27. bis 31. Mai 2025
Mit Bayeux haben wir den Anschluss an unsere im letzten Jahr abgebrochene Reise hergestellt. Die damals schon gebuchte Tour zu den Landungsstränden mussten wir coronabedingt canceln. Das und mehr holen wir nun nach.

Ich hab uns für 4 Nächte auf dem CP in Bayeux eingebucht, es ist das Himmelfahrts-Wochenende und da machen auch die Franzosen gerne mal einen auf Brückentagsurlauber und es könnte voll werden auf den Stellplätzen. Mit 25 Euro ist der Platz recht erschwinglich und liegt nur 1,5 km vom Stadtzentrum.

Dahin machen wir uns auch gleich nach der Ankunft auf.
Tag 1: Immer schön auf dem Teppich bleiben

In der Randborte unten die Gefallenen ☠️
Von Dan Koehl – Tapestry de Bayeux, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=658776
Der berühmte Teppich von Bayeux ist eigentlich kein Teppich, sondern eher eine Stofftapete. Oder noch eher ein textiles Geschichtsbuch. Ein Bilderbuch, ein Comic.

Von Myrabella – Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25436227
Auf fast 70 Meter Länge bei ca. 50 cm Breite erzählt er in 58 Szenen vom Streit und Kampf um die englische Krone im 11. Jahrhundert. Hauptdarsteller sind der englische König Edward, (der in Szene 23 stirbt), sein Schwager Harald Godwinson, der ihm auf den Thron folgt und der normannische Herzog Wilhelm, weitläufig mit dem verblichenen Edward verwandt, der selbst Anspruch auf den Thron erhebt. Das endet in der bekannten Schlacht von Hastings im Jahr 1066, in dem das Heer Wilhelms (des Eroberers) die Engländer schlägt. Hier endet der Teppich, die Schlussszenen – vermutlich die Krönung Wilhelms – fehlen leider.


Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=684174
Die komplette Story um die Thronfolge ist extrem kompliziert und verworren 😵💫, ich musste beim Nachlesen in Wikipedia mal wieder an diese Szene denken 🤣 und habe ein Ei drüber gekleppert.
Die Länge des Teppichs und seine detaillierten Darstellungen sind allein schon sehr beeindruckend. Man kann sie eigentlich ganz gut „lesen“ zumal noch Erklärungen in lateinischer Sprache dabei sind. Unser Audioguide „übersetzt“ die Bilder für uns Szene für Szene. Er liest uns quasi das Bilderbuch vor – das hat das Museum gut gemacht!

Hier ist König Edward im Bett mit seinen Getreuen .. und hier ist er gestorben.
Von Image on web site of Ulrich Harsh. – http://www.hs-augsburg.de/ ~harsch/Chronologia/ Lspost11/ Bayeux/ bay_tama.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17142018

Neben der geschichtlichen Kernaussage gibt der Teppich uns heute auch viel Aufschluss über Alltägliches: Über Kleidung, Schmuck, Waffen, Schiffsbau, Jagd, Ackerbau und vieles mehr.
Und er zeigt die erste Darstellung des Kometen Halley, der um die Zeit der dargestellten Ereignisse den sonnennächsten Punkt erreichte.
Bildquellen: CC BY-SA 3.0, https:// commons. wikimedia.org/ w/index.php?curid=55426
Noch ein paar technische Daten:
Material: Mit Wolle auf Leinen gestickt, um 1080 in Südengland, war eine Auftragsarbeit, vermutlich von Odo von Bayeux, der auch auffällig häufig abgebildet und namentlich genannt wird.
Es sind insgesamt 623 Menschen (tot und lebendig), 202 Pferde, 55 Hunde, 505 andere Tiere, 27 Gebäude, 41 Schiffe und Boote sowie 49 Bäume abgebildet. Fünfzehn Personen und acht Orte werden namentlich genannt.
Tja, da hätte in der Tat ’ne alte Frau lange für stricken müssen!
Wir werfen noch einen schnellen Blick von außen auf die stattliche Kathedrale von Bayeux, verschieben den Besuch aber auf morgen und genehmigen uns statt dessen einen Cidre in der hübschen Rue St. Jean.


