See in Lappland mit 5 Buchstaben

Freitag, 28. Juli 2023

An die osteuropäische Sommerzeit sind wir nicht gewöhnt, zusammen mit der fehlenden Dunkelheit wird es fast 2 Uhr, bis wir uns aufs Ohr hauen und entsprechend spät kommen wir am Morgen aus den Federn. Es ist halb 11 durch 🥱. Aber wir haben auch nicht wirklich was vor, die Hauptattraktion Lapplands ist die unberührte Natur und das kann sie meinethalben auch bleiben, denn alle angepriesenen Wanderungen kommen hier einem Überlebenstraining in der Wildnis gleich. Also ist heute der Weg das Ziel.

Ob es am Kontinalklima liegt, aber hier in Lappland ist es mit um die 21 ℃ doch deutlich wärmer als noch vor zwei Tagen im arktischen Vardø. Zu allem Glück scheint heute noch die Sonne.

Wir fahren ein paar Hundert Meter zurück zur Kirche von Utsjoki. Die Gemeinde umfasst 5.000 Quadratkilometer, 1.000 Einwohner, eine Kirche, das ist hier so der Schnitt. Die Mehrheit der Bevölkerung, 70%, ist samischer Herkunft. Auch die um 1850 erbaute Kirche ist seit 2002 samisch-lutherisch.

Zur Kirche gehören gut ein dutzend kleine Kirchenhütten, in denen früher die Gläubigen, die von weit her kamen, übernachten konnten.

Wir fahren weiter auf der E75 Richtung Süden. Wenn es mal irgendwo auf unserer Reise so richtig einsam war, dann hier! Wir sehen mehr Rentiere als Autos und Häuser zusammen. Das ist echt der Arsch der Welt!

Bäume, Seen, Moor und viel Himmel!

Knapp 190.000 Seen gibt es in Finnland, das sind 16% der Landesfläche, Rekord vor Schweden und den Niederlanden. Weitere 75% Finnlands sind bewaldet, so dass nur knapp 10% überhaupt für Bebauung, Besiedelung und Infrastruktur in Frage kommen.

Gegen 15 Uhr erreichen wir das Städtchen Inari. Seine 7.000 Einwohner verteilen sich auf 17.000 Quadratkilometer, kein Wunder also, dass der Ort nicht wirklich, wie eine Stadt daherkommt. Es gibt ein Sami-Museum, das wir auslassen und zahlreiche Souvenir-Shops und andere Geschäfte, die wir ebenfalls links liegen lassen. Interessant ist das Sameting, das Parlament der Samen in Finnland, ein repräsentativer Holzbau am Rand der Stadt.

Aufgabe der 21 Abgeordneten ist es, für die Sprache und Kultur der Samen und ihre Stellung als indigenes Volk einzutreten. Das Sameting kann den Behörden Initiativen und Vorschläge unterbreiten und Stellungnahmen veröffentlichen. Es repräsentiert die finnischen Samen bei nationalen und internationalen Kontakten. Die staatlichen Behörden sind verpflichtet, Entscheidungen, welche die Stellung der Samen direkt betreffen (z. B. samischsprachigen Schulunterricht, Landnutzung im samischen Heimatgebiet), mit dem Sameting zu verhandeln.

Ähnliche Parlamente gibt es auch in Norwegen und Schweden. Nur die Samen im russischen Sapmi (so heißt das Siedlungsgebiet der Samen) haben das Nachsehen.

Samische Flagge

Weit mehr als das traditionelle Leben der Samen hätte mich ja interessiert, wie sie heute leben. Bestimmt laufen sie nicht den ganzen Tag in ihren traditionellen Klamotten rum, schaben Rentierfelle und beten Geister in Felsritzen an.

Wie ist das heutige Selbstverständnis der (jungen) Leute? Legen sie überhaupt noch Wert auf ihre Traditionen? Wie sind ihre Bildungschancen? Gehen sie in eigene Schulen? Welche Berufe erlernen sie? Wo wohnen sie? Auch im Parlament haben wir auf diese Fragen keine Antworten gefunden und eine Führung gab es heute nicht 🤷‍♀️🤷‍♂️. Man bekommt immer nur Informationen über die alte Kultur, Glauben und Traditionen. Und dabei keine/n Sami zu Gesicht! Die einzigen, die wir gesehen waren waren die Frauen, die in Norwegen in den Shops am Straßenrand Kaffee aus der Thermoskanne, Rentiergeweihe, Felle und Ramsch verhökern.

So werfen wir einen letzten Blick auf den Inarijärvi, den Inarisee, den ich bisher nur aus dem Kreuzworträtsel kannte: See in Lappland mit 5 Buchstaben.

Mit knapp über 1.000 km2 Fläche ist er der drittgrößte See Finnlands und doppelt so groß wie der Bodensee. Durch seine 3.000 Inseln und das zerklüftete Ufer wirkt er aus der Luft und auf der Landkarte ziemlich zerrupft. Aber hier so vom Ufer aus ahnt man die Größe.

Wir entscheiden uns gegen die beiden stadtnahen Campingplätze und steuern einen Parkplatz am Rand der E75 an. Herrlich stehen wir hier am Ufer eines der erwähnten 190.000 Seen. Die Temperatur ist erträglich (17°C ist für nördlich des Polarkreises in Ordnung), keine Schlingpflanzen, herrlich klares Wasser und weder spitze Steine noch Kletterei beim reingehen. Kurzum, wir nehmen als erstes ein erfrischendes Bad. Herrlich!

Danach ist mir nach Outdoor-Kitchen, also wird gegrillt, was der Kühlschrank so hergibt: Chorizo-Würstchen mit skandinavischem Ratatouille und Tsatsiki (die norwegische Agurk 🥒 für 3,50 Euro das Stück im Sonderangebot musste weg). Draußen sitzen geht aber nur mit langen Klamotten und/oder ordentlich Mückenspray. Schon schlimm hier, mit den Stechern.

Im Laufe des Abends kommen noch 5 weiter Camper an. Ist ja genug Platz.

Auf dem stillen See rudert ein Pärchen in der Abendsonne vorbei – im Bilderbuch könnte es nicht schöner sein!

Und ich bin heute so was von früh mit dem Blog fertig! Schön, wenn mal nix los ist!

Heute ging es von Utsjoki (B), über Inari auf einen Parkplatz an der E75 am See Talvitupajärvi, 136 km in 3,5 Stunden.
Gute Nacht am Talvitupajärvi

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