Château de Chambord

Dienstag, 4. Juni 2024: Wasser, Laternen und edle Pferde

Schon ein Hingucker, dieses Schloss!

Nachdem wir am gestrigen Abend ja schon einen fulminanten Einstieg in die Schlossbesichtigung hatten, geht es heute an die „Innereien“. Wir können uns nicht jedes Schloss anschauen (es gibt 400!) und erst recht nicht von außen und innen, also wird selektiert. Chambord haben wir uns für die Innenbesichtigung ausgesucht, nicht zuletzt wegen einer architektonischen Besonderheit, der doppelläufigen Wendeltreppe, die niemand Geringerem als Leonardo da Vinci zugeschrieben wird.

Ein wenig zur Geschichte des Schlosses:
Chambord ist das größte Schloss des Loiretales: Es hat 400 Zimmer und über 440 Kamine! Gebaut wurde es im Auftrag von König Franz I. in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Nicht als ständige Residenz – die hatte er gerade erst von Blois zurück nach Paris verlegt – sondern als symbolträchtiges Prunk- und Jagdschloss (seht, was ich kann!). Zumindest das mit dem Prunk ist ihm gelungen! Warum er es allerdings in diese sumpfige Ecke gebaut hat, weiß wohl nur er selber.
Die hochtrabenden Pläne Franz I. (er wollte Kaiser Karl V. die Krone abluchsen und die Herrschaft über das Heilige Römische Reich  erlangen) gingen nicht auf. Und auch das Schloss, das steinerne Sinnbild französischer (Vor)macht, blieb ein überdimensioniertes Jagdschloss und taugte nur zum Angeben. König Franz selbst verbrachte in Chambord nur wenige Wochen. Man munkelt, die umliegenden Sümpfe haben gestunken und Myriaden von Stechmücken taten ihr Übriges. Außerdem hatte das Schloss nur Steinböden und offene Kamine, die meisten Räume waren unmöbliert und alles war vermutlich nicht besonders kuschelig.
Im 17. Jahrhundert nutzte der Sonnenkönig Ludwig XIV. Chambord gelegentlich für opulente Jagden, Feste und Theateraufführungen. Dafür wurde dann Personal und Mobiliar aus den königlichen Möbeldepots herangeschafft.
Im 18. Jahrhundert wollte man den riesigen Kasten scheinbar loswerden: Man schenkte es erst dem exilierten polnischen Königs Stanislaus I. Leszczyński (dem sind wir in Nancy begegnet), danach dem französischen Marschall Moritz von Sachsen. Letzterer ließ die umliegenden Sümpfe trockenlegen, Holztäfelungen und Parkett einbauen, schaffte Möbel herbei und ließ vier riesige Kachelöfen aufstellen.
Zur Zeit der Französischen Revolution wurde das Schloss geplündert und das wenige verbliebene Inventar geraubt. Eine Zeitlang drohte Chambord sogar der Abbruch. Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 diente es als Lazarett und wurde von hessischen Truppen gestürmt. Während des Zweiten Weltkrieges diente das Schloss als Depot für ausgelagerte Objekte des Louvre.

Wenn man den Hauptbau betritt, fällt einem als erstes die schon erwähnte zentrale Wendeltreppe auf. Die Idee zu ihrem Bau wird Leonardo da Vinci zugeschrieben – wäre gut möglich, denn er weilte zu er Zeit im Loiretal, in Amboise, wo er 1519 starb.

Die Treppe besteht aus zwei gegenläufig ineinander verwundenen Wendeltreppen um einen zentralen Kern – als Biologin kommt mir natürlich sofort die DNA-Doppelhelix in den Sinn, die hat aber keine Mittelachse. Man betritt die Treppenhäuser von gegenüber liegenden Seiten und sieht sich bestenfalls durch die Öffnungen, wenn man sie gleichzeitig passiert.

Um diesen „Dreh- und Angelpunkt“ des Schlosses gruppieren sich wie ein Kreuz große Salons, in den Ecken und in den Türmen findet sich jeweils ein „Apartement“ mit Vorzimmer, Zimmer, Garderobe und weiteren Nebenräumen. Macht 8 „Wohnungen“ je Etage.

Die Schlafzimmer waren oft nicht separat.
Theater
Herrliche Stuckdecken in der 2. Etage. Sie zeigen nur 2 Motive: den Feuersalamander, das Wappentier Franz des I. und ein verschlungen dekoriertes „F“.
Die Kapelle im 1. Stockwerk reicht über 2 Etagen
Blick von der 1. Etage

Schließlich erreichen wir im 3. Stock den Umgang um die Dachzier des Schlosses, zahllose Türmchen, Fialen, Laternen* und kunstvolle Schornsteine – bewusst nicht symmetrisch angeordnet.
* Kuppel- oder Turmaufsatz, die Seiten sind meist durchfenstert, wie bei einer Laterne.

Natürlich hat man von hier einen fantastischen Blick auf den Renaissance“garten“, der hier allerdings sowas wie eine „Grasmalerei“ ist – Blumen sucht man vergeblich.

Wir beenden damit die Schlossbesichtigung und sehen zu, dass wir rechtzeitig zum Einlass bei der Pferde- und Greifvogeldarbietung ankommen und einen guten Platz ergattern. Dass das eine gute Entscheidung ist, merken wir spätestens, als nach uns ca. 150 Schulkinder die Tribüne in Beschlag nehmen. Wir bleiben ungerührt zwischen ihnen sitzen 😅.

Die Darbietungen sind großartig! Alles dabei, was das (Ritter)Herz begehrt: Große Fahnen, Lanzenreiter, Schwertkämpfe, eine Quadrille, Hohe Schule und Akrobatik, tolle Kostüme, frei fliegende Greifvögel und natürlich herrliche – spanische – Pferde.

Auch die Komik kommt nicht zu kurz: Besoffene Wachen und genervte Köche, weil der neue König ein Freund der italienischen Küche ist.

Spektakulär: Der Geier macht sich über den im Krieg gefallenen Soldaten her
Großartige Szene: Die „Dementoren“ verlassen mit dem Geier schreitend die Arena

Für mich war die Dressurdabietung einer der Höhepunkte! Lektionen der Hohen Schule (Traversalen, Passage, Piaffe), eine exakt ausgeführte Choreografie, dazu schöne Kostüme – wunderbar!

Er ist mein absoluter Liebling – ein Charmeur ersten Ranges und ein toller Reiter.
Er und sein Pferd sind ein perfektes Team!

Ein bissel Chichi (spanische Tritte, Verbeugen) gehört natürlich bei einer solchen Show auch dazu!

Zum Schluss gibt es nochmal richtig Action mit haarsträubender, tempogeladener Akrobatik am Pferd.

Volker gelingt zum Schluss noch DAS Foto des Weißkopfseeadlers:

Zum Thema Falknerei: Ich bin immer restlos fasziniert, von diesen Greifvogelshows! Danach tun mir die Vögel leid, wenn sie in ihren Volieren sitzen. Auch wenn die meisten in Gefangenschaft geboren sind. Aber dann denk ich mir: Sie könnten ja wegfliegen! Doch sie kommen zurück. Inwieweit das ein Zeichen von freiem Willen ist oder ein Beweis, dass ihnen ihr Leben gefällt, kann ich nicht beurteilen.

Zum Abschluss des tollen (und mal wieder vollen) Tages umrunden wir mit dem Fahrrad noch einmal das aus jeder Perspektive fotogene Schloss.

Ein Schriftsteller (Flaubert?) soll einmal sinngemäß gesagt haben, Chambord sehe aus, wie eine schöne Frau mit zerstrubbelten Haaren. Passt 😂

Wir verlassen gegen 17 Uhr Chambord und fahren zu Schloss Numero 4: Chenonceau, dem Château des Dames. Dort angekommen gönnen wir uns mal ein Gläschen unseres Chablis. Oder auch zwei.

Von Chambord (G) nach Chenonceaux (H), 79 km

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