Eiszeit

Abstecher zum Briksdalgletscher

Da wir ja vor ein paar Tagen mal wieder die Route geändert haben, müssen wir Nachsitzen: Der größte Gletscher Kontinentaleuropas, der Jostedalbre*, ist hier gleich um die Ecke. Wir sind in den letzten Tagen einmal weiträumig drumrumgefahren. Er bedeckt ca. 800 km2, 60 km lang, bis zu 15 km in der Breite. Das wäre also von uns Zuhause bis zu Fenja in Bensheim und noch bissel weiter und in der Breite von der A5 bis an den Rhein alles unter Eis.
* Die Endung -en bedeutet „der“. Also dal = Tal, dalen = der Tal. Bre = Gletscher, breen = der Gletscher. Käse = ost, der Käse = osten. Hoch lebe die norwegische Grammatik

Um da hin zu kommen fahren wir erst mal von Geiranger aus eine gute Stunde mit der Autofähre nach Hellesylt. Diese Fähre ist gleichzeitig sehr beliebt als Sightseeing-Schiff, so nimmt man es von den Lebendigen und wir berappen stolze 1.745 NOK, das sind um die 150 Öcken. Das meiste davon kostet diesmal der HoGo. Die Fährverbindungen sind sonst zum Glück recht preiswert.

Für das viele Geld kriegen wir aber schöne Erklärungen und werden auf alles Sehenswerte hingewiesen. Da wäre zunächst der Sieben Schwestern Wasserfall. Ob es nun einer mit 7 Rinnen ist oder 7 einzelne, darüber mag man streiten. Die Schwestern lassen wie weiland Rapunzel ihr Haar herab. Gegenüber rauscht der „Freier“ bergab, der jeder der Schwestern den Hof gemacht hat, aber abgewiesen wurde.

Ein tolles Schauspiel liefert auch diese Möve, die sich wohl etwas Fressbares erhofft. Ohne einen einzigen Flügelschlag schwebt sie minutenlang über dem Boot und lauert.

Interessant sind auch ein paar verlassene Bauernhöfe, zum Teil mitten in den steilen Hängen. Manche konnte man nur über Leitern erreichen, kam der Steuereintreiber, zogen die Bewohner die Leitern weg und er hatte das Nachsehen. Die kleinen Kinder wurden an Stricken angebunden, damit sie nicht beim Spielen über die Klippe gingen.

Ausgangs des Geirangerfjords weist uns die Stimme aus dem Off in 5 Sprachen auf ein weiteres Gehöft hin, die Essensbucht:

Auf diesem winzigen, fruchtbaren Areal standen bis zu 200 Obstbäume, Äpfel, Birnen, Pflaumen, sogar Aprikosen. Und bis zu 100 Ziegen! Man musste alles mühsam an Land rudern und auch Wasser konnte knapp werden. Das Gehöft war noch bis 1962 bewohnt!

In Hellesylt verlassen wir die Fähre und fahren über Grodas, Stryn und Olden ins schöne Tal der Oldevatnet-Seen. Gradeaus ist anders 😂. Das ist alles sehr unübersichtlich hier! Aber very scenic!

Erinnert uns an das Valley of Ten Peaks in Kanada 😍
Steintrolle findet man überall
Da hinten isser irgendwo, der Gletscher!

Wir entscheiden uns für den preiswertesten der drei Stellplätze und stehen da richtig nett, sehr schräg und mutterseelenallein. Volker entrichtet am Automat 75 NOK parkierung-steuer 😂, stellt dann fest, es kostet über Nacht 180. Ehrlich wie wir sind, möchten wir im Souvenir-Shop nachbezahlen, aber die junge Frau meint hinter vorgehaltener Hand, da würde erst ab Juli jemand kontrollieren. So gesehen hätten wir uns die 75 NOK auch sparen können.

Nur mal so nebenbei: Der Troll erinnert mich an jemanden, aber ich komm nicht drauf. Sven Hieronymus von den Bummtschaks?! Bin für Hinweise dankbar!

Weil wir so schön früh ankommen (14.30 Uhr), beschließen wir, die Wanderung zum Briksdalsbreen sofort zu machen. Wanderschuhe an, bissel Proviant und Wasser eingepackt und los geht es. Es ist eine wirklich leichte Wanderung, bergauf halt wie immer, aber auf klaren Wegen ohne Steine und Sherpatreppen! Und wieder mal sauschön!

Sicherlich ein highlight auf dem Weg ist der Kleivafossen, der zudem für eine angenehme Abkühlung sorgt.

Das ganze Wasser ist zum Großteil Schmelzwasser aus dem Gletscher. Unvorstellbar, welche Mengen an Eis da schmelzen und es ist immer noch was übrig!

LIeblingsbild 💗

Auch wenn wir den Gletscher – noch – nicht sehen, ist unverkennbar, dass er die Landschaft hier geprägt hat. Die Felsen sind glattgeschliffen und wir kommen sogar an einem Pothole vorbei, dass der Gletscher + Gletscherwasser + große Steine ausgefräst hat. Jettegryte nennen es die Norweger, Troll- oder Riesengrotte.

Der Gletscher war früher größer, am weitesten reichte er um 1760 während der „Kleinen Eiszeit“, einer Kälteperiode von Ende des 16. bis Ende 18. Jahrhundert. Die Gletscherzunge reichte ungefähr 2 Kilometer weiter ins Tal. Das Geröll, dass der Gletscher vor sich herschob, blieb beim Zurückweichen als Endmoräne liegen. „Das Spielzimmer der Trollkinder“ meint Volker. Bemooste Steine als Kuscheltiere?

Und dann sehen wir ihn endlich, den Briksdalsbreen, einen der vielen Auslassgletscher des großen Jostedalsbreen, man kann auch Gletscherzunge dazu sagen.

Die Perspektive ist verkürzt! Die Gletscherzunge ist noch mindestens 800 m weg und viel höher. Aber es sieht so aus, als würde der Gletscher direkt in den Bach übergehen.

Das letzte Stück Weg ist eben, ein schönes Moor mit Moos, Blaubeerbüschen und kleinen Birken säumt den Pfad. Schließlich erreichen wir den Gletschersee mit seinem grünlich-trüben Wasser, der Gletschermilch-

Etwa auf halber Höhe liegt das Gletschertor, aus dem das Schmelzwasser fließt. Noch 2007 reichte der Gletscher bis an das Ufer des Sees.

Zum Schluss: Klugscheißerkasten Gletscher
Ein Gletscher ist definiert als eine aus Schnee gebildete Eismasse, die sich bewegt oder zumindest einmal bewegt hat. Also ist nicht jedes Eisfeld ein Gletscher. Bewegt es sich nicht, nennt man es Toteis.
Ein Gletscher rutscht aber auch nicht einfach den Berg runter. Sein Eis ist nicht wie Eis aus dem Gefrierfach des Kühlschranks! Unter dem hohem Druck seines eigenen Gewichts (ab ca. 15 m Dicke) wird es viel dichter und verhält sich wie eine sehr, sehr zähe Flüssigkeit, es wird plastisch verformbar und fließt.
Wie beim Schlittschuhlaufen kann es sein, dass an manchen Stellen, vor allem an der Gletschersohle, der Druck so hoch wird, das das Eis schmilzt und auf dem Schmelzwasser gleitet der Gletscher dann besser. Das tritt aber nur bei „warmen“ Gletschern auf, nicht bei polaren.
Gletschereis schimmert blau, weil es alle Wellenlängen des Licht außer den kurzen, blauen absorbiert. Das blaue Licht wird reflektiert.
Das Eis führt viel Geröll in allen Größen mit sich, das meiste ist unten festgefroren und so wirkt die Unterseite eines Gletschers wie Schmirgelpapier.

Von Geiranger (F) mit der Autofähre nach Hellesylt (G) und weiter über 60 und 15 nach Stryn (H) und schließlich bis zum Briksdalbre, 92 km in 4,5 Stunden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert