Baustellenbesichtigung: Guédelon

Fronleichnam, 30. Mai 2024: Von Gurgy nach Cosne-Cours-sur-Loire über Guédelon

Guédelon steht schon sehr lange auf meiner „Places to see“-Liste, und zwar ziemlich weit oben. Ich hab ja als Schülerin/Studentin ein paar Jahre als Guide auf Burg Eltz gearbeitet und schon da hat mich das Handwerkliche (neben dem geschichtlichen Kontext) immer am meisten interessiert. Es war mir schnurps, wer die Burg gebaut hatte, ich wollte wissen wie!

Das wollte auch ein gewisser Michel Guyot, und er wollte es nicht nur wissen, sondern auch machen: Der Berufsreiter mit Faible für Geschichte und Denkmalschutz hatte bereits 2 baufällige Schlösser auf Vordermann gebracht, als er sich in den 90er Jahren entschied, selbst eines zu bauen. Und zwar ausschließlich mit dem Material und der Technik des Mittelalters!

Guyot kannte bereits einige Fachleute, die er von dem Projekt überzeugen konnte, gründete eine Gesellschaft und fand auch bald einen geeigneten Ort: Ein aufgegebener Sandstein-Steinbruch, umgeben von Wald und genügend Wasser: Guédelon.
Wie bei den Siedlern von Catan 😉.

Nach ausgiebigen Recherchen, Besichtigungen und viel Archivarbeit wurde der historische Kontext festgelegt, die Pläne für die Burg erstellt und schließlich 1997 der Grundstein gelegt.
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Guedelon ist eine Zeitreise in das 13. Jahrhundert. Es wurde sogar eine Rahmenhandlung erfunden, um das Ganze greifbar zu machen: Unser fiktiver Burgherr ist ein kleiner Landadeliger, der von seinem Fürsten ein Stück Land zum Lehen bekam, als Gegenleistung für seine Dienste, in erster Linie militärische. Ihm wurde aufgetragen, auf seinem Besitz eine Burg zu errichten und damit begann unser Ritter dann auch im Jahr 1228. Das ist der Beginn der timeline von Guedelon. Er lebte mit seiner Frau im Herrenhaus, war viel für den Fürsten unterwegs, kassierte Abgaben von den Bauern und baute eben die Wehr- und Wohnburg für sich, seine Familie und seine Bediensteten. Er war weder besonders mächtig, noch reich, vergleichbar einem Beamter im mittleren / gehobenen Dienst.

Die Baustelle im Jahr 2000
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Anfangs belächelt, interessierten sich immer mehr Wissenschaftler für das Vorhaben, Kunsthistoriker, Architekten und Archäologen: Es entstand ein Projekt nach den Maßgaben der Experimentellen Archäologie. Den Baufortschritt kann man sich sehr schön auf der französischen Wikipedia anschauen.

Es arbeiten in Guédelon etwa 50 Handwerker hauptberuflich in fulltime, dazu kommen 200 bis 300 Freiwillige über das Jahr bzw. die Saison (April – Oktober) verteilt.

Eingang durch das Portal in den Burghof. Der liegt gut 2 Meter über dem umgebendem Bodenniveau
Hier wird noch tüchtig gebaut
Wenn es fertig ist, kann man auf der Wehrmauer einmal komplett rumgehen

Aber man kann hier ja nicht „nur“ die Burg besichtigen, sondern sämtliche Gewerke, die für den Bau erforderlich sind, finden sich vor Ort. Alles (oder zumindest vieles) beginnt im Steinbruch:

Die richtige Schuhauswahl!

Riesige Blöcke aus hartem, eisenhaltigem Sandstein werden hier gebrochen und zu „handlichen“ Brocken zersprengt. Es braucht nur ein daumentiefes Loch und einen kleinen Eisenkeil, um so einen Kawenzmann in zwei Teile zu zerlegen. Weil der Sandstein sehr hart ist, wird der Druck des Keils nicht absorbiert, sondern spaltet den Stein. Man muss dabei nur die Schichtung des Sedimentierung beachten.

Die Brocken können von den Maurern sogleich für die Außenmauern der Burg benutzt werden. Ein Teil der Steine wird von den Steinmetzen weiterbearbeitet, geglättet und zu Ecken, Fenster- und Türumfängen oder Gewölbesteinen behauen.

Am Herrenhaus und dem Kapellenturm sind besonders aufwendige Fenster verbaut. Jedes besteht aus 17 exakt behauenen Kalksteinen und es dauert 3 Monate, um es herzustellen. Der Einbau ist in 3 Stunden erledigt.

Hier sieht man das Mauerwerk: Der Sockel ist aus behauenen Sandsteinen, dann folgt ein Stück grobe Mauer, dann wieder 3 Lagen behauener Stein usw. Nur mit behauenen Steinen zu bauen, wäre zu teuer gewesen und hätte auch deutlich länger gedauert. ein Steinmetz schafft max. 12 Steine pro Tag.

Alles wird sorgfältig verfugt. Der Mörtel besteht aus Lehm, Sand und Kalk

Neben den Maurern und Steinmetzen gibt es unzählige andere Gewerke: Zimmerleute, Tischler, Schmiede, Seilmacher, Töpfer, Korbflechter, Böttcher, Karrenbauer, es kann Brot gebacken werden, Farben hergestellt, Kleidung fabriziert, es gibt Tiere und einen Garten. Guedelon versorgt sich fast komplett selbst.

Sehr wichtig: Die Zimmerleute. Es wird vor allem Eichenholz verarbeitet.

Und so sieht es in den Innenräumen aus:

An allen Gewerken bekommt man Vorführungen und Erklärungen, besonders heute, denn es herrscht Hochbetrieb. Vor allem viele Schulklassen sind zu Besuch, die haben anscheinend an Fronleichnam Wandertag statt schulfrei. Aber der Andrang verläuft sich auf dem großen Gelände. Wären nicht alle Darbietungen nur auf Französisch, wir wären sicherlich noch viel länger geblieben.

Aber so haben wir auch Glück: Als wir nach gut 4 Stunden Besichtigung gerade wieder im HoGo sitzen, tut es einen Schlag und ein Gewitter geht über alles hernieder. Nur nicht über uns 😇.

Von Gurny (A) nach Guédelon (B) und weiter nach Cosne-Cours-sur-Loire (C),
96 km

Am Ende unserer Burgund-Etappe ist es einmal wieder wert auf unsere bisherige Gesamtstrecke zu schauen.

Wir sind bereits einen guten Monat unterwegs und haben etwa 2.000 km zurückgelegt. Dabei haben wir in Frankreich die Regionen Elsass und Lothringen, das Franche-Comté und das Burgund bereist. Weiter geht es nun mit dem Loire-Tal.

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