Sonntag, 23. Juli 2023: Kirkeporten, Bamse und Trolle aus Stein
Wir bleiben keinen weiteren Tag am Nordkapp. Die Hoffnung auf eine wolkenlose Nacht ist uns zu vage und die Wetterberichte für das Nordkapp kann man allesamt in die Tonne kloppen. Wir möchten keine weiteren 24 Stunden hier im Dunst oder Nebel hocken, mit Betrieb wie auf dem Busbahnhof bis weit nach Mitternacht.
Wir machen hier und jetzt kehrt und sind damit irgendwie dann auf dem Heimweg!
Am Sonntag nach dem Frühstück schnappen wir uns den letzten übrig gebliebenen Geocache, den Stand 2020 vorgeblich nördlichsten Mystery Europas. Stimmt wieder nicht, auf Spitzbergen gibt es massenweise ältere. Wir hatten das Thema ja bereits. Seufz. Es ist eine Krux mit diesen nördlichsten Dingen!
Dann sagen wir dem schon wieder nebligen Nordkapp ade, und fahren um die Ecke nach Skarsvåg, dass sich ebenfalls eines nördlichsten Superlativs rühmt, nämlich dem des nördlichsten Bryggefests weltweit! Ob das stimmt oder nicht, ist uns herzlich schnuppe!
Wir unternehmen eine kleine Wanderung (2,5 km, 100 hm, manierlicher Pfad mit nur einer Klettereinlage) zur Kirkeporten, der Kirchentür. Das ist aber kein ABC (another bloody cathedral), sondern eine Felsformation.
Noch vor der eigentlichen Attraktion fallen uns die prägnant gefalteten Felsen auf. Irre sieht das aus, wie die Kräfte der Erde den Schiefer durchgewalkt haben!
Und hier ist sie, die Kirkeporten! Wirklich ein Hingucker! Und durch sie hindurch im Hintergrund sieht man das Nordkapp-Horn (dafür musste Volker ein wenig klettern)!
Fast noch interessanter ist es, wenn man genau hinschaut. Dann entdeckt man Spuren der Vergangenheit, nämlich Auswaschungen in den Schieferfelsen: Hier muss Wasser immer wieder durchgeflossen oder dagegengebrandet sein. Es wechseln sich in dem Sandstein grobe mit feineren Schichten ab, und die weniger kompakten wurden mit der Zeit ausgelöst und weggespült.. Wahrscheinlich hat die Pforte mit einem kleinen Loch angefangen, das wurde dann immer größer ausgespült wurde. Und das heißt dann wieder einmal, dass das Ganze früher tiefer lag, auf Meeresniveau.
Und manche Formation könnte man grad einrahmen und als Bild an die Wand hängen! Wunderschön!
Auf dem Rückweg lichten wir noch die Demoiselle coiffée ab – so nennt man diese Sandsteine mit „Hut“ in Frankreich. Der Fels links fiel früher bis zur Landspitze ab, aber um die „Dame“ herum wurde weiches Gestein weggewaschen, sie blieb übrig. Nur die Harten kommen in den Garten!
Auf dem Rückweg kann ich wieder nicht an mich halten, und mache mich über die Botanik her. Endlich gibt es wieder welche!
Wir machen dann noch einen kurzen Anstecher nach Honningsvåg, dem Verwaltungszentrum der Kommune Nordkapp. Honningsvåg hat Hammerfest den Titel „nördlichste Stadt Norwegens“ abgeluchst, indem es sich kurzerhand zur Stadt befördert hat – ein neues Gesetz machte das ab 1993 möglich. Vermutlich gab es eine ganze Flut neuer Mini-Städte, so dass man das 1997 auf Orte mit mindestens 5.000 Einwohnern begrenzte. Aber da war es schon passiert, denn der Stadtstatus musste nicht wieder abgegeben werden.
Wegen alle dem sind wir aber nicht gekommen, sondern wegen ihm hier:
Das ist (oder besser: war) Bamse, Schiffshund und Träger des norwegischen Hundeordens. Kein Scheiß, den gibt es wirklich! Ein netter Wikipedia-Artikel beschreibt Bamses Leben und Wirken als Schiffshund – lesenswert! Leider wurde Bamse nur 7 Jahre alt, Bernhardiner, wie fast alle großen Hunde, sind nicht sehr haltbar.
Wir sind schnell wieder weg und schrubben erst mal ein paar Kilometer – heute fahre ich durch den tiefen Tunnel, über die anstrengende schmale Straße und zurück zur E6. Immer entlang des großen Porsanger-Fjords. Bei Sonnenschein sieht er gleich viel hübscher aus als auf der Hinfahrt 😎.
Ziemlich weit unten am Fjord leuchten weiße Berge zu uns herüber – das ist aber kein Schnee, sondern Kalkstein, genaugenommen Dolomit, also Kalzium-Magnesium-Kalkstein. Klasse sieht das aus!
Genau da zieht es uns hin! Über eine rumpelige Straße fahren wir zu den Trollen von Trollholmsund. Eine kleine Wanderung – diesmal mehr ein Spaziergang bringt uns zu den Trollfelsen.
In jedem Felsen kann man eine Figur erkennen, wenn auch nicht unbedingt einen Troll: Eine Katze, einen Seehund, ein Bärchen … Sie sind wirklich schön und wir können gut nach vollziehen, dass dies für die Samen ein mystischer Ort ist oder war und die Legende die Felsen für versteinerte Trolle hält.
Die Trolle sind ganz schon bröselig, man könnte mit einem Finger die Dolomit-Bröckchen aus ihnen herauspulen. Wir laufen auch auf Millionen solcher Trümmerstückchen der brüchigen Dolomitfelsen. Sie sind auch sehr porös, wie ich beim Beschriften des Steins für unsere Sammlung feststelle: Die Acrylfarbe verläuft ins Unleserliche.
Also schnell nochmal knipsen, bevor sie zu Grus zerfallen sind!
Zum Schluss auch hier noch ein wenig Botanik:
Ein paar Kilometer weiter beziehen wir Quartier auf einem kleinen Campingplatz in Stabbursdalen. Außer uns sind hier gefühlt nur Angler. Ganz viele haben sich hier häuslich eingerichtet, mit Hütten und aufgebockten Wohnwagen, die anderen mieten Hytter oder kommen mit dem Caravan oder Wohnmobil. Hier ist am Auto nicht eine, sondern gleich vier Angeln befestigt! Und das Nachbarort heißt bezeichnenderweise Lakselv – Lachsfluss 🐟🐡🐠🐟🎣.