Dienstag, 15. August 2023: Hinter Middelfahrt
Wir haben – man glaubt es kaum – einen Plan für die restlichen paar Tage unseres Wech. Einen groben. Der lautet: Seeland/Fünen/ Festland – Haithabu – Lüneburg – Kostheim und verteilt sich auf 7 Tage.
Schnell fällt die Entscheidung, heute den großen und den kleinen Belt zu überbrücken und wieder Festland zu erreichen. Über den Handel beißt sich dann die Katze in den Schwanz: Wir kommen an unserem 86. Reisetag nach etwa 9.000 km Strecke zu Land und zu Wasser an eine Stelle, die wir an Tag 3 unserer Reise, dem 23. Mai, schon mal passiert haben.
Rund Skandinavien würde der Segler sagen!
Das genaue Ziel für heute ist gar nicht so leicht auszumachen. Und ein wenig Ostseefeeling wäre vielleicht auch nicht übel. Hinter Middelfahrt wird man von Campingplätzen schier erschlagen. In P4N8 klicke ich einen nach dem anderen an: „Einer der größten …“ -> 🚮. „Platz mit Hallenbad, Erlebnisbad …“ -> 🚮. „Neuer, sauberer …“ -> 🚮. „4 Sterne mit allem Comfort …“ -> 🚮. Am End entscheiden wir uns für einen charmanten, in die Jahre gekommenen und ein wenig im Off gelegenen Platz, dessen Beschreibung mit „Kleiner, einfacher …“ beginnt und der es auf stolze 4.6 von 5 Sternen in der P4N8-App Bewertung bringt. Hier fühlt man sich auf Anhieb wohl! Wir checken gleich mal für zwei Tage hier ein, um nach der vielen Fahrerei noch ein wenig Urlaubsstimmung zu genießen.
Wir holen die Fahrräder runter, eMil bekommt eine neue Schraube an den Schnellspanner und wir lassen uns auf einer gemütlichen Fahrradtour durch die Gemarkung den Wind um die Nasen wehen.
Endlich wieder Getreide und Stoppelfelder – ein Gefühl von zu Hause macht sich in mir breit 🧡. Ich bin halt ein Kind vom Lande und angesichts von Raps, Mais, Gerste und Weizen, üppigen Feldern auf sanft geschwungenen Hügeln, geht mir das Herz auf.
Selbst bei dieser kleinen Fahrradrunde kommen wir unverhofft an einer Stelle vorbei, an der wir wieder etwas lernen: Hier verlief bis 1920 die deutsch-dänische Grenze. Und gleich mitten durch das Mühlenanwesen! Kein Wunder also, dass hier ganz viele Dänen Deutsch sprechen!
Dass Nord-Schleswig nach dem deutsch-dänischen Krieg von 1864 zum Deutschen Reich gehörte, wussten wir zwar, aber nicht, dass es bis hier herauf reichte! Wir dachten, hinter Flensburg sei Ende mit Schleswig. Doch weit gefehlt! Nach dem 1. Weltkrieg wurde im Versailler Vertrag festgelegt, dass die neue deutsch-dänische Grenze durch eine Volksabstimmung festgelegt werden sollte. Die ergab 1920 dann den heutigen Grenzverlauf bei Flensburg. Im dänischen Nordschleswig = Südjütland lebt eine Minderheit von 15.000 Deutschen. Die dänische Minderheit im deutschen Südschleswig (Schleswig-Holstein) umfasst ca. 50.000 Menschen.
1920 ist für viele der hiesigen Dänen ein wichtiges Datum, und 2020 wurden 100 Jahre Wiedervereinigung groß gefeiert.
Übrigens hat uns ein Geocache an dieser Stelle „ausgebremst – ohne den wären wir garantiert vorbeigebrettert und hätten den Gedenkstein und die kleine Tafel nicht bemerkt!
Kurz darauf, im Hafen von Hejlsminde frohlocke ich “ Oh schau, da segelt ein Wikingerboot“ – da wird es auch schon mit seinem großem Rahsegel vom auflandigen Wind gegen die Boote am Pier gedrückt, nur die Dalben verhindern Schlimmeres. Mindestens eine halbe Stunde schauen wir den Bemühungen der 7er Crew zu, den Kahn mit Hängen und Würgen und Seilen und Rudern in Sicherheit und an seinen Liegeplatz zurück zu bekommen.
Hafenkino vom Allerfeinsten – und wir hätten natürlich alles gaaaaanz anders gemacht 😜! Sprich, wir wären unter den Bedingungen und mit dieser Besegelung gar nicht erst raus 😂.
Das Universum schenkt uns dann einen gar prächtigen Solnedgang!
Wir folgen dem Wegweiser und genießen ihn mit baumelnden Beinen vom Bootssteg aus, natürlich stilecht mit einem Gläschen Rotwein, wie es sich gehört.
Zu guter Letzt unsere heutige Route …