Samstag, 11. Mai 2024: UNESCO Weltkulturerbe Zitadelle Besançon
Am Samstag Morgen radeln wir bei bestem Wetter die 8 Kilometer vom Campingplatz in die Stadt. Die Strecke ist wunderschön, führt die meiste Zeit an den Wiesen des Doubs entlang auf einem feinen Radweg.
Unterwegs begegnen uns viele Läufer mit Startnummern – heute findet der „Trail des Forts“ statt: Die Königsstrecke führt über 60 Kilometer mit 2.300 Höhenmetern an ein paar Burgen vorbei oder auch mitten durch. Ganz am End müssen die Läufer:innen dann hoch zur Zitadelle von Besançon, rauf auf die Festungsmauer, rüber, runter und ins Ziel auf der anderen Flussseite. Mörderisch!
Auf dem Weg nach oben kommen wir an der Porte Noire, namentlich der Porta Nigra von Besançon vorbei. Die Stadt Vesontio war zur Römerzeit einer der wichtigsten Militärstützpunkte und Handelsorte in Gallien/Germanien. Anders als die Porta Nigra in Trier war dies hier aber kein Stadttor, sondern ein Ehrenbogen. Weiß der Geier warum er „Schwarzes Tor“ heißt, obwohl er aus dem hellen Kalkstein der Region gebaut ist.
Gleich nebenan steht die Kathedrale von Besançon. Wie so viele Kirchen datiert sie aus der Romanik (11.-13. Jhdt.), wurde später aufgestockt und diese hier dann im 18. Jahrhundert noch barockisiert.
Dann geht es aber endgültig den Bersch enuff, was trotz der eBikes immer noch anstrengend ist, aber keine Tortur. Und dann stehen wir vor dem untersten Tor der Zitadelle.
Als ich den Plan von Besançon zum ersten Mal gesehen habe, musste ich sofort an eine Flasche denken, einen Bocksbeutel oder eine italienische Fiasko: Die Stadt ist der Bauch der Flasche und die Zitadelle der Korken, der sie verschließt.
CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=937403
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Besançon, wie die gesamte Franche Comté, hat eine wechselhafte Geschichte. Nach den Römern kamen Germanenstämme, die sich um 500 unter Chlodwig I. als „Franken“ zusammenschlossen. Ihr Königsgeschlecht bezeichnete sich als Merowinger. Darauf folgten die Karolinger in persona Karls des Großen. Dem gehörte um 800 ganz Westeuropa inklusive Oberitalien. Das war relativ übersichtlich.
Man könnte nun sagen, dass in den folgenden 2-3 Generationen das (für damalige Verhältnisse) riesige Reich unter lauter Karls, Lothars und Ludwigs so lange aufgeteilt wurde, bis Frankreich, das HRR (Heiliges Römisches Reich deutscher Nation), Burgund und Italien entstanden. Ich habe mir die komplizierten Einzelschritte bis zu dieser recht einfachen Conclusio recherchiert und outgesourced 😜.
Am End gehörte Besançon zum autonomen Königreich Burgund, allerdings nicht lange: Es fiel mangels Erben 1032 an den deutschen Kaiser und blieb bis ins 17. Jahrhundert offiziell Teil des HRR. Allerdings mit einem hohen Autonomiestatus, wie man heute sagen würde. Man unterhielt Beziehungen zu Frankreich, Burgund und zur heutigen Schweiz. Besançon selbst hatte den Status einer freien Reichsstadt, war also nur dem Kaiser unterstellt. Erst Karl V. machte die Stadt ab ca. 1500 wieder „deutsch“, er baute sie zu einem militärischen Bollwerk aus und machte sie zu einer prosperierenden Metropole.
Das 17. Jahrhundert brachte hingegen Krieg, Hunger und Pest bis schließlich Ludwig XIV. die Stadt belagerte, eroberte und 1678 endgültig an Frankreich anschloss.
Und jetzt sind wir – endlich – bei der Zitadelle angekommen! Eine kleine Festung bestand bereits seit ein paar Jahren, aber Ludwig XIV. ließ seinen Superarchitekten Sebastién le Prestre de Vauban diese kleine Festung zwischen 1674 und 1688 komplett aus- und umbauen. Der Bau der Zitadelle war so teuer, dass selbst der nicht gerade als sparsam bekannte Ludwig XIV. gefragt haben soll, ob die Mauern aus Gold seien. Das ist wohl der schieren Größe geschuldet. An sich baute Vauban recht ökonomisch in „Modulbauweise“ und eigentlich nach Schema F: Alle Gebäude ähneln sich, die Wachttürme, Zugbrücken, Tunnel etc. sind bei allen seinen Festungen wie aus dem Katalog.
12 wurden 2008 in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen
Im 19. Jahrhundert kam Richtung Stadt (rechts) ein weiterer Festungsring hinzu
Leider kriegen wir keine Führung und der Audio-Guide ist a) nervig und b) didaktisch nicht besonders gut gemacht. Sehr schade! So hangeln wir uns von Tafel zu Tafel und erfahren immer nur Bröckchen und Details, Erklärungen für lauter Bäume statt für den Wald.
Sehr gut ist am End die Multimedia-Vorführung in der Kapelle – allerdings nur auf Französisch. Da hätten wir uns von einem Weltkulturerbe mehr erwartet!
Nach einem großen kühlen Bier und einem leckeren Imbiss (Crostini mit Zwiebelconfit, Duxelles und einem pochierten Ei mit etwas Hollandaise) verlassen wir die Zitadelle und bremsen uns runter in die Stadt.
Auf der anderen Flussseite liegt der älteste Stadtteil Battant, eine Vorstadt um die ehemals einzigen Brücke über den Doubs und Zugang zur Stadt. Die Bewohner waren Uhrmacher, Winzer, Gerber, Waschfrauen, ein Arbeiterviertel. Sehr bunt ist es hier, wesentlich weniger mondän, hier findet man Trödel, Kebab und Billigläden.
Für uns steht noch ein ganz besonderes Highlight an: Eine Bootsfahrt auf dem Doubs, einmal rundherum um Besançon. Wie das funktioniert wird man gleich sehen.
Als erstes müssen wir durch die Schleuse um 2,5 m Höhendifferenz zu überwinden. Da ist Handarbeit angesagt: Kapitän Asis 😎 und sein 1. Offizier 🥵 kurbeln was das Zeug hält!
Dann kommt der spannendste Teil: Die Fahrt durch den Schiffstunnel des Doubs. 391 Meter lang führt er seit 1882 120m unter der Zitadelle durch den Fels.
Drinnen kriegen wir ein Lightshow und aus den Schiffslautsprechern klingen gruselige Sprüche und diabolisches Lachen: Geisterbahnatmosphäre 😨👹👾😂.
Unseren Plan, in der Stadt essen zu gehen, canceln wir: Die Restaurants machen erst um 19 Uhr auf, das wird uns zu spät. Statt dessen kaufen wir ein Baguette und machen noch einen zweiten Abstecher in den Schiffstunnel, um hier einen Geocache zu finden 😍. Der hat Spaß gemacht. Mal was anderes!
Den Abend verbringen wir dann auf dem netten CP in unserem „Vorgarten“ und futtern mal wieder Käse mit Baguette und Rotwein.