Freitag, 29. Juli 2023
So schön der gestrige Abend war, so trist ist es heute morgen. Der direkte Vergleich ist wirklich betrüblich 😥.
Aber gejammert wird nicht. Sondern gefrühstückt und dann ab dafür. Der Tag versaut sich nicht von alleine!
Die Reiseleitung hat auch für heute wieder einige sensationelle Highlights ausgesucht, das Aufsehenerregendste, das Lappland zu bieten hat (von der Hauptattraktion „unberührte Wildnis mit Myriaden Moskitos“ einmal abgesehen).
Als da wäre als erster Stopp Karhunpesäkivi – zu deutsch Bären-Neststein oder Bärenhöhle. Es ist ein großer Hohlraum in einem noch größeren Findling, der angeblich einmal einem Jäger Zuflucht geboten hat. Als er am Morgen aufwachte, fand er sich neben einem Bären wieder, der in der Höhle Winterruhe hielt.
Dafür, dass dieser Stein in manchen Top Ten-Listen der finnischen Sehenswürdigkeiten geführt wird, ist sehr wenig los. Eigentlich gar nix. Aber es gibt ein großes Blockhaus mit einem gut bestückten Souvenirladen in dem bei Weitem nicht alles so geschmacklos ist, wie der Plüschbär neben dem Eingang.
Wir machen uns also auf die 284 Stufen der Holztreppe, die freundlicherweise in den Hang geklöppelt wurden.
Unterwegs erwartet uns neben einem Geocache ein kleiner Naturlehrpfad. Hier sind auf schönen Hinweistafeln endlich mal alle essbaren Waldbeeren im Vergleich beschrieben: Die Blau- oder Heidelbeere, Krähenbeere, Preiselbeere und die Rauschbeere. Und in natura können wir sie gleich zu unseren Füßen betrachten.
Unten rechts Rauschbeere und Blaubeere
Wir gehen hier durch einen der ältesten Kiefernwälder Finnlands, einige Exemplare sind bis zu 700 Jahre alt. Denen wächst dann gerne mal ein Bart aus Flechten. Und sie sind Heimat unseres AoD: ein prächtiges Eichhörnchen.
Dann stehen wir vor dem Ziel: Gar nicht mal soooo groß, vielleicht 5 Meter hoch und 8 in der Breite.
By Puppe100 – Oma teos, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=71268537
Der Einladung „Go in“ folge ich nach kurzem Zögern – hatten wir doch unterwegs einen beleibten Finnen getroffen, der meinte, er sei drinnen gewesen. Er versorgt uns außerdem mit der Information, das wir bis oben noch 226 Stufen vor uns haben 🤣. Also rein mit mir!
Innen können 3-4 Personen bequem stehen, es liegen ein paar rundliche Felsbrocken im Weg – Relikte des Gletschers, der den Findling hier ausgespuckt hat – und die Höhlendecke ist mit wabenartigen Löchern durchsetzt. Das sind Tafoni, Bröckelhöhlen, die durch chemische Verwitterung weichen Gesteins von innen nach außen entstehen. Dringt dann Wasser ein, wird das bröckelige Substrat ausgewaschen. Hier haben sich sehr große Tafoni gebildet! Wir hatten kleine beim Saltstraumen gesehen, man findet sie auch in Deutschland häufig im Sandstein (Pfälzer Wald, Externsteinen).
Volker steigt noch ein paar Stufen höher zum Aussichtspunkt (man sieht aber fast nix, ganz weit weg ein Fitzelchen Inarisee), derweil ich mich mit einem netten Paar aus Sonthofen unterhalte (die standen letzte Nacht auch auf „unserem“ Parkplatz). Sie fahren noch bis Mitte September und nehmen die Route über das Baltikum zurück. Die ist genau so lang wie der Heimweg über Schweden/Dänemark. Uns fehlt aber dafür die Zeit. Das Baltikum und auch Polen sind sicherlich eine eigene Reise wert!
Wir futtern noch sehr leckere Pfannkuchen mit Moltebeerenmus in der Blockhütte (der Pfannkuchen ersetzt hier anscheinend die norwegische Waffel) und nach einem kleinen Raubzug durch die Souvenirs 😁 geht es weiter.
In Ivalo stürzen wir uns kurz ins finnische Einkaufswunderland. Ein riesiger Supermarkt à la Globus, der alles vom Apfel bis zum Zelt im Angebot hat. Da gibt es Dinge, die sucht man bei uns vergeblich – oder besser: man sucht sie erst gar nicht, weil man sie nicht kennt. Zum Beispiel diese hübsche Garnitur zum Beerensammeln: Die Schüppe hat vorne eine Art Kamm, mit der man die Beeren vom Strauch abstreift. Und dann ab ins Körbchen. Genial!
Lebensmittel sind auch deutlich billiger als in Norwegen. Und dank Euro muss man nicht umrechnen!
Weil das Wetter echt besch… ist, halten wir weiters nicht an.
Man muss bei dem trüben Wetter besonders auf die Rentiere achten, die am Straßenrand äsen oder auch mal aus dem Gebüsch kommen. Es ist zum Glück ein breiter Randstreifen gemäht, damit man sie rechtzeitig sieht. Aber vor allem wenn sie beidseits der Straße stehen ist Vorsicht angesagt. Da rennt gerne mal eine Mutter zu ihrem Kind oder der Kumpel zum Freund über die Straße. Viele Rentiere haben hier übrigens Halsbänder mit Glocken oder auch irgendwelchen Transpondern um den Hals. Und fast alle haben Ohrmarken. Der Finne weiß also wohl genau, wem welches Rentier gehört! In Norwegen ist uns das nicht aufgefallen.