Überhaupt scheint Bayeux ein ganz hübsches Städtchen zu sein, die Alliierten haben hier offenbar nicht so viel zerstört wie z.B. in Lisieux. Aber das Thema „D-Day“ ist allgegenwärtig. Die sonst eher auf sich zentrierten Franzosen hissen britische und amerikanische Flaggen, Englisch ist überall Zweisprache und im Supermarkt gibt’s Kekse Geschmacksrichtung Operation Overlord 🤨, die ich – egal wie sie denn tatsächlich schmecken – ziemlich geschmacklos finde.



Zum Schluss noch ein kleines Ratespiel: Was hab ich mir denn hier wohl als Andenken gekauft?
Tipp: Man kann es nicht essen, aber es hat was damit zu tun. Und ich bin ganz entzückt davon!
Tag 2: Mittwoch, 28. Mai: Markt, Kathedrale, Memorial

OK – das Halteverbotsschild oben drüber haben wir unterschlagen und das Rolli-Logo hat die KI wegradiert. So manipuliert man Bilder 🤭
Am Mittwoch müssen wir erst ein wenig Regenwetter aussitzen, dann geht es zum kleinen Wochenmarkt in der Rue St. Jean. Der ist allerdings sehr klein, für Käse müssen wir später eine Fromagerie aufsuchen.
Immerhin gibt es sehr leckere saucissons secs. Und Katzenhai, den haben wir aber nicht gekauft.



Dann statten wir der prächtigen Kathedrale von Bayeux – wieder mal eine Notre Dame – einen Besuch ab.

Wie so oft* verdankt auch in Bayeux die Kathedrale ihre Entstehung dem Brand des Vorgängerbaus, und der uns inzwischen bekannte Bischof Odo baute eine neue Kathedrale, die 1077 geweiht wurde. Knapp 100 Jahre später brannte die wieder teilweise ab und man nutzte die Gelegenheit, sie beim Wiederaufbau zu modernisieren. Deshalb ist Notre Dame de Bayeux untenrum romanisch, oben gotisch. Weitere Brände, Plünderungen während der Religionskriege und die Revolution führten zu ständigen Umbauten. Am auffallendsten ist sicherlich die Vierungskuppel, die 1866 drauf kam und das Westwerk überragt.
*übrigens ist auch der Mainzer Dom beizeiten abgebrannt, und zwar gleich am Tag seiner Einweihung 1009 🔥.





Die schönen leuchtenden Fenster sind fast alle aus dem späten 19. Jahrhundert und 2021 kamen in beiden Querschiffen noch ganz moderne hinzu: das Glas ist prismatisch und projiziert farbige Lichtkleckse in die Kathedrale. Auch von außen leuchten und schillern diese Fenster.




Während Volker die Kathedrale einmal umrundet, verziehe ich mich in einen knallevollen Souvenirladen und bewundere im „Conservatoire de Dentelles“ die feine, kunstvoll in Handarbeit hergestellte Spitze.



Am Nachmittag widmen wir uns dann dem unumgänglichen Thema der Invasion in der Normandie. Wir fangen quasi hinten an, am British War Cemetery, dem größten Soldatenfriedhof des Commonwealth aus dem Zweiten Weltkrieg. 4.648 Männer sind hier begraben, größtenteils Briten, aber auch Australier, Neuseeländer, Südafrikaner, Polen, Russen, Franzosen, Tschechen, Italiener und sogar Deutsche.


Dann geht es ins Musée Memorial de la Bataille de la Normandie. Es befindet sich in einem bunkerartigen Bau, drumherum stehen lauter Panzer und Kanonen.

Die Ausstellung umfasst die gesamte Operation Overlord, die Schlacht in der Normandie ab der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 bis zum September 1944. Das ist so ausführlich und detailreich, das kann man gar nicht alles erfassen und sich merken. Aber ein roter Faden ist klar erkennbar, man sieht zwar lauter Bäume, aber auch den Wald.

Über den „D-Day“ am 6.6.1944 ist so viel geschrieben worden, dass ich mir das hier jetzt erspare. Deshalb hier nur ein paar Einzelheiten, die ich selbst erstaunlich oder bemerkenswert finde.



Interessanter als die ausschweifende Präsentation schwerer Waffen (das sieht für mich alles gleich aus) und die Beschreibung der einzelnen Operationen finde ich einen der letzten Räume, wo es um die Kriegsberichterstattung geht.
Dutzende, wenn nicht hunderte Reporter begaben sich in Lebensgefahr, darunter auch das ehemalige Model Lee Miller – sie machte Kriegsberichterstattung für die Vogue, überwiegend hinter der Front, schrieb über das Leben der Sanitäter und Krankenschwestern, der Kriegsgefangenen oder auch über Mode und High Society im befreiten Paris. Ich muss da an Sophie von der Tann denken, die junge Frau, die immer für die ARD aus Israel berichtet. Hinter ihr schlagen die Bomben ein und ich denk mir, die könnte sich ja auch in Deutschland ein nettes Leben machen, mit Freunden abhängen oder eine Familie gründen. Scheint ein besonderer Menschenschlag zu sein. Respekt!

Nicht verschwiegen wird aber auch, dass das alles damals der Zensur unterlag:

Die Grenze zwischen adäquater Berichterstattung und Propaganda* ist vermutlich fließend. Damals wie heute, denke ich. Heute verschreiben sich die Journalisten einem selbstauferlegten Pressekodex, was grundsätzlich sicherlich richtig ist. Ich glaube aber nicht, dass unsere Berichterstattung in den Medien frei von jeglicher Propaganda* ist. Jeder hockt in seiner Blase. Schwieriges Thema 🤔🤫🫣. Und für den Krieg gilt ohnehin: Sein erstes Opfer ist die Wahrheit (Aischylos – griechischer Dichter um 500 v.d.Z./Hiram Johnson 1914 – amerikanischer Politiker).
* „Als Propaganda bezeichnet man die schriftliche oder mündliche Verbreitung von Ideen und Informationen mit dem Ziel, andere Menschen von diesen Ideen zu überzeugen. Eigentlich ist es also eine spezielle Art von Werbung.“ Bundeszentrale für politische Bildung
We call it a day und radeln nach Hause, ich vertiefe mich in kontemplatives Power-Schnippeln für eine Veggie-Bowl mit seeeehr vielen Zutaten (Karottensalat, Rotkraut-Rohkost mit Haselnüssen, Bohnensalat mit Paprika, Hummus, Hüttenkäse, Rucola, Radieschen, Tomaten) und Volker macht derweil Schritte.
Tja, und meine (Volker) Nording Walking Runde habe ich natürlich über möglichst viel Grün quer durch Bayeux ins Tal der Aure (La valée de l’Aure) gewählt.
Entlang eines typischen Lavoir … und weiter durch die Stadt

in den Park …


und hier erwische ich sodann auch unser Animal of the Day …

Tag 3: Donnerstag 29. Mai 2025: D-Day
Unser diesjähriger Vatertagsausflug führt nach Omaha. Natürlich nicht in die USA, sondern an den östlicheren der beiden Strandabschnitte, an dem bei der Operation Neptune am 6. Juni 1944 amerikanische Truppen landeten. Und der tödlichste. Bloody Omaha.

Während auf allen anderen Stränden die Landung durch Artillerie- und Luftangriffe gut vorbereitet war und weitgehend planmäßig verlief, kam es auf dem Abschnitt Omaha Beach zu sehr hohen Verlusten für die Alliierten. Man hatte kein Glück und dann kam noch Pech dazu, könnte man sagen.
Wir haben eine geführte Halbtagestour zu einigen Punkten der Landung der alliierten Truppen gebucht und steigen um 13 Uhr am vereinbarten Treffpunkt zu unserem Guide Louis und 6 Amerikanern in den kleinen Van. Louis ist ein wirklich netter und kluger junger Mann, 27 Jahre alt, stammt aus der Gegend und fast als erstes erzählt er uns, dass es ihm sehr leid tut, dass er erst begann sich für die Geschichte des WWII zu interessieren, als die Zeitzeugen seiner Familie, die Großeltern, schon gestorben waren. Er hat ein Jahr Geschichte studiert, dann auf Museumspädagogik gewechselt und er macht seine Sache als Guide sehr engagiert, fundiert und zudem sehr sympathisch.

Unser erstes Ziel ist die Pointe du Hoc, eine kleine Landspitze zwischen Utah und Omaha Beach, von der aus man beide Abschnitte überblicken konnte. Die Alliierten hatten zwar im Vorfeld versucht, diese Stellungen zu zerstören, sie hielten aber den Bomberangriffen stand. Nun sollten in der Nacht des 6. Juni 226 amerikanische Ranger unter dem Befehl von Colonel James Earl Rudder „zu Fuß“ die Küstenbatterie neutralisieren.



Allerdings ging das timing schief, sie kamen 40 Minuten später an als geplant und der Überraschungseffekt war dahin. So wurden die Männer, als sie mit Seilen und Leitern die Felswände hochkletterten, von den Deutschen mit Felsbrocken und Handgranaten beworfen. Sie schafften es dennoch, die Geschützstellungen zu erreichen, fanden dort aber keine Kanonen mehr vor: Die Geschütze waren weggeschafft worden, wahrscheinlich wegen der vorangehenden Bombenangriffe. Also suchten die Ranger weiter im Inland nach den Kanonen und einer Patrouille gelang es auch, sie zu finden und zu zerstören.



Dennoch dauerte das Ganze viel länger als vorgesehen und die Männer wurden mehrmals von deutschen Truppen angegriffen. Erst als Verstärkung eintraf, zogen sich die Deutschen zurück.
Von 225 Rangern überlebten nur etwa 100 diese ersten beiden Tage der Operation Neptun.

Nächster Stop ist der/das Normandy American Cemetery and Memorial in Colleville-sur-Mer. Auf dem riesigen Gelände sind über 9.000 amerikanische Soldaten beerdigt, hinzu kommen knapp 1.600 Sodaten, deren man als „missing in action“ gedenkt. Das ganze Gelände steht unter US-amerikanischer Verwaltung, es ist quasi eine amerikanische Exklave und das merkt man auch: Security überall, alles ist sehr reglementiert und sehr, sehr ordentlich, um nicht zu sagen steril. Auf mich wirkt es nicht einladend, aufgebauscht und … unsympathisch 🤷♀️.

Weil Louis keinen Parkplatz findet, schmeißt er uns am Eingang raus, aber die Truppe verliert sich und mir ist es zu doof (und für meinen Fuß zu anstrengend) sie auf dem weitläufigen Gelände zu suchen, also setze ich mich ab und Volker geht alleine hoch zum Friedhof und der Gedenkstätte, wo auch gerade eine Zeremonie stattfindet.
Ich (Volker) treffe pünktlich zu Beginn der Zeremonie um 16 Uhr ein. Ein einzelner Bläser in weißer Uniform bläst auf der Trompete ein Trauerlied, um ihn herum weitere uniformierte Soldaten.

Die zwei amerikanischen Flaggen werden langsam und getragen eingeholt. Einige hundert Besucher stehen andächtig, außer dem Bläser ist es mucksmäuschenstill, ähnlich einer Gedenkminute, nur weitaus länger, ich bin sehr ergriffen. Jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, läuft es mir kalt den Rücken runter.



Louis ist so nett und erzählt mir nochmal exklusiv, was er den anderen am Memorial vorgetragen hat. Es sind Einzelschicksale, wie das der vier Niland-Brüder. Zwei waren gefallen, ein dritter wurde vermisst und als tot deklariert und den vierten, Frederick, schickte man nach Hause, angeblich weil man der Mutter nicht zumuten wollte eventuell auch den letzten ihrer Söhne zu verlieren. Das wäre wohl nicht weiter erwähnenswert, wenn nicht Steven Spielbergs Der Soldat James Ryan darauf beruhen würde. Aus Frederick „Fritz“ Niland wird im Film James Francis Ryan. Das wiederum ist eine Reminiszenz an Cornelius Ryan, der die Romanvorlage für den Film Der längste Tag (1962) geschrieben hat. Klingt kompliziert, ist aber so.
Bemerkenswert auch die Geschichte der Zwillinge Julius und Ludwig Pieper. Beide sind in der Normandie gefallen, aber nur der Leichnam von Ludwig wurde gefunden und beigesetzt. Julius kam ums Leben, als das Schiff, auf dem er als Funker Dienst tat, auf eine Unterwassermine auflief und explodierte. Ludwig galt als verschollen. In den 2010er Jahren wurde dieser cold case wieder aufgerollt und man fand tatsächlich das Wrack und im Funkraum menschliche Überreste. Es gelang, diese mitteks DNA-Analyse als Ludwig Pieper zu identifizieren. Er wurde am 19. Juni 2018 (auf den Tag 64 Jahre nach seinem Tod) neben seinem Zwillingsbruder auf dem Normandy American Cemetery beigesetzt.
Zum Schluss fahren wir noch an den Strand, an dem tatsächlich die Landungsboote in den frühen Morgenstunden des 6. Juni 1944 ankamen.

Der Himmel war mit dicken, tiefhängenden Wolken verdeckt, so dass die Flugzuge, die die „Widerstandsnester“ der Deutschen zerstören sollten, mangels Sicht ihr Ziel verfehlt und ihre Bomben im Hinterland abgeworfen hatten. So liefen die Männer ins Sperrfeuer der Deutschen. Ein Unglück kommt selten allein: Die Klappen der Landungsboote mit den Panzern wurden zu früh geöffnet und die Ausrüstung versank in den Fluten.
Dennoch gelang es, auch diesen Küstenabschnitt einzunehmen. Das Ende ist uns allen wohlbekannt.

Das Thema „Trump“ haben wir übrigens wohlweislich nicht angesprochen 🤫
Louis setzt uns gegen 18 Uhr nacheinander wieder in Bayeux ab. Genug Weltkrieg für heute!

Tag 4: Freitag, 30. Mai 2025: Radtour nach Longues-sur-Mer und Arromanches-les-Bains
Das für heute angekündigte sonnige Wetter verspätet sich etwas, aber kaum sind wir unterwegs, da verziehen sich alsbald die Wolken. Raus aus Bayeux geht es über die Veloroute No 5 auf’s Land. Vorbei an stattlichen Gehöften und durch verschlafene Dörfer, alles ist saftig grün und blüht.



Wir sind hier im Land der bocages, der Hecken, die die Grundstücksgrenzen markieren und Windschutz bieten. Allerdings auch Sichtschutz für Heckenschützen – wörtlich genommen.
Das Wort hat aber eigentlich nichts mit Hecken zu tun, sondern bezeichnet seit dem 18. Jahrhundert ein heimliches, meist illegales Tun. Ein Heckenschütze war ein Freischärler oder Partisan, kein regulärer Soldat. So sprach man auch von Heckenärzten (Quacksalber) oder Heckenjägern (Wilderer). Das Verb „aushecken“ geht auch auf diesen Ursprung zurück: Wer etwas ausheckt, tut das heimlich und meist nicht in guter Absicht.

In diesen jahrhundertalten, dichten Gehölzen verschanzten sich die Deutschen mit Maschinengewehren und schweren Geschützen und richteten großen Schaden an. Sehr eindrucksvoll beschreibt dies eine Website des französischen Verteidigungsministeriums „Chemins des memoires“ – Die Schlacht gegen die Hecken. Wir ärgern uns, dass Volker seine Drohne nicht mitgenommen hat, das wären tolle Bilder geworden 🙄.
Auf der (vergeblichen) Suche nach einem Geocache erkunden wir die Ruinen der Kirche von Fontenailles, die im Sommer 1944 durch Fliegerbomben zerstört wurde. Ob es deutsche oder alliierte waren, konnten wir nicht rauskriegen. Vermutlich Alliierte.


Vorbei an wogenden Getreidefeldern und gelangweilten Kühen erreichen wir Longues-sur-Mer, wo uns ein farbenfrohes „chalet gourmand“ ausbremst. Erst mal einen Kaffee und einen Crèpe au caramel beurre salé 😋.




Dann geht es ein paar Meter weiter zur ehemaligen deutschen Marine-Küstenbatterie – Codename Widerstandsnest 48. Sie ist noch ziemlich gut erhalten: 4 etwas zurückgesetzte Geschützbunker, ein Kommandostand als Ausguck an den Klippen, Flakstellungen, Munitionsbunker und Tobruks – das sind oben offene, in den Boden eingelassene Gefechtsstände, sozusagen Minibunker für einen Soldaten, aus denen meist mit Maschinengewehren gefeuert wurde. 20 solcher Küstenbatterien gab es zwischen Cherbourg und Le Havre, alle in der gleichen Standardbauweise, in wenigen Wochen gebaut und im April 1944 fertiggestellt.





In der Nacht des 6. Juni nahmen britische Bomber die Stellung unter Beschuss, konnten zwar nicht die Geschützbunker, aber die Kommunikationsleitungen zum Leitstand zerstören. Dann gab es eine Schlacht zwischen der deutschen Artillerie und alliierten Kriegsschiffen und am späten Nachmittag, gaben die Deutschen auf. Kein einziges alliiertes Schiff wurde getroffen, das Gelände um die Küstenbatterie glich einer Kraterlandschaft.

Von alle dem mal abgesehen ist es hier ein herrliches Fleckchen Erde: Das blaue Meer, die grünen Felder und Wiesen mit so vielen Margeriten, wie ich sie noch nie gesehen hade.



Von oben erreichen wir Arromanches-les-Bains, das sich in eine kleine Bucht kuschelt. Es ist vor allem berühmt für seinen künstliche Hafen, Mulberry B (A war an Omaha Beach), die die Alliierten in Rekordzeit errichteten: Schon nach 3 Tagen konnten die ersten Schiffe anlegen.

Von Royal Air Force official photographer – This photograph C 4626 comes from the collections of the Imperial War Museums., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=171622
Er bot Schutz vor der See und ermöglichte die Entladung der Schiffe trotz des Tidenhubs. Zuerst wurden außen rum alte Schiffe und zusätzliche Caissons versenkt, die eine Art künstliches Riff rund um den Hafen bildeten und Schutz boten. Noch weiter draußen wurden Bombardons verankert, große Metallstrukturen als erste Wellenbrecher. Die Piers, ebenfalls aus Senkkästen, hoben und senkten sich mit der Tide an langen Metallpfählen, wie man z.B. an den Landungsbrücken in Hamburg gut beobachten kann. Kaum war der Hafen fertig, zerstörte ihn ein schwerer Sturm, der vom 19. Juni bis 21. Juni tobte. Mulberry A am Omaha Beach war unwiderruflich zerstört, mit den noch brauchbaren Resten flickte man in Arromanches B wieder zusammen.
Die Relikte des „Maulbeerhafens“ sind eine der hiesigen Sehenswürdigkeiten, auch wir sind deshalb hierher gekommen. Darüber hinaus ist Arromanches ein charmantes Seebad, mit lebhaft-entspannter Atmosphäre.


Die planschenden Kinder und einige unverzagte Schwimmer (vermutlich Briten, meint Volker 🤣) strafen die angebliche Wassertemperatur von 12°C bis 14°C Lügen. Nachgemessen wie weiland am Polarmeer, selbst ausprobiert haben wir es aber nicht. Schade eigentlich, ich hatte überlegt den Badeanzug einzupacken.




Vor dem Badestrand liegen noch zwei alte Pontons, die bei Hochwasser umspült werden. Bei Ebbe liegen sie trocken.
Damit uns das nicht passiert, genehmigen wir uns an der Strandpromenade ein leckeres Kaltgetränk.




Dann geht es zurück durch die Hecken, über uns tirillieren die Lerchen, es geht durch noch mehr verschlafene Dörfer, vorbei an an alten Steinkirchen und …


Flachsfeldern! Hab ich noch nirgends gesehen, wird hier angebaut und – was sonst – zu Leinen verarbeitet. Noch mehr davon soll es zwischen Etretat und Dieppe geben, das größte Anbaugebiet Europas! Da kommen wir nächste oder übernächste Woche hin und vielleicht haben wir Glück und der Flachs blüht. Das muss wunderschön sein!

Wieder zu Hause genießen wir den sonnigen Spätnachmittag und zum Abendessen gibt es Wasserwaage alles was weg muss vom Grill.


Volker vermerkt im Bordtagebuch „nicht unerhebliche Rückbauarbeiten“. Hör ich da etwa leise Kritik 🤣?
