2 Tage in Meißen vom 5. bis 7. September
Am Sonntag morgen gratulieren wir Paula zum 7. Geburtstag und nach dem großen Gruppenfoto (siehe vorheriger Beitrag), verlassen wir die Familie, denn noch ein Fest – egal wie entspannt – ist uns echt zuviel.
Unser Ziel ist Meißen und wir wollen da eigentlich bei einem Winzer aus dem Winzeratlas unterkommen, aber der „Stellplatz“ – ein schmaler Streifen Schotter direkt (!) zwischen Straße, Böschung und Radweg -, ist wirklich indiskutabel.
Der zweite Versuch beim Wellenbad misslingt auch, da wird gebaut und so landen wir schließlich beim „Landhotel Nassauer Hof“ – für Wiesbadener eigentlich sehr passend 😂. Der Platz an sich ist passabel, der Preis läppert sich auf 17 Euro/Tag + 4 Euro fürs duschen zusammen, weil alles extra kostet. Der Betreiber … naja, man will ja nix Böses sagen, aber nach 5 Minuten wussten wir, wo wir dran sind mit Schimpfen auf Corona und auf’s Finanzamt. Und den Gästen per Aushang Mülltrennung aufoktroyieren aber dann den Restmüll in die Gelbe Tonne kloppen. Auch da muss man nicht nochmal hin.
Aber der Platz an sich ist OK.
Am Nachmittag geht es mit den Fahrrädern über die Elbe in die wunderschöne Altstadt von Meißen (so ca. 3 oder 4 Kilometer).
Wir laufen die Stationen eines Multis ab, der uns zu allen historischen Häuern führt, die auch die Stadtführung im Programm hat. Dazwischen gibt es leckeren sächsischen Wein zu horrenden Preisen, 7 bis 8 Euro das Glas ist hier „normal“.
Besonders schön ist immer der Blick hoch zum Dom, dessen gotische Türme sich schwarz und erhaben über die Altstadt recken.
Daneben gibt es manch Hübsches und Lustiges zu entdecken:
Nachdem wir alle Stationen abgelaufen sind, will der Checker zwar immer noch kein Grün geben, aber wir vertagen das auf zu Hause und fahren zurück zum Nassauer Hof. Hier haben wir dann noch ein lustiges Treffen mit einem älteren Herrn (nebst Gattin) aus Zingst, beide ehemals Sportlehrer. Er scheint einen Narren an mir gefressen zu haben und es wird gewitzelt, mich gegen den Schlüssel für den Toilettencontainer einzutauschen. Ob das nun schmeichelhaft ist sei mal dahin gestellt, ich lehne jedenfalls strikt ab 😂. Immerhin legt er daraufhin Volker nahe, gut auf mich achtzugeben, damit mich keiner ihm wegschnappt.
Am nächsten Morgen ruft mal kurz die Arbeit, bevor wir uns auf die Räder schwingen um das inzwischen ausgemachte Final des gestrigen Multis anzusteuern. Das liegt jwd, nämlich auf dem „Meißner Berg“ und da geht es stramm hoch. Volker ist not amused.
Das soll sich aber ändern, als es auf den Rückweg geht. Der liefert erst mal sehr schöne Blicke auf die Domspitzen
Und dann stehen wir unvermittelt vor dem offenen Tor eines schön restaurierten Vierseithofes, dem Winzerhof Rothes Gut. Da wir außer ner Tasse Kaffee noch kein Frühstück intus haben, beschließen wir spontan, das hier mit einem Glas Wein, einem Brezel und – man höre – einer Fettbemme nachzuholen. Hinter dem Wort, das Volker so gefällt, verbirgt sich ein Schmalzbrot und ich musste versprechen, es hier klar und deutlich zu erwähnen.
Danach geht es beschwingt den Bersch wieder erunner zur Porzellanmanufaktur, für die wir Karten für die Führung um 13 Uhr erworben haben. Wir hoffen sehr, dass wir angedüdelt keine Meißner Vase für Hunderttausende von Euronen umrennen. In dem Fall bringen Scherben sicherlich kein Glück, sondern heftigen Ärger mit der Haftpflichtversicherung.
Und als ob es uns das Schicksal nochmal einbläuen will, fahre ich mit der Erika prompt durch eine Scherbe (wenn auch keine aus Meißner Porzellan) und handele ihr den ersten Platten nach 9876 km ein. Was Volker am Telefon der Fahrradwerkstatt mit den Worten ankündigt: „Meine Frau hat einen Platten“ und der Mechaniker antwortet „Na, besser als wennse ne Schraube locker hat“ 😂. Aber das nur am Rande, denn es steht wie gesagt die Manufaktur an.
Die Erfindung des berühmten Meißner Porzellan ist eigentlich ein Zufall. Johann Friedrich Böttger, dem sie zugeschrieben wird (er war allerdings nicht alleine daran beteiligt) war fast schon ein Scharlatan, hatte er sich doch unter dem Vorwand, er könne Gold machen, in die Dienste des sächsischen Königs August des Starken „geschummelt“. Der ließ ihn jahrelang vergeblich experimentieren, sperrte ihn auch ein paarmal ein und machte Fluchtversuche zunichte. Am Ende war Böttger Staatsgefangener des sächsischen Königs. Das Porzellan wurde als Nebenprodukt erfunden, als man verschiedene Tonerde-Mischungen formte und brannte, um daraus widerstandsfähige Gefäße für die Goldherstellung anzufertigen. 1708 schließlich, wurde die Mischung gefunden, aus der das erste weiße Porzellan in Europa hergestellt werden konnte.
Böttger entwickelte es weiter, erfand Glasuren und Farben, leitete die erste sächsische Porzellanmanufaktur, aber der König hielt ihn immer wieder an, er solle Gold machen.
Böttger starb 1718 mit nur 37 Jahren.
Wir besichtigen die Schauwerkstatt, hier kann man wirklich zuschauen, wie aus einem grauen Klumpen Rohmasse (Kaolin, Feldspat und Quarz) nach und nach ein bunter Teller, eine Tasse oder eine Figur entsteht. Und in der Tat, alles wird von Hand geformt.
Die Porzellanmasse wird zur Grundform gedreht und dann vorsichtig in eine Gipsform gepresst, die ihr Konturen und Profil verleiht. Nach und nach wird der Porzellanmasse durch die Gipsform Wasser entzogen und der Scherben verdichtet sich. Meissener Figuren sowie einzelne Komponenten von Servicen bestehen aus mehreren Teilen – Tassen aus bis zu fünf, komplexe Figuren aus bis zu 100 – die einzeln geformt oder gegossen und anschließend von den Bossierern zusammengefügt werden.
Bossierern setzen die Einzelteile zusammen. Mit Schlicker, der verflüssigten Porzellanmasse, viel Geschick und höchster Präzision fügen sie die einzelnen Teile zusammen. Kleinere Dekorelemente wie Blätter und Blüten werden von Hand mit einer Schablone geformt und an der Figur angebracht. Dann wird das Ganze gebrannt und schrumpft dabei um ca. 1/6.
Nach dem ersten Brand erhält das Porzellan seine Festigkeit. Auf der porösen saugfähigen Struktur erfolgt die Unterglasurmalerei. Nur Farben, die den hohen Temperaturen des 2. Brandes standhalten, können hier verwendet werden, das sind nur sehr wenige. Bekanntestes Beispiel ist das Kobaltblau, welches für das Meissener „Zwiebelmuster“ und das berühmte Meissener Markenzeichen, die Gekreuzten Schwerter, verwendet wird. Diese Oxidfarben verschmelzen im Brand mit dem Scherben und bezeugen so fälschungssicher die Echtheit und Qualität des Meissener Porzellans. Die Glasur sowie alle Farben werden von der Manufaktur eigens hergestellt.
Die prächtigen Farben vieler Meißner Porzellane – ob Tafelsevice, Vase oder Figur, werden zumeist auf das bereits glasierte und zweimal gerannte Porzellan aufgebracht. Dazu wird das Farbpulver von den Porzellanmalern mit Terpentin zu einer malfähigen Farbe vermischt und auf das Porzellan aufgetragen. Aufwändige Dekore erfordern mehrere Farbaufträge und Brände. Modelle und Vorlagen garantieren dabei die künstlerische Authentizität des fertigen Objekts, gemalt wird aber Freihand! Alle verwendeten Farben beruhen auf archivierten Rezepturen des manufaktureigenen Farblabors. Der abschließende Dekorbrand lässt die Aufglasurfarben leuchten.
Nach all dem kann man nun auch die wahrhaft horrenden Preise Meißner Porzellans verstehen: es ist wirklich alles Handarbeit, selbst die simpelste Tasse.
Zum Abschluss des informativen Tags in Meißen spendieren wir der platten Erika dann einen neuen Schlauch und Reifen.