Die Vogelschmiede auf der Herchenhainer Höhe
Schon auf dem Hinweg wollten wir gleich als erste Station im Vogelsberg campieren. Leider war alles ausgebucht. Aber jetzt haben wir Glück: Nicole reserviert uns einen landvergnüglichen Stellplatz in ihrer Vogelschmiede. Als uns diese Nachricht erreicht, ahnen wir nicht, dass uns ein absolut bemerkenswerter Aufenthalt bevorsteht.
Auch hier haben wir erstmal mit der Verkehrsführung zu kämpfen und es dauert eine Weile, bis wir die (nicht beschilderte) Um-lei-tung über das Bu-Ka-Si-Tal (Burkhards-Kaulstoß-Sichenhausen) gefunden haben, die uns an das rückwärtige Ende der Straßensperrung heranführt.
Dann geht es hoch bis knapp unter die Herchenhainer Höhe (733m), wo uns das Blockbohlenhaus der Vogelschmiede erwartet.
Der Vogelsberg ist kein Berg, sondern ein Gebirge. Und was für eines! Es ist das größte zusammenhängende Vulkangebiet Mitteleuropas. Was auf der Karte wie ein Schildvulkan aussieht ist eine große Gruppe einzelner Vulkane, die nach ihrem letzten Aktivitätsschub vor 15-18 Mio. Jahren durch Hebung und Erosion ihre heutige Gestalt erhielten. Höchste Erhebung ist der Traufstein mit 773 m, von da fällt das Gebirge in Stufen nach allen Seiten hin ab.
Das ehemalige Bergrasthaus kurz unterhalb der Herchenhainer Höhe wurde 2013 geschlossen und verkauft. Nicole Avieny und ihre Frau Sybille kauften das benachbarte Grundstück und ließen 2016 ein Holzhaus darauf errichten. Man könnte die beiden als „Aussteigerinnen“ bezeichnen: Sie hatten jahrzehntelang in der Altenpflege gearbeitet, zuletzt einen eigenen mobilen Pflegedienst mit 35 Mitarbeitenden betrieben. Und dann die Chance ergriffen, hier einen Begegnungsort für Menschen zu schaffen. So ist die Vogelschmiede viel mehr als eine Jausenstube und ein Biolädchen. Man spürt die Spiritualität – oder sagen wir besser – den spirit, der hier drinsteckt. „Spirit“ trifft es, denn Nicole ist alles andere als eine salbungsvoll-verhuschte, in sich gekehrte, leise und zurückhaltende Person: Sie ist lustig, laut, humorvoll, direkt, eine Macherin. Leider ist ihre Frau letztes Jahr verstorben, aber auch das wirft sie nicht aus der Bahn. Sie erzählt uns von ihrer bewegten Jugend, von ihrer Harley, von Windhunderennen, vom Ärger mit Behörden und zivilem Ungehorsam und und und. Wir sind beeindruckt.
Als erstes schickt sie uns hoch auf die Herchenhainer Höhe und von da zur Meyerbachquelle, einem Kneipptretbecken. Wir wollten ja eigentlich nur einen Geocache suchen, aber Nicole ist sehr – sagen wir mal überzeugend. Und das ist auch gut so!
Am Tretbecken treffen wir einen Einheimischen und später kommen noch zwei Wanderer. Wir alle haben viel Spaß.
Zurück zur Vogelschmiede serviert uns Nicole Äppelwoi und eine wunderbare Jause, die wir zusammen mit Nicky und Lukas, unseren jungen (25 und 23) Stellplatznachbarn vor dem herrlichen Panorama genießen. Hier kommt man sich echt vor, wie auf einer Berghütte, nicht wie 60 km vor den Toren Frankfurts. Das mag daran liegen, dass wir tatsächlich vor einer Berghütte sitzen 😂.
Die beiden jungen Leute aus Rosenheim sind mit einem ollen Pajero mit Dachzelt unterwegs und futtern sich durch’s Landvergnügen. Es entwickelt sich ein interessantes Gespräch über regenerative Energien und Wasserstofftechnologie: Sie arbeitet beim Netzbetreiber, er in der Entwicklung von Wasserstofftanks für LKW.
Vorher dürfen wir aber noch an einem ganz besonderen „Event“ teilhaben: Dem Abendspaziergang mit Nicoles kleiner Ziegenherde. Die 8 Ziegen hat sie letzten Herbst vor dem Schlachthof gerettet und über den Winter hochgepäppelt.
Mit großem Appetit machen sich Noelle & Co. über Büsche und Dornengestrüpp her, laufen fein brav immer Nicole hinterher oder kurz vorweg.
Dann kommen noch ihre beiden Windhunde vor die Tür und ganz nebenbei organisiert Nicole noch ein Windhunderennen auf der Bergmähwiese vor ihrer Hütte. Die Frau ist echt bemerkenswert! Afghanen, erklärt sie uns, seien die älteste Hunderasse der Welt, die schon vor über 4.000 Jahren zur Jagd gezüchtet wurde. Windhunde sind nach den Geparden die schnellsten Landtiere der Erde. Und sie sind sehr aristokratisch und haben einen wunderschönen federnden Gang, fast „schweben“ sie beim Laufen. Dabei sind sie ganz ruhig und sanft im Wesen. Bis der Hase kommt …
Nach einer total ruhigen Nacht – hier ist echt kein Laut und angeblich gibt es Leute, die deshalb nicht schlafen können – verwöhnt uns Nicole noch mit Kaffee, frischen, selbstgebackenen Dinkelbrötchen und perfekt gekochten Eiern.
So, das war’s erstmal. 32 Tage waren wir unterwegs, so lange wie nie. Zu Hause erwartet uns ein Dschungel im Garten und eine Paprika homegrown im Kühlschrank 😁.
Volker kriegt am 28.7. seine 2. Corona-Impfung mit Moderna und am Freitag geht es schon wieder weg in die Pfalz mit Henning und Christiane.