR pro Nase auf die belgische Seite bei Stokkem übersetzt.
Im Grenzgebiet begegnen uns immer wieder Gedenkstätten oder Relikte aus dem 2. Weltkrieg. Hitler wollte über Belgien nach Frankreich einmarschieren, denn die Grenze zu Deutschland war seit dem 1. Weltkrieg als Maginot-Linie gut befestigt und gesichert. Die Pläne fielen bei einem Flugzeugabsturz in die Hände der Belgier, was diesen Einmarsch vereitelte. Ein schlechtes Omen? Just an der Gedenkstätte bringt eine Windbö Rolfs Fahrrad zu Sturz. Zum Glück lässt sich der Schaden mit Kabelbinder provisorisch beheben.
In Maastricht rollen wir recht spät ein und nehmen Quartier im alten aber bezaubernden Hotel Botticelli. Die Stadt ist sehr voll, fast alles junge Leute, um Coronaregeln 😷 schert sich keiner. Wir essen trotz der schon kühlen Temperaturen im Freien, da ist es wenigstens luftig.
Finale: Von Maastricht nach Aachen
Die Wetterprognose hat sich über Nacht so weit eingekriegt, dass wir beschließen die Rundtour per Fahrrad zu beenden. Vorher noch die mittlerweile obligatorische Kurzbesichtigung der Stadt, so kann man wenigstens behaupten, man hat was gesehen 🙈🙊🙉. In unserem Fall ist das die Dominikaner-Buchhandlung die mal eine Kirche war und das „Koekhuis“, das mal eine Bank war und im Schließfachraum im Keller einen Tradi beherbergt.
In Fach 16 liegt die Dos Tschüs Maastricht
Und schon sind wir wieder unterwegs. In Valkenburg sitzen wir einen Regenschauer aus und fahren dann weiter am Lauf des Flüsschens Geul, das sich malerisch in steile Kalksteinfelsen eingeschnitten hat.
Und dann kommen sie, die „Dutch Mountains“ 😱🏔🗻🏔. Wer hätte gedacht, dass wir die meisten Höhenmeter bergauf in Holland fahren? Ich jedenfalls nicht. Hier findet das härteste holländische Radrennen statt, „Die Hölle des Mergellands“ 🤪🥵😂. Mit dem letzten Saft im Akku bzw. in Volkers Beinen erreichen wir die rettende „Klippe“, ab der es runter geht nach Aachen.
Fotos gibt’s leider keine, wir waren viel zu sehr mit strampeln beschäftigt 🤷♀️🤷♂️🚴🏼♂️🚴🏼🚴🏻♀️🚴🏼
Dafür sind wir schon um 14 Uhr in Aachen, stellen uns erst mal unter die heiße Dusche und ruhen uns aus. Volker recherchiert vor Ort am Hbf. und ZOB eine Möglichkeit, morgen per Bahn oder Bus nach Monschau zu kommen. Keine Chance. Eher landen Menschen auf dem Mars, als dass du Samstags ein Fahrrad in den ÖPNV kriegst 🤦🏼♀️🤦🏼. Dafür kriegen Volker und ich einen eRoller, mit dem wir in die Stadt düsen 🛴🛴.
Wir essen beim Griechen zu Abend, durchaus lecker aber ungemütlich, weil wir unserer Devise treu bleiben und enge Räumlichkeiten meiden.
So sind wir schon um 8 wieder im Hotel. Zu meiner Freude wird die Wahl zur Deutschen Weinkönigin 👑 im Fernsehen übertragen, Volker nimmt es mit Fassung 😂.
Allerletzter Tag: Zurück nach Hause
Für uns heißt das: nach Höfen zum HoGo, denn wir sind ja jetzt überall da zu Hause, wo unser WoMo steht. Karin und Rolf bieten uns an, uns angesichts des schaurigen Wetters zu fahren, aber vor allem Volker lehnt ab – er will partout radeln. Mir soll’s recht sein, wird schon gehen.
Und das tut es. Bis Raeren ist es halbwegs trocken, dann halbwegs nass, in Roetgen wärmen wir uns in der Gaststätte der Therme mit 2 Kaffee auf und laden Erikas Akku nach. Dann geht es hoch bis Lammerdorf, dann den Berg runter nach Dreistegen und steil hoch nach Höfen.
Geschafft! Ziemlich nass, kalt aber happy erreichen wir unser Zuhause und werden von Rik in Empfang genommen.
Abends genießen wir dann noch einmal seine Kochkünste und übernachten ein letztes Mal vor dem Haus Vennblick.
Schön war‘s. 326 km Rundtour und für uns beide nochmal 113 km drauf. Gestartet sind wir mit sommerlichen 25 Grad, am End waren es 12. Da hätte der Herbst auch noch 2 Tage warten können. Drei Länder und drei Flüsse und ganz viele schöne Eindrücke.
Mit Karin und Rolf kann man sehr entspannt und fröhlich Urlaub machen, und das werden wir auch nächstes Jahr wieder tun. Aber etwas früher im Jahr, damit wir am End nicht so frieren. Hoffentlich ist das dann in der Zeitrechnung schon n. C.