Wir steuern die nächste Attraktion an, das weltweit einzige (!) internationale Goldgräbermuseum. Wieder so ein selbstverliehener Titel 🙄. Aber Kritik beiseite, das ist wirklich ein sehr gutes Museum, toll gemacht und rundum sehenswert. Eigentlich sind wir für einen Besuch schon zu spät dran – das Museum schließt um 17 Uhr und es ist schon halb fünf 😐. Aber die freundliche junge Frau an der Kasse meint, sie ist noch eine halbe Stunde länger da. Also zahlen wir 2 x 10 Euro Eintritt für Rentner und beeilen uns!
Und warum gibt es dieses Museum hier? Weil auch Finnland vom weltweiten Goldrausch des 19. Jahrhunderts nicht „verschont“ blieb.
Das Museum erzählt die Geschichte der Männer (und weniger Frauen), die an den Ufern des Flüsse in Lappland ab ca. 1870 nach Gold schürften. Finnland war damals eine russische Provinz und Zar Alexander II. erließ sogleich ein Gesetz, dass es allen gut beleumundeten finnischen und russischen Bürgern erlaubte, nach Gold zu schürfen. Juden waren ausgenommen. Und man musste gegen eine „geringe Gebühr“ eine Lizenz erwerben. Von den 500 Männern aus Rovaniemi, die sich zu den Goldfeldern im Norden Lapplands aufgemacht hatten, schafften es nur die reichsten 19, sich einen eigenen Claim abzustecken, die anderen Männer arbeiteten in Lohnarbeit für die Claiminhaber.
Das Goldsuchen funktioniert immer nach dem selben Prinzip: Weil Gold 7-mal dichter und somit schwerer ist als Stein, wird Sand / Kies / Geröll über Rutschen geschwemmt und gewaschen. Das schwere Gold setzt sich am tiefsten Punkt ab und bleibt dort liegen, wenn man es richtig anstellt. Die einfachste und ursprünglichste dieser Vorrichtungen ist die bekannte Goldwäscherpfanne, im größeren Maßstab hat man dann lange „Waschstraßen“ aus Holz konstruiert. Findet man Schwemmgold im Fluss, schürft man im umliegenden Land, um die Goldader zu finden, aus der es stammt. Meistens vergeblich.
Wir haben zu wenig Zeit, uns alles genau anzuschauen, die Pioniere, ihre Nachfolger und Bergbauunternehmen bis in die 1960er Jahre, Erfolge und Pleiten. Auch den internationalen Teil – Goldrausch und Goldabbau auf allen Kontinenten (außer der Antarktis) – müssen wir leider im Schnelldurchgang erledigen. Nicht nur am Yukon oder in Kalifornien gab es den Gold rush, auch in Irland, Italien, Deutschland, Österreich, auf dem Balkan, in Japan, China, Indonesien und und und … wurde Gold gesucht.
Am Ort des Museums, in Tankavaara, fand man erst 1935 das erste Gold. Das größte in Tankavaara gefundene Nugget fand ein Tourist, ein 11-jähriger Junge. Er kaufte sich vom Erlös ein Moped, daher der Name Mopo.
Netter Sidefact: Alljährlich wird auf dem Museumsgelände die Goldwäscher-Weltmeisterschaft ausgetragen. Wir finden das lustig, die Teilnehmer sicherlich nicht.
Am Ende gibt es auch noch einen kleinen physikalisch-chemischen Teil, der erklärt, wie Gold als Element überhaupt entstanden ist.
Ganz besonders gelungen finden wir das Periodensystem der Elemente in Glasfläschchen! Da muss man erst mal drauf kommen!
Noch heute wird nach Gold gesucht. Es gibt ungefähr 20 Goldgräber in Lappland, die im Jahr insgesamt circa 20 Kilo Gold finden.
Gold aus Lappland wird nur für Schmuck verwendet. Man schmilzt die Nuggets auch nicht ein, sondern verwendet sie so, wie sie gefunden werden.
Nach diesem goldigen Erlebnis suchen wir uns eine Bleibe für die Nacht. Die Wahl fällt auf einen kleinen Campingplatz mit Bed&Breakfast, der bei P4N8 gute Kritiken hat. Hier bekommen wir auch Frühstück und selbstverständlich gibt es eine Sauna, die wir gleich für eine Stunde mit buchen. Der Betreiber hat einen etwas speziellen Humor und heizt sein Büro auch Ende Juli mit einem Holzofen. Bei den Temperaturen hätten wir uns die Sauna grad sparen können 😂🥵.
In der finnischen Sauna wird traditionell mit Birkenholz eingeheizt. Beim Nachlegen, so sagt Besitzer Jouko, immer mindestens 2 Scheite! Einer bringt Unglück. Man legt in der Sauna kein Handtuch unter, sondern nur ein kleines Läppchen, schlägt sich mit Birken-, Eichen- oder Eukalyptusreisig und setzt einen Filzhut auf. Kann man so machen! Finnische Sauna in Lappland: ✅️
Während wir schön durchgewärmt von der Sauna im HoGo kuscheln, ziehen die Einheimischen das Camping knallhart durch und hocken den ganzen Abend draußen im Regen unter der Markise. Da kennt der Finne nix.