Hamoir an der Ourthe

Freitag, 18. Juli bis Montag, 21. Juli: GC40, die Ourthe und Abhängen

Unser erster (Um-)Weg* nach Hamoir führt uns zum Dorf Chassepierre, das als eines der schönsten Dörfer Belgiens gilt, weshalb wir ihm einen Besuch abstatten.
*Umweg wegen des GC40.

Um es vorweg zu nehmen: Mit den Plus beaux villages de France kann es Chassepierre nicht aufnehmen, eigentlich finden wir garnix daran besonders hübsch. Es ist überwiegend alt und recht schäbig, das war’s auch schon. Im Spätsommer findet alljährlich ein großes Streetart-Festival hier statt, aber davon haben wir weiters nichts bemerkt, scheinbar räumen sie danach alles weg und übertünchen die Fassaden.

Den hübschesten Anblick bietet Chassepierre von unserem Parkplatz aus. Man erkennt die Kirche und die Alt Mühle, wo wir gleich hinkommen.

Aber eine Sehenswürdigkeit gibt es doch, nämlich die Keller in den Kalkfelsen unterhalb der Kirche bei der Vierge Moulin, der Alten Mühle.

Hinter der alten Mauer unterhalb der Kirche geht es in die Unterwelt …
… und bei der Alten Mühle kommt man wieder raus

„Chassepierre“ kommt vom lateinischen Casa petri – Steinhaus. Nichts Außergewöhnliches, denn Holzhäuser gibt es hier nicht. Allerdings ist der hiesige Kalkstein schon eine lokale Besonderheit.

Wir machen uns dann auf zum Höhepunkt des Tages, dem GC40 vom 7.7.2000. Von den 5 noch aktiven europäischen Caches aus dem Jahr 2000 ist er der älteste Belgiens und des europäischen Festlands, es gibt nur noch einen etwas älteren in Irland, den GC43 (trotz höherer GC-Numer älter, gelegt am 3.6.2000).

Und zudem liegt er nicht einfach nur so im Wald rum, sondern am Konfluenzpunkt N50° x E5°.

Von Chiny (A) über Chassepierre (B) und GC40 (C) nach Hamoir (D), 137 km

Nach diesem besonderen Fund im Leben eines Geocachers schuckeln wir gemütlich nach Hamoir und beziehen Quartier auf dem Camping Car Park. Das ist nun das Kontrastprogramm zum Le Canada: Ordentliches System-Camping. Aber aus der Nähe betrachtet ist unser Platz ganz lauschig, unter einer schönen alten Buche nahe beim Ufer der Ourthe.

Samstag, 19. Juli 2025: Fahrradtour über den RAVe l 5 nach Esneux

Hamoir ist ein Städtchen ohne große Sehenswürdigkeiten, doch in einer schönen Lage an der Ourthe, dem größten Nebenfluss der Maas (165 km, mündet bei Lüttich). Das Tal der Ourthe ist sicherlich auch mehr wert als nur einen kurzen Aufenthalt, denn hier liegen viele Burgen, Schlösser und hübsche Städtchen, wie z.B. Durbuy, die – angeblich – kleinste Stadt der Welt. Außerdem gibt es einige Tropfsteinhöhlen, die man besichtigen kann, am bekanntesten die Grottes de Han (gegen eine stolze Gebühr von 29 Euro pro Nase 😤). Diese Orte passieren wir auch auf unserer Fahrt, aber an einem Freitag in den Sommerferien kommen wir hier weder mit unserem Zeitplan noch mit unserem HoGo unter. Es ist eng im Tal der Ourthe.

Der geplante Kanal Maas-Mosel über den Wasserlauf der Ourthe (bis hinter la Roche)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstand ein ehrgeiziges Projekt, der Maas-Mosel-Kanal oder Canal de l’Ourthe. Beginnend in Lüttich sollten 205 Schleusen und ein 2 km langer Schiffstunnel auf einer Länge von fast 400 km eine Verbindung zum Rhein herstellen.

Doch die belgische und später die luxemburgische Unabhängigkeit (von den Niederlanden) führte zu Verzögerungen. Als in den 1860er Jahren eine Eisenbahnlinie gebaut wurde, war das Kanalprojekt „gestorben“, bevor es richtig angefangen hatte. Es wurde aber ein Seitenkanal im Unterlauf der Ourthe ausgebaut, der den lokalen Handel auf dem Wasserweg ermöglichte. Immerhin konnten die knapp 20 Meter langen und 2 Meter breiten „bètchètes“ (Bötchen???) bis zu 12 Tonnen Fracht befördern. Teilweise war dieser Kanal mit seinen 17 Schleusen bis 1948 in Betrieb.

Wer mit Kuh reist, hat Pech gehabt

Die Boote mussten getreidelt werden und diesem Umstand verdanken wir hier den schönen RAVe l (Réseau Autonome de Voies Lentes, also Wege für langsamen Verkehr), der fast immer direkt entlang des Ufers führt, mal rechts, mal links der Ourthe.

Besonders eindrucksvoll ist das Tal dort, wo die schroffen Kalksteinfelsen dicht heranreichen: Die Faltung der Erdkruste hat sie senkrecht aufgestellt.

Als sich vor ca. 400 bis 300 Millionen Jahren die Urkontinente Gondwana und Laurussia zu Pangäa vereinigten, gab es zwar keinen gewaltigen Rumms, aber immensen Druck der Kontinentalplatten, die sich in- und untereinander verkeilten, was zur Auffaltung riesiger Hochgebirge führte. Man nennt das variszische Orogenese. Orogenese bedeutet Gebirgsbildung. Den Begriff variszisch hat 1888 der österreichische Geologe Eduard Suess geprägt, der sich mit der Gebirgsbildung in Europa befasste und der Meinung war, im Fichtelgebirge könne man den alten Gebirgskern besonders gut erkennen. Er benannt ihn nach den germanischen Ureinwohnern des Fichtelgebirges, den Varuskern.
So schnell (bzw. langsam) dieses Hochgebirge entstand, so schnell (bzw. langsam) wurde es durch Erosion auch schon wieder abgetragen. Beides dauerte 50 – 150 Millionen Jahre.

Ein geologischer Lehrpfad begleitet den Radweg und wir erfahren, was wir eigentlich schon wissen: Dass hier ein Meer war und auf dem devonischen Urgestein (Gneis) Ton, Sand und tote Schalentiere ablagerte. Unter dem Druck aufliegender Schichten wurde aus dem Ton Schiefer, der Sand verfestigte sich zu Sandstein und aus den Schalen wurde Kalkstein. Das lag plan und horizontal übereinander, bis die Auffaltung der Orogenese kam. Die Erosion legte dann die hochgehobenen, älteren Schichten wieder frei. So kann das dann aussehen:

In Chanxhe treffen wir auf die Überbleibsel der Schleuse Nummer 16 des Ourthkanals. Die hatte einen beachtlichen Hub von ca. 4 Meter.

Eine weitere kleine Sehenswürdigkeit ist das Trou Bleu, auf das uns ein Earthcache aufmerksam macht. Der türkisgrüne Tümpel ist der Wasseraustritt des unterirdischen Flusses einer Karsthöhle, der Nou bleu-Höhle. Arbeiter des nebenan befindlichen Steinbruchs (Heidelberg Zement!) hatten sie zufällig angebuddelt und einen großen Kalk-Tropfstein gefunden. Das rief die Speleologen auf den Plan, die schon seit Jahren einen Eingang zu dem Höhlensystem gesucht hatten. Die Forscher konnten sich mit dem Steinbruchbetreiber einigen, dass die Höhle vom Abbau verschont bleibt. Nun wird sie peu à peu erforscht.

Ein Mini-Blautopf. Die türkisblaue Farbe kommt von suspendierten Kalk-Nanopartikeln, die das Licht streuen

Esneux empfängt uns mit einem Dornröschenschloss! Oder ist es Klein-Neuschwanstein? Es ist das Chateau de Fy, das 1905 für einen reichen Privatier (Schwiegersohn des belgischen Chemikers Ernest Solvay [Soda, heute Großkonzern]) gebaut wurde. Es gehört heute einem betuchten Holländer und ist nicht öffentlich zugänglich. Angeblich ist Chateau Le Fy inspiriert von Neuschwanstein und war Vorbild für Disneys Dornröschenschloss.

Nach einem Bierchen machen wir uns auch schon wieder auf den Heimweg, denn es ist Regen angesagt. Apropos Regen: Die Ourthe neigt dazu bei zuviel Nässe ihr Bett zu verlassen. Am 13., 14. und 15. Juli 2021, den Tagen der Hochwasserkatastrophe an der Ahr, war auch hier Land unter. Die Verwüstungen waren nicht minder schrecklich, es gab viele Tote und Vermisste, Häuser wurden zerstört und Existenzen vernichtet.

Es traf auch viele Jugendgruppen, die am Ufer der Ourthe gezeltet haben. Wir kommen heute an zahlreichen Jugendlagern vorbei (scheinbar evakuiert der Belgier seinen Nachwuchs in den Ferien an die frische Luft) und viele davon haben ihre Zelte auf Pfähle gebaut. Vielleicht hat das was mit dem Hochwasser zu tun. Vielleicht ist es aber auch einfach nur abenteuerlich.

In der Kategorie animal of the day kann ich mich heute nicht entscheiden: Der hübsche Esel, das schottische Hochlandkalb oder doch der männchenmachende Bettelhund?

Am Abend schauen wir das EM-Viertelfinalspiel der deutschen Frauen gegen Frankreich. Nach einer knappen Viertelstunde fliegt eine deutsche Spielerin vom Platz, rote Karte, weil sie der Gegnerin am Zopf gezogen hat. Frauenfussball-Foul. Obendrauf gibt es Elfmeter und Frankreich geht 1:0 in Führung.

Ich unke, dass es das jetzt war, und falls nicht, dass wir Weltmeisterinnen werden

In einer beeindruckenden Abwehrschlacht mit Willen und Teamgeist schafft die Mannschaft den Ausgleich, übersteht die Verlängerung und gewinnt dank Torhüterin Ann-Kathrin Berger das Elfmeterschießen.

Ich behaupte, in der Form sind sie unbesiegbar!

Die Franzosen hingegen scheinen beleidigt: Reglomobile schaltet unser Hogospace ab und streicht uns das Datenvolumen 😳

Sonntag, 20. Juli 2025

Eigentlich gäbe es heute gar nichts zu berichten, denn es ist der Tag des dolce far niente. Jedoch macht der für den Nachmittag angesagte Regenschauer wirklich gut was her: Weltuntergangsstimmung mit sintflutartigem Regen und heftigen Sturmböen. Nach einer halben Stunde ist es vorbei und es besteht keine Gefahr, dass die Ourthe über die Ufer tritt. Da ist zurzeit so wenig Wasser drin, da kann sie einiges ab.

Zum Glück befindet sich die Markise in Lee. Dank Sturmband und Entwässerung nach einer Seite ist außer einer gewissen Dramatik nix weiter passiert und …

kurz drauf scheint die schönste Sonne.

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