Stavanger und Preikestolen

Mittwoch 31. