Malen mit Pflanzen: Villandry

6. Juni 2024: Die Renaissancegärten von Schloss Villandry

Heute lassen wir mal Blumen sprechen – jedenfalls die meiste Zeit.

Davor nur eine kurze Einführung in „unser Castle of the day“, das Schloss Villandry.

Das ist ein eher kleines Schloss, es gehörte auch keinem König, sondern wurde 1532 vom Finanzminister Franz des I. auf den Resten einer älteren Burganlage gebaut (nicht der gestrige von Chenonceau, sondern sein Nachfolger. War scheinbar viel Verschleiß auf dem Posten). Von Beginn an waren Gärten ein wichtiger Bestandteil der Schlossanlage, Nutzgärten aber auch ein großer Ziergarten. Im Lauf der Jahrhunderte kam Villandry in viele Hände und jeder Besitzer baute und modernisierte daran herum, jeweils nach der jeweiligen Mode. Am End wurde im 19. Jahrhundert ein englischer Park angelegt und die ursprünglichen Gärten verschwanden.

1906 erwarben Joachim Carvallo und seine Frau Anne Coleman das Anwesen und stellten weitestmöglich den Originalzustand wieder her. Der inzwischen verwilderte Park wurde abgeholzt und die Gartenanlagen der Renaissance rekonstruiert.

Heute gehört das Schloss einer Gesellschaft, deren Geschäftsführer (und vermutlich auch Gesellschafter) der Urenkel der beiden ist.

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Wir besuchen „nur“ die Gärten, das Interieur des Schlosses (überwiegend 18. Jhdt.) lassen wir aus, da reichen uns die Bilder im Prospekt.

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Ein Renaissancegarten unterscheidet sich sehr von dem, was wir uns heute unter einem Garten vorstellen. Die ersten Gärten dieser Art entstanden im Cinquecento, im 15. Jahrhundert, in Italien, weshalb man sie auch italienische Gärten nennt.

Zu der Zeit vollzog sich (in Italien, im Rest von Europa erst im 16. Jhdt.) der grundlegende Wandel vom Mittelalter zur Neuzeit, einhergehend mit der Wiedergeburt (Renaissance) der Antike und dem Humanismus. Das meint nicht eine menschenfreundliche Gesinnung, sondern vielmehr, den Menschen als das Ebenbild Gottes in den Mittelpunkt zu stellen. Zeitgleich hatten die mittelalterlichen Burgen ausgedient, der Feudalismus schwächelte, das Bürgertum erstarkte und schuf sich repräsentative Paläste und Villen, oft auf dem Land. Der weitläufige Garten war Gegenpol zur Enge und Geschäftigkeit der Stadt. Nicht der praktische Nutzen des Gartens spielte eine Rolle, sondern seine Ästhetik, die sich in Perspektive, Proportion, Symmetrien und klassischen geometrischen Formen wie Kreisen, Vier- und Dreiecken ausdrückte. Es entstanden Lust- und Ziergärten, die zum Verweilen einladen.

Je nach Größe ist so ein Garten in mehrere Kompartimente unterteilt, die wiederum aus geometrisch angelegten Beeten bestehen, die von streng geschnittenem Buchsbaum eingefasst sind. Pergolen, Laubengänge und Buchs-Figuren trennen Bereiche und setzen Akzente. Auch Wasserbecken und Fontänen dürfen nicht fehlen.

Die Symmetrie geometrischer Formen

Kurzum: Im Renaissancegarten kommt es auf exakte Formen an und auf abgestimmte Farben, nicht darauf, was da wächst und wozu man es eventuell gebrauchen kann. Bäume und Hecken werden zu kunstvollen Figuren geschnitten und akkurat gestutzt, alle Beete sind eingefasst, alles ist geordnet und symmetrisch, der Garten ist wie ein Bild, wie ein Gemälde und die Pflanzen sind die Farbe. Wobei oft Grün die einzige Farbe ist und nur die Form den Garten bestimmt.

Die Gärten von Villandry aus der Vogelperspektive (der Vogel ist ein Satellit)

Weil man das alles am besten von oben erkennt, macht man einen Screenshot aus Google Maps sind die italienischen Gärten meist terrassiert.

Verschiedene Ebenen verschaffen Überblick(e)

Ich persönlich würde ein üppiges englisches Staudenbeet wie bei Miss Marple im Vorgarten oder einen farbenfrohen Bauerngarten bevorzugen, aber die Geschmäcker sind verschieden 🤷‍♀️. Und beeindruckend ist das hier allemale.

Im Barock wurde die geometrische Gartenform der Renaissance weiterentwickelt, übertrieben sozusagen, mit Wasserspielen, wo vorher eine einfache Fontäne sprudelte, massenweise Skulpturen, Grotten und Pavillons.

Es gibt nur noch sehr wenige reinrassige Renaissancegärten, am ehesten findet man sie in Italien und eben hier in Villandry.

Der Blumen- und Gemüsegarten im Hintergrund, vorne der Liebesgarten.
Von oben links nach unten rechts: die zärtliche, leidenschaftliche, tragische und flüchtige Liebe
Der Kreuzgarten mit den Emblemen von Ritterorden. Das Malteserkreuz kann man erkennen.
Animal of the day
Dies ist der Kräutergarten, an sich ein Nutzgarten, aber auch er wird der Ordnung unterworfen: Ein rein dekorativer Abschnitt, ein Eibenkegel als optische Grenze, dann zwei Kräuterbeete im Halbkreis (die anderen zwei auf der gegenüberliegenden Seite des Weges ) – ein Eibenkegel und wieder ein dekoratives Zwischenstück.

Herzstück der Gartenanlage ist der dekorative Gemüsegarten.Er besteht aus 9 Beeten, in denen symmetrisch angeordnete Rabatten ein geometrisches Muster bilden.

Noch einmal die Draufsicht aus Google Maps

Farbe bringen unter anderem Rotkohl, Borretsch, Lollo rosso und – nicht ganz stilecht – Begonien. Auch die Formen der Gemüsepflanzen sind dekoratives Element. Vor allem die knallgrünen Köpfe des Lollo verde ergeben ein schönes Muster.

Im Zentrum des Gartens eine chill out area mit 4 großen Rosenpavillons

Der Garten von Villandry beschäftigt 10 Gärtner fulltime und das ganze Jahr über. Im Winter müssen z.B. alle Linden radikal geschnitten werden. 30 Kilometer Buchsbäume (aneinandergereiht) wollen frisiert sein und 115.000 Blumen und Gemüsepflanzen werden pro Jahr angepflanzt – die meisten aus eigenen Gewächshäusern.

Wir verlassen nach gut dreieiinhalb Stunden die Gärten und genehmigen uns erst mal ein kühles Blondes. Und auf dem Heimweg treffen wir noch auf ein Anglerpärchen.

Wir machen es uns auf unserer Parzelle gemütlich und öffnen andächtig den Chablis Grand Cru Blanchot von 2018. Wirklich ein edler Tropfen👌. Die Weinlage haben wir höchstpersönlich in Chablis inspiziert!

Am End‘ noch unsere vormittägliche Strecke …

Von Chenonceaux (H) über die Route National nach Villandry (I), 60 km

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