Montag, 6. Mai 2024: Sarrebourg – Dabo – Gérardmer
Es regnet! Nachts, frühmorgens und auch nach dem Aufstehen. Und laut Wetterhervorsage wird das nicht besser. Erst am Mittwoch wird uns die Sonne wieder Gesellschaft leisten. Da müssen wir durch. Ich ärgere mich bloß ein kleines bisschen, dass ich die Gummistiefel nicht mitgenommen habe. Die würden gute Dienste leisten. Und vielleicht würden sie sogar den Regen vertreiben. So ein paar klitzekleine Verschwörungstheorien darf man sich ja wohl leisten.
Wir verabschieden uns von unserem Gastgeber, den wir zu diesem Anlass das erste Mal zu Gesicht bekommen. Es war ja voll OK hier, aber keiner hat uns wahrgenommen oder gar als „Gäste“ behandelt, wie es ja eigentlich bei France Passion sein sollte. Die enthusiastischen Kommentare können wir nicht nachvollziehen. Auch wir hätten gerne mehr über den Hof erfahren und auch eingekauft. Aber so waren wir halt einfach da und fertig. Vielleicht hatte die Familie an einem Sonntag etwas Besseres zu tun.
Jedenfalls bedanken wir uns auch hier mit 2 Schlüsselbändern als Gastgeschenk und fahren dann Richtung Vogesen, also weiter nach Osten.
Die Vogesen sind vor 50 Millionen Jahren hochgehoben worden (also zusammen mit den Alpen, als Italien an den Kontinent anrummste und alles zusammenschob). Zunächst bildeten sie zusammen mit dem Schwarzwald ein Gebirge. Dazwischen befand sich aber ein Rift oder Grabenbruch, ähnlich dem St. Andreas-Graben in Kalifornien. Deshalb brach zeitgleich mit der Hebung zu beiden Seiten in der Mitte der Oberrheingraben ein. Er senkt sich bis heute und ist, wie der St. Andreas-Graben, eine instabile Zone mit hoher Erdbebenaktivität und Vulkanismus. Der bekannteste Vulkan ist der Kaiserstuhl. Bis zu 4.000 Meter betrug die Absenkung und die Hebung links und rechts bis zu 2.500 Meter. Das waren Berge! Aber durch Sedimentation wurde der Rheingraben fast völlig aufgefüllt und die Gebirge durch Erosion und vor allem durch die Eiszeit abgetragen. Höchste Erhebung der Vogesen ist der Grand Ballon, der Große Belchen mit 1.424 Metern und nebenan der Feldberg im Schwarzwald mit 1.493 Metern.
Heute geht es in die eigentlichen Vogesen, aber vorher machen wir Halt in Sarrebourg – nicht zu verwechseln mit dem deutschen Saarburg am Unterlauf der Saar. Es verwundert indes nicht, dass die beiden Saarburgs eine Städtepartnerschaft pflegen 😂.
In Saarburg haben wir ein einziges Ziel, nämlich die Sehenswürdigkeit der Stadt: Das größte Kirchenfenster von Marc Chagall. Es misst 7,5 m x 12 m und befindet sich in der Franziskanerkapelle, der Chapelle des Cordeliers, mitten in der Stadt. Die Kapelle ist der Chor der ehemaligen Franziskanerkirche, die so baufällig war, dass man sie 1970 abreißen musste. Nun war der Chor offen und wurde zugemauert. Der Bürgermeister von Sarrebourg war mit dieser Lösung aber nicht zufrieden und fasste den ambitionierten Plan, niemand Geringeren als Marc Chagall mit dem Entwurf eines riesigen Glasfensters zu beauftragen. Dabei kam ihm zweierlei zu Gute: Ein Förderverein, der das Geld (auch für die technische Ausführung) einsammelte und sein Renommée als ehemaliger französischer Premierminister.
Das Fenster in Sarrebourg ist das größte Einzelfenster, das Chagall entworfen hat. Es heißt La Paix (der Frieden) und zeigt den Baum des Lebens umgeben von Szenen aus der Bibel. Da können jetzt die Kunstkenner alles mögliche hinein- und hinausinterpretieren – wir sind einfach nur überwältigt von der Pracht und den Farben des wundervollen Fensters.
Ganz unten findet man stilisiert die Stadt Sarrebourg, in deren Mitte eine Mutter mit Kind, über der der Baum des Lebens wie ein riesiger Blumenstrauß emporsteigt. Zentral Adam und Eva in einer wie ich finde etwas anzüglichen Pose (Chagall war dreimal verheiratet, er hatte was übrig für die holde Weiblichkeit).
Marc Chagall
1887 wird MC im heutigen Weißrussland als 9. Kind einer orthodoxen jüdischen Arbeiterfamilie geboren.
1907 – 1910: Kunststudium in St. Petersburg
1911-1914: Aufenthalt in Paris
1915 – 1922: MC kehrt zurück nach Russland und heiratet seine große Liebe Bella. Er identifiziert sich mit den Idealen der russischen Revolution, bis er sie durch Lenins Säuberungsaktionen verraten sieht.
1923 – 1941: Chagall findet seine neue Heimat in Frankreich. Er ist ein bekannter und geschätzter Künstler.
1941 – 1947: Exil in den USA.
1948 -1985: Rückkehr nach Frankreich. Zahlreiche private und öffentliche Aufträge (Fenster, Wandteppiche, Gemälde, Bühnenbilder, Mosaike). Chagall stirbt 1985 im Alter vom 97 Jahren. Quasi in seiner Werkstatt.
Das war selbst für uns Kunstbanausen ein sehr beeindruckendes und auch ergreifendes Erlebnis.
Das nächste Erlebnis heißt: Einkaufen 🫐🫛🥦🧀🥬🍅🫒🫑🍪🍾. Eigentlich stehen nur ein paar wenige Dinge auf dem Zettel, aber ich bin dermaßen begeistert, dass Volker mich kaum aus dem Supermarkt, einem Grand frais, rauskriegt. Nach anderthalb Stunden habe ich mich am Angebot sattgesehen – halbwegs!
Herrlich, diese französischen Einkaufstempel.
Weiter geht es nun wirklich in die Berge. Der Wald zeigt sein schönstes neues Mai-Blätterkleid, fifty shades of green, hatte ich in Neuseeland gesagt. Aber das Wetter ist nach wie vor scheußlich.
Das merken wir besonders bei unserem 2. Stopp in Dabo: Hoch oben auf 665 m thront auf einem Sandstein-Felsen die Gedächtniskapelle für den 1002 in Dabo geborenen späteren Papst Leo IX. Früher stand hier oben eine Burg, bis Ludwig XIV. sich mit den Herren von Dabo anlegte und sie schleifen ließ. Die heutige Kapelle datiert von 1892.
Hier oben bläst uns der Wind den leicht gefrosteten Sprühregen um die Ohren, das es nur so pfeift. Also flüchten wir uns erst einmal in die Kapelle (nachdem wir unten 2 Euro Eintritt bezahlt haben).
Trotzdem lassen wir es uns natürlich nicht nehmen, auch auf den Aussichtsturm zu steigen. Dafür ist er ja da! Und die Aussicht ist gar nicht mal so übel!
Weiter geht es dann über Serpentinen und Cols hoch und runter und durch typisch elsässische Ortschaften bis wir schließlich gegen 17:45 Uhr Gérardmer erreichen, einen Urlaubsort am größten natürlichen See der Vogesen.
Für den Campingplatz sind wir zu geizig, 7 Euro auf dem großen WoMo-Parkplatz sind genug. Wir wollen ja nur parken. Draußen sitzen ist eh nicht 🥶💦💧🌬️🌧️.
Nach 160 km haben wir uns den heutigen luxuriösen Anleger redlich verdient: Wir verdünnen den Likör mit Prosecco zu einem Kir mirabelle.
Volker macht danach einen Spaziergang zum See während ich mich mit den Errungenschaften aus dem Grand frais an die Zubereitung von Spinat-Schiffchen mit Blauschimmelkäse und Walnüssen mache. Mit selbst gemachtem Hefeteig und frischem Spinat. Aussehen tut es, wie halt alles aus der Omnia aussieht 😂, aber die inneren Werte zählen 😋. Absolut köstlich!