Montag, 24. Juli 2023: Einmal ummen Fjord rum und dann rechts
Just for the record: Kurzer Versorgungsstopp in Lakselv: Vinmonopolet und REMA.
Ab jetzt gibt es Aperol-O zum Anleger, Campari ist aus.
Um unser eigentliches Ziel, die Varanger-Halbinsel im Osten zu erreichen, müssen wir erst um den Porsangerfjord rum – und der ist mit seinen 123 km Länge immerhin der viertgrößte in Norwegen!
Eigentlich wollten wir heute richtig Strecke machen. Aber dann kam dieses Schild:
Eine knapp 3 km lange geologische Wanderung auf dem Kyststien – dem Küstenpfad, mit Hinweistafeln: Das ist unser Ding! Also rein in die Regenklamotte und ab in die Pampa.
Der Rundweg beginnt „obenrum“ und führt anfangs durchs Moor. Das typisch norwegische Regenmoor mit Moorbirken und vielen Kleinsträuchern. Ganz viele Blaubeeren am Wegesrand, da kann ich nicht widerstehen. Morgen gibt es Müsli mit regionalen Beeren! Moltebeeren gibt es auch und ein paar leicht berauschende Krähenbeeren schaden auch nicht.
Handeln wir also die Botanik mal am Anfang ab:
dito Nahaufnahme
Glockenblume/Sumpf-Storchschnabel/Blasen-Leimkraut ssp maritima
Lustig ist, dass wir den Storchschnabel überholt haben – oder er uns, wie man es nimmt: 2 Monate lang sind wir nach Norden der Vegetationsperiode des Gesellen hinterher gefahren: WO wir auch waren, immer stand er in voller Blüte. Hier finden wir das erste mal verblühte Bestände.
Und der Star des Tages: Sonnentau! Leider kam man nicht näher dran ohne sich furchtbar nasse Füße zuholen.
Auf dem Küstenpfad geht es aber nicht um Pflanzen, sondern um Steine. Jede Station erklärt ein anderes Phänomen oder Detail. Hier zum Beispiel alte Strandabschnitte aus der Zeit, wo das Land noch tiefer lag. Kies und Geröll auf dem recht steil abfallenden Gelände wurde durch große Wellen bei starkem Wind zu Wällen aufgehäuft. Die Zonen kann man heute noch gut erkennen.
Steinblöcke aus anderem Gestein (Kalk, Dolomit, Konglomerat, Tillit) wurden während der Eiszeit von Gletschern hier antransportiert: Sie waren im Gletscher oder an senem Boden festgefroren und fielen heraus, als das Eis schmolz.
Das Gestein der Region ist der uns ja schon bekannte Schiefer. Er verwittert stark durch Frostsprengung – die Gegend gleicht einem Trümmerfeld!
Und ein Rentier 🙂
Am Ufer begegnen wir versteinertem Meeresboden, hier sieht man die Rippel, die die Wellen hervorgerufen haben. Sie wurden unter Druck verfestigt, als Sedimente darauf abgelagert wurden. Die haben die Gletscher wieder abgetragen und freigelegt: 500 Mio. Jahre alter Meeresboden! Auch andere Formen, die das Wasser im Sand hinterlassen hat (Wirbel, Strömungsmuster) wurden konserviert.
Und was hier aussieht wie Fossilien, ist „Fake“: Die Grundmasse ist 500 Mio. Jahre alter getrockneter rissiger Lehm. In den Rissen lagerte sich Sand und Schluff ab, dann lagerte sich wieder neue Schichten darauf ab und unter dem Druck verfestigte sich das Ganze. Die Eiszeit hat die Schichten wieder freigelegt.
Manch andere Formen sind einfach nur schön und wir schauen fasziniert, was die Natur als Baumeister zustande bringt:
Für das letzte Motiv des Spaziergangs muss man nicht soooo genau hinschauen, obwohl sich die kleine Rasthütte sehr gut in die Umgebung einpasst.
Mit vielen Eindrücken (und einem kleinen Tütchen Beeren) geht es zwei Stunden später dann weiter.
Aber schon wenige Kilomter später stoppen wir erneut und spazieren/wandern/kraxeln (von allem etwas) zum Silfur Canyon, wo sich das Flüsschen Børselva einen Weg durch den Kalkstein gefräst hat.
Ich sach mal: Wer die Ardèche kennt, verfällt hier nicht in Begeisterungsschreie. Aber schee isses scho! Vor allem das funkelnd grüne, kristallklare Wasser ist ein echter Hingucker! Was e Färbsche!
Wir gehen auf einem schmalen Trampelpfad an der Kante entlang zu ein paar Aussichtspunkten, aber irgendwann drehe ich um: der Blick ist ähnlich und die Stechmücken hungrig. Mistviecher! Volker geht weiter bis zum Ende des recht übersichtlichen Durchbruchstals und fotografiert in Flussrichtung und dann noch mal alles auf einmal.
Die Straße 98 ist über weite Strecken eine mittlere Katastrophe: Wellig, bucklig, in der Mitte aufgewölbt, am Rand brüchig und reichlich Frostschäden – der Hogo schaukelt gewaltig und in den Schränken hüpft das Geschirr. Zudem geht es über die karge „Hoch“ebene (177 m.o.h.) – da wächst mal wieder nichts, bis es wieder runter geht. Verkehr ist kaum in dieser verlassenen Gegend.
Wir halten dann noch kurz am Adamsfjordfossen und werfen von der Brücke über den für uns namenlosen Fluss einen Blick auf den dortigen Wasserfall. Wie über eine Fischtreppe geht es in Kaskaden und Kurven gut 30 Meter runter in den Fjord.
Wir halten noch ein Schwätzchen mit einem markigen Finnen, der mit Frau, Kindern und einem stattlichen Wohnwagen-Gespann unterwegs ist. Wir holen uns ein paar Tipps für das Überleben in Nord-Finnland ab (Geschäfte, Alkohol, Internet 😂) und fahren dann ein Stückchen weiter. Den Blick immer auf die Balken des Mobilfunkempfangs 📶 gerichtet, suchen wir uns ein Übernachtungsplätzchen am Rand der Straße. Hier ist echt nix los, total einsam, kein Problem etwas zu finden. Es wäre schwieriger, die vorgeschriebenen 150 Meter Abstand zu einem bewohnten Haus NICHT einzuhalten.