Donnerstag, 4. Juli bis Samstag, 6. Juli: Mont Saint Michel
Prolog: Auf speziellen Wunsch der Reiseleitung geben wir jetzt Gas:
Wie bereits in Norwegen, das Thema Gasnachschub wird in den einschlägigen Reiseblogs immer wieder überwertet. In Norwegen hatten wir unserer deutsche Gasflasche einfach wieder aufgefüllt. Und in Frankreich fahren wir zum nächst besten Supermarkt, wie z.B. Intermarche und kaufen uns einfach eine Gasfüllung 9 kg für 35 EUR plus 10 EUR Pfand – die sollten wir kurz vor der Ausreise aus Frankreich beim letzten Ietzten Intermarche vor der Grenze wieder abgeben. Der Anschluss an unser Truma DuoControl ist mit dem Euroset Größe D4 denkbar einfach. Bei ängeren Reisen nach Frankreich fahren wir einfach mit einer deutschen Gasflasche los und ergänzen in Frankreich um eine französische Pfandflasche. Ist letzte mal leer, schaltet unser DuoControl automatisch auf die deutsche Flasche um. Wir schließen sodann einen neue Pfandflasche aus Frankreich an und erklären diese zur Betriebsflasche. So einfach!
Nun zur Sache.
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Der Klosterberg Mont Saint Michel gehört neben Versailles und dem Eiffelturm zu den Top 3 Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Und es hagelt Warnungen wie „bloß nicht am Wochenende, bloß nicht in den französischen Ferien, am besten außerhalb der Stoßzeiten“. Die Campingplätze werden um so teurer, je näher man der Bucht kommt, da berappt man dann gerne mal 50+ Euro für die Nacht oder quetscht sich für die Hälfte auf einen gruseligen Parkplatz mit ohne alles.
Zum Glück entdeckt Volker in der Park4night-App eine Alternative: Die Ferme Saint Michel war früher mal ein Bauernhof, heute ist es ein Restaurant. Spezialität ist Salzwiesenlamm – agneau pré-salé, das hier „wächst“: Schafherden weiden auf den salzigen Polderwiesen der Bucht.
Die für uns noch interessantere Spezialität der ferme ist der Wohnmobilstellplatz, der mal grad gar nix kostet, wenn man hier einen Tisch reserviert. Und mehr noch: Man kann auch ein Package buchen mit Parken, Menü, Lunchpaket, Eintritt zur Abtei und Audioguide, das zwar mit 85 Euro pro Nase nicht gerade billig ist, in Anbetracht der geschilderten Gesamtumstände aber allemale seinen Preis wert.
Die Buchung gestaltet sich zwar recht abenteuerlich – aber am End ist es dann doch ganz einfach, man muss nur genügend eMails hin und her schreiben. Auch wenn sich der Name dabei von Mr. Mustin über Mr. Volker zu Mr. Walker wandelt: Wir bekommen einen Code für die Schranke zum Restaurantparkplatz, ein Tisch ist für uns reserviert, zwei Lunchpakete für den nächsten Tag, alles kein Problem! Sehr freundliche Mitarbeiter und ein tolles Ambiente – auch der Stellplatz ist richtig nett, mit Wiese und Picknicktischen, fein abgeschottet von den riesigen Besucherparkplätzen nebenan. Eine kleine Oase der Ruhe inmitten des Touristenrummels. Hier gibt es keine „Laufkundschaft“: Den Zugangscode für die Schranke zum Privat-Parkplatz bekommt nur, wer hier vorab reserviert hat.
Da stehen wir dann ganz luftig und gemütlich und feiern das gleich mal mit einem Crémant de Bourgogne aus unseren reichhaltigen Vorräten.
Am Abend gibt es dann im Restaurant das legendäre Salzwiesenlamm. Butterzart und sehr schmackhaft – mit „normannischem Ratatouille“, wie ich es nenne: Kartoffel, Karotte, Sellerie und Pilze.
Das Dessert ist wie so oft eine besondere Augenweide und bedarf eines kompletten Sortiments an Tafelbesteck: Windbeutel mit Salzkaramell-Eis und Sahne 😋.
Auch das Ambiente des Restaurants ist wunderschön, besonders auffällig sind die ausgestellten Bilder eines Künstlers , der mit FF oder TF signiert. Musik und Pferde sind sein Thema und besonders gut gefällt uns der virtuose 🎹Pianoman. Was da oben raussteht ist nicht seine Nase, sondern das Ohr, er legt nämlich den Kopf schief 😅.
Rechtzeitig zur goldenen Stunde radeln wir vor zum Staudamm, der als eine Art Besucherterrasse ausgelegt: Die Menschen sitzen auf Holzstufen, trinken Wein, bewundern die Aussicht und das schöne Abendrot.
Dann geht es zurück „nach Hause“, alwo sich inzwischen eine gemütliche kleine Wagenburg gebildet hat.
Am Freitag Vormittag geht es auf zur großen Besichtigung. Ausgerüstet mit einer großen Tüte voller geheimnisvoller Schachteln mit Futteralien und einer Handy-App geht es los. Rund um unser Refugium herrscht reger Betrieb, vor den Shuttlebussen ist eine derart lange Schlange, dass wir lieber zu Fuß gehen und noch kurz im Besucherzentrum vorbeischauen.
Ein großes Thema ist die Verlandung der Bucht. Früher war der Mont St. Michel eine Insel, nur bei Ebbe bestand eine schmale Landverbindung. Durch die Trockenlegung der Polder und den Bau eines festen Damms (1877) hat sich in der flachen Bucht immer mehr Schlamm und Schlick abgelagert. Nach intensiven Studien baute man deshalb 2009 am kanalisierten Fluss Couesnon ein Stauwehr zur Entsandung der Bucht.
Wie das geht? Eigentlich ganz einfach: Man lässt bei Flut das Wasser durchlaufen, schließt die Schotten beim höchsten Wasserstand und hat nun ein Reservoir im Kanal. Ist seeseitig der Wasserstand gesunken, öffnet man das Stauwehr und spült die Sandmassen mit Schmackes zurück ins Meer. Binnen weniger Jahre hat man so 80% des abgelagerten Sands wieder zurück geschwemmt. Außerdem ersetzte man den alten Fahrdamm durch eine Stelzenbrücke, unter der das Wasser nun fast frei hindurchfließen kann. An manchen Tagen mit besonders hoher Tide wird der Mont Saint Michel heute wieder zur Insel. Hier ein schönes Video dazu.
Eigentlich kann ich mir danach alle eigenen Außenaufnahmen sparen – gegen die Bilder der Drohnen kommt man als erdgebundener Fotografierer nicht an.
In dieser sehr flachen Bucht gibt es die größten Tidenbewegungen in Europa. Bis zu 15 Kilometer weit zieht sich das Wasser bei Ebbe zurück und kommt bei Flut „wie ein galoppierendes Pferd“ wieder herangerauscht und türmt sich mangels Tiefgang auf: Bis zu 15 Meter Tidenhub hat man hier gemessen. Eine weitere Gefahrenquelle ist Treibsand: Diese Mischung aus Sand und Wasser ist im ungestörten Zustand fest, bewegt man sich aber heftiger, verflüssigt sie sich und man sinkt ein. Untergehen wie im Moor kann man zwar nicht, weil der „flüssige“ Treibsand eine viel höhere Dichte hat als ein Mensch, aber man kann drin stecken bleiben.
Das konnten wir mit eigenen Augen an einer Schulklasse beobachten, die an dem Phänomen sichtlich Spaß hatte – bis einige Übermütige bis zum Bauch drinsteckten und vom Lehrer befreit werden mussten. Sie wären von selbst nicht wieder herausgekommen.
Es wird daher dringend von Wattwanderungen auf eigene Faust abgeraten.
Je mehr wir uns dem Inselchen mit seiner spektakulären Bebauung nähern, umso besser können wir verstehen, dass es die Mönche damals „la merveille“ nannten – das Wunder.
Festungsmauern, Wälle, Häuser, Terrassen, Abteigebäude – alles türmt sich übereinander, an das schlichte romanische Kirchenschiff haben verwegene Baumeister einen eleganten gotischen Chor gesetzt und die Kirchturmspitze macht ihrem französischen Namen (la flêche) alle Ehre: wie eine Pfeilspitze ragt sie in den Himmel.
Ganz obenauf die golden funkelnde Statue des Erzengels Michael, die den Blick schon von Weitem magisch anzieht.
Der „Berg“ hieß ursprünglich Mont Tombe („Grabhügel“) und ist seit jeher für Kulte genutzt worden. Keltische Druiden huldigten auf dem 92 m hohen Felsen der der aufgehenden Sonne und bestatteten hier ihre Toten. Die Römer verehrten den Sonnengott Mithras. Die frühen Christen übernahmen den alten Kultort und machten ihn zum Heiligtum des Erzengels Michael. Darum rankt sich – natürlich – eine spannende Story, die ein – sehr lesenswerter – Artikel im Sonntagsblatt so gut erzählt, das ich das hier einfach mal zitiere:
„Die … Legende erzählt, Gott habe das Meer beauftragt, die Wälder dort in Besitz zu nehmen und dem heidnischen Götzendienst ein Ende zu bereiten. Michael, Anführer der himmlischen Heerscharen, sollte die Fluten lenken; doch auch sein überheblicher Rivale Luzifer hatte die Herrschaft über den heiligen Ort beansprucht. Beide flogen um die Wette zum Mont Tombe. Während Luzifer, von den bizarren Felsformationen irritiert, in eine finstere Waldschlucht stürzte, erreichte Michael sicher den Berggipfel und erschien unverzüglich im Traum dem zuständigen Bischof von Avranches namens Aubert – mit dem Befehl, dort eine Kapelle zu bauen.
Aubert traute dem Traumbild nicht so recht, auch als ihm Sankt Michael ein zweites Mal erschien, zögerte er noch. Beim dritten Mal griff der Erzengel zu drastischen Mitteln: Er berührte Auberts Kopf mit seinem Flammenfinger und brannte kurzerhand ein Loch hinein. Jetzt beeilte sich der Bischof, das Heiligtum bauen zu lassen, im Jahr 708 war das, und wenn jemand an dem Auftrag vom Himmel zu zweifeln wagte, zeigte er ihm seine Wunde. Im selben Jahr erschien übrigens Michaels Erzengelkollege Gabriel weit entfernt in Arabien auf dem Berg Hira dem Kaufmann Muhammad und informierte ihn über seine Berufung zum Propheten. In der Normandie jedenfalls sorgte eine wundertätige Quelle bald für einen Strom von Wallfahrern.“
Aus: https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kultur/der-mont-saint-michel-der-normandie-soll-wieder-zur-insel-werden
Den Schädel mit dem Loch gibt es übrigens noch. Man vermutet, dass es von einer Trepanation stammt.
1017 wurde mit dem Bau eines Benediktinerkloster begonnen, am Fuß des Hügels entstand ein Dorf, das die Mönche ja brauchten, denn die Benediktiner waren keine Selbstversorger. Um 1080 stand die Abteikirche, und noch bis ins Jahr 1520 wurde ständig an- und umgebaut (zuletzt der hochgotische Chor), so dass man heute von dem 92 m hohen Felshügel fast nichts mehr sieht. Hoch, höher, am höchsten – eine andere Wahl hatte man nicht, bei dem begrenzten Platzangebot. Nach der „Modernisierung“ im gotischen Stil im 13. Jahrhundert hatte das Ensemble seinen Namen weg: Das „Wunder des Abendlandes“ oder „La Merveille“ (das Wunder) nannten es die Pilger, die in Scharen auf die Insel kamen.
Der Felsen wurde auch schon früh befestigt, war er doch Angriffsziel für die Wikinger und andere Schurken. Während des hundertjährigen Krieges (1337 – 1453) wird das Kloster zur Festung gegen die Engländer, die ihn trotz intensiver Belagerung nie erobern konnten.
Ab der Reformation ging es auch mit dem Mont Saint Michel langsam aber stetig bergab, die Pilger blieben aus, der spirituelle und politische Einfluß sank. Mit der französischen Revolution verließen die Benediktiner das Kloster, die Abtei wurde zum Gefängnis. „Im Mont-Saint-Michel saßen politische Gefangene ein, eidbrüchige Offiziere, trunksüchtige Priester und arme Verrückte wie ein Domherr aus Bayeux, der die zwanghafte Neigung hatte, Falschgeld zu drucken. Das harte Regiment … war berüchtigt, und manche Gefangene starben in einem an der Decke aufgehängten Holzkäfig; in der Pariser Bastille war das barbarische Instrument längst abgeschafft worden“ (Sonntagsblatt).
Es war der Schriftsteller Victor Hugo, der sich 1836 zusammen mit Gleichgesinnten Romantikern für die Wiederherstellung des Mont einsetzte. 1863 erfolgte die Schließung des Gefängnisses, 1874 wurde der Mont Saint-Michel zum nationalen Denkmal erklärt und restauriert.
Seit dem Jahr 1969 wird ein Teil der Klostergebäude von der Fraternité Monastique de Jérusalem bewohnt, es finden regelmäßige Gottesdienste statt und man kann auch hier mit den Mönchen auf Zeit leben.
Funfact: Minas Tirith, die Hauptstadt von Gondor aus dem Herrn der Ringe, ist vom Mont Saint-Michel inspiriert.
Aus Fair use, https://en.wikipedia.org/ w/index.php?curid=3285776
Wir betreten den Mont durch die – einzige – kleine Pforte und stürzen uns im wahrsten Sinn des Wortes ins Getümmel.
2,5 Mio. Besucher zählt der Mont Saint Michel pro Jahr, das macht pro Tag knapp 7.000 Menschen. Klingt überschaubar, aber die kommen alle gleichzeitig, vormittags, mit der Navette oder zu Fuß über die Brücke, durch dieses Törchen.
Und dann wird der breite Besucherstrom in der „Hauptstraße“, der Grand Rue, auf ca. 1 Meter zusammengepresst. Das sieht dann die nächsten 250 Meter so aus.
Souvenirshops und Restaurants/Bars/ Bistros zu beiden Seiten. Ob hier auch Menschen ganz normal wohnen? Ich glaub’s eher nicht.
Zum Glück verläuft es sich dann etwas: Es geht echt steil bergauf, zudem ist grad Mittag und die Franzosen frönen ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem déjeuner. Viele Stufen und nochmal eine kurze Schlange vor den Sicherheitskontrollen, dann sind wir drin, im Klosterbereich.
Wir kommen an vor der Klosterkirche und der großen Terrasse, die einen weiten Blick nach Süden und Westen bietet.
Leider verabschiedet sich unser Audioguide (meiner schon vorher) und so sind wir auf die spärlichen Beschilderungen angewiesen. Informationstafeln gibt es leider keine. Hätten wir das gewusst, hätten wir uns ein Tablet am Eingang besorgt, das scheint zu funktionieren, zumindest laufen viele Besucher damit rum.
Das Innere der Abteikirche finde ich persönlich wenig spektakulär – dafür haben wir einfach in den letzten Wochen zuviel gesehen. Ganz interessant ist der Kontrast zwischen dem romanischen Kirchenschiff und dem sehr gotischen Chor – wenn man das so sagen kann. Es nennt sich „flamboyant“ – flammend.
Ganz wunderschön und wirklich besonders ist der Kreuzgang: elegante doppelte Marmorsäulen umfassen das erste Grün, das wir hier im Inneren des Mont zu Gesicht bekommen.
Wir gehen durch Gänge, über zahllose Treppen, kleine, große, gerade, gewundene, durch finstere Gewölbe, kleine Kapellen, lichtdurchflutete Hallen, hoch und runter, um die Ecke – es ist ein wahres Labyrinth. Ohne die Pfeile Suite de la visite ➡ (auf englisch kurz next ➡) wären wir vollkommen lost. Ein Irrgarten, dieses verschachtelte, gestapelte Kloster. Tetris ist nix dagegen.
Der Lastenaufzug wurde im 18. Jahrhundert eingebaut und bietet sowohl von unten wie auch – ganz besonders – von oben einen schwindelerregenden Blick. Ich konnte da von oben nicht runterschauen!
Wir gehen dann an der Westseite des Klosters in Serpentinen runter und noch ein Stück auf der Stadtmauer entlang, bis wir nach unzähligen Stufen wieder unten angelangt sind.
Das langt uns dann auch! Wir futtern unser sehr reichhaltiges Lunchpaket (Salat, reichhaltig belegtes Baguette, Apfelküchlein) inmitten bettelnder Spatzenkinder und nehmen dann die proppenvolle Navette zurück zu den Parkplätzen. Von da sind es nur 200 Meter bis in unser herrlich ruhiges Refugium!
Am Abend schmeißen die Spanier unsere Nationalelf aus dem EM-Turnier – ein sehr unglücklicher Spielverlauf für uns mit einem nicht gegebenen Hand-Elfmeter. Der britische (?) Schiri hat sich bei den deutschen Fans nicht gerade Freunde gemacht.
Nagelsmann weint, die Nation trauert, Kroos nimmt seinen Abschied und es Lebbe geht weiter 🤷♀️!