Mittwoch/Donnerstag 8. und 9. Oktober: Bob’s Kaminzimmer, Engelsberg und Seltenbachschlucht
Am Mittwoch steht die lang ersehnte Begegnung mit einem Herrn namens Bob Capenter an. Mit dem waren wir schon vor ziemlich genau einem Jahr verabredet, aber da hatte mich ein überaus fieses (Grippe?-)Virus ausgeknockt: 6 Tage Fieber, davon 3 über 40°C.
Bob erwartet uns in seinem Kaminzimmer (GC9N9ZV) mit der einschüchternden Wertung von D4,5/T3,5 😨. Daher haben wir uns sicherheitshalber mit den Aufzeichnungen von piaundmoritz gerüstet – für alle Fälle. Aber wir haben einen richtig guten Tag und sollten sie nicht brauchen! Vielleicht lag es ja an der erfrischenden 10-Kilometer-hallo-wach-Anfahrt mit dem Fahrrad.
Bob’s Kaminzimmer verbirgt sich in dieser gar nicht mal so kleinen Hütte direkt am Besucherparkplatz des Klosters Engelberg oberhalb von Großheubach.

Den mitgebrachten Zollstock setzen wir als Türklinke und – klassisch – als Messgerät ein und stehen recht fix im Kaminzimmer. Hier gilt es als erstes Schlappen zu sortieren:

Angemarkerte Buchstaben in Karl May Band 5 führen dann zu den anderen Rätseln, mir gefällt besonders das mit der magnetischen Landkarte und den 6 Kugeln: Sie markieren die Ecken einer 7-Segmentanzeige und mittels der „Legende“ verbindet man die Orte und „malt“ Zahlen. Sehr clever das!

Natürlich bleibt es nicht beim vordergründigen, am End müssen wir in das – geheime – Kaminzimmer hinter dem Kaminzimmer, wo wir von einer großen Schatzkiste, Bob himself und reichlich Schnaps empfangen werden. Den Zollstock signieren wir und werfen ihn als Logbucheintrag in die Kiste – das hatten wir auch noch nicht!


Und den Schnappes genehmigen wir uns zum Abschluss im „Garten“.

Das lief wie das warme Messer durch die Butter. Naja, die D/T-Wertungen sind ja immer Geschmackssache. D 4,5 ist Montecristo oder Prison Break – eine andere Liga! Und wieso das Terrain 3,5 sein soll, wo man doch mit dem Auto direkt neben der Hütte parken kann, erschließt sich mir schonmal gar nicht. Aber das ist ja auch egal, wenn man so viel Spaß hatte.
Nun haben wir ja noch Zeit und der Tag versaut sich nicht von selbst, also werden noch ein paar Dosen in der Nähe (auf)gesucht.



Als erstes den Virtual des Klosters für den man eigentlich die 612 Stufen der „Engelsstaffel“ von ganz unten hätte hochmarschieren sollen. Eigentlich. Doch wir sind ja schon oben 👍️. Also müssen wir nur ein paar Meter runter und an den in die Stellstufen eingeklöppelten Namen der Spender die Buchstaben für „betazed“ und Ziffern für das Datum finden und abpausen.



Dann geht es erst mal in die Klosterschänke zu Bier und Brotzeit!

Anschließend schauen wir uns noch ein wenig im Klostergarten um, wo der Mutter Gottes gehuldigt und gedankt wird. Allroundtalent Maria assistiert demnach nicht nur im OP, sondern hilft auch bei der Rehabilitation notorischer Verkehrssünder 🤣. Erst mit dem Auto die Pottsau rauslassen und sich dann bei der Mutter Gottes bedanken, dass man den Lappen wieder hat – schon strange, oder?



Wir finden dann noch ein paar ganz nette Dosen und ganz viele Keschde, die erst mal für eine Weile in den Kühlschrank wandern.

Am Donnerstag …
wollten wir eigentlich schon zu unserer nächsten Begegnung nach Ludwigsburg ab- bzw. anreisen, doch manchmal kommt es anders: Es gibt laut dem früher angereisten Uwe keinen freien Stellplatz in Ludwigsburg und irgendwo außerhalb möchten wir uns nicht hinquetschen. Also wird kurzerhand für Freitag bis Sonntag ein Hotelzimmer gebucht und wir bleiben einen Tag länger am Main.

… machen wir eine Wanderung durch die Seltenbachschlucht. Der Weg beginnt direkt am Ortsausgang von Klingenberg, führt durch die Schlucht hinauf zum ehemaligen Tonbergwerk – das kriegen wir dann später – und über die Clingenburg zurück.




Das Gestein der Schlucht ist Sandstein, der hier vor 200-250 Mio. Jahren auf einer Hochebene angeschwemmt und abgelagert wurde. Viel später, vor 2 Mio. Jahren schnitten sich der Main und seine Nebenflüsse in diesen Sandstein ein, es entstanden die Buntsandsteinterrassen am Main und eben hier das tiefe Kerbtal der Seltenbachschlucht.


Die Seltenbachschlucht ist Kinderstube für Feuersalamander. Wir haben zwar keinen zu Gesicht bekommen, doch das war auch nicht zu erwarten, denn sie sind nachtaktiv. Erstaunlich eigentlich, bei einem wechselwarmen Tier 🤔. Aber Feuersalamander sind ja keine wärmeliebenden Reptilien, auch wenn sie wie Eidechsen aussehen: Es sind Amphibien, die mögen es kühl und feucht. Erst bei Bodenfrost ziehen sie sich in Felsspalten oder Höhlen zurück und machen Winterpause. Der eigentliche Lebensraum des Salamanders ist aber nicht das Wasser, sondern der Laubwald. Aus dem Wald wandern die Weibchen im April hinunter in die Schlucht und legen ihre Larven im Seltenbach ab. Larven, kein Laich! Die Feuersalamandereier schlüpfen im Körperinneren, wachsen dort während der „Schwangerschaft“ 8-9 Monate zu 2-3,5 cm langen Larven heran und werden dann vom Weibchen im Wasser abgesetzt. Dort bleiben sie 3-6 Monate, bis sich Lungen entwickelt haben und die Jungtiere das Wasser verlassen können. Salamander können über 20 Jahre alt werden, in Gefangenschaft sogar 50! Ganz erstaunliche Tiere also!






Nach etwa 3 Kilometern verlassen wir das Tal des Seltenbachs (viel länger ist er auch nicht) und stehen vor den Resten des Tonwerks Klingenberg. Seit dem 16. Jahrhundert bis zum Jahr 2011 wurde hier feinster Ton gewonnen und – zur Blütezeit – in alle Welt exportiert. Als vor ca. 60 Mio. Jahren der Oberrheingraben absackte, taten sich auch in umliegenden Regionen Gräben auf . So auch hier. Und in diesen gut 100 m breiten, 1 km langen und 40 m tiefen Graben wurde feiner Ton eingeschwemmt und abgelagert, bis der Graben voll war.

Da lag er nun vor Erosion geschützt und blieb auch da, bis man ihn vor 450 Jahren entdeckte und abbaute.
Erst im Tagebau, später bergmännisch mit Schächten und Stollen unter Tage.

Ab ca. 1860 machte das Tonwerk die Stadt Klingenberg reich: Die Bürger mussten keine Steuern zahlen, man baute ein Mainbad, Elektrizitätswerk, Kanalisation, Schulen, Brücke, Rathaus und und und.
Der Ton diente zunächst natürlich zum Töpfern, später aber vor allem als „Bleistiftton“: Mit Graphit vermischt wurde er für Bleistiftminen in die ganze Welt verkauft. Außerdem verwendete man ihn für Schleifmittel und Glasuren und natürlich auch für Keramik aller Art.
Aber 2011 war Schluss: Die Vorkommen waren so weit ausgeschöpft, dass ein weiterer Abbau zu aufwendig wurde und nicht mehr rentabel war.

Seit 2016 beherbergen die ehemaligen Verwaltungsgebäude die Greifvogel-station Klingenberg, wo Falkner Michael Mendel im Dienst der Stadt havarierte Falken, Bussarde und Eulen aufpäppelt. Wir treffen ihn in seinem Büro an und der eher schweigsame Naturbursche gerät immer mehr ins Erzählen. Die Vögel kann er uns leider nicht zeigen, das macht er zur Fütterungszeit aber jetzt hat er Feierabend. Schade! Seinen chronisch schlechtgelaunten Uhu, von dem er berichtet, den hätten wir gerne gesehen.

Wir spazieren gemütlich zur Clingenburg, wo im Restaurant Burgterrasse der junge Küchenmeister Alexander Schmitt seine Gäste mit Außergewöhnlichem verwöhnt.




Auf der Speisekarte stehen ausgefallene Gerichte wie Vitello forello, Sauerbraten vom Klingenberger Reh oder selbstkreierte Burgunder-Bratwurst. Alles frisch, alles regional, alles nachhaltig. Und superschön angerichtet. Großartig!
Das war ein gebührender Abschluss der Tage am Main, den wir am nächsten Morgen beim Winzer Siebenlist mit dem Kauf von 2 Kistchen Wein komplettieren. Die Siebenlists sind Hobbywinzer, sie haben 1992 einen verwilderten Wingert am Schlossberg gerodet und mit den Rebsorten Spätburgunder, Portugieser, Domina und Dornfelder bepflanzt, der klassische fränkische „gemischte Satz“. Die Trauben werden gemeinsam gelesen und gekeltert und diese „Creation rot“ ist ein ganz wunderbarer Rotwein. 8 Euro die Flasche – ein Schnäppchen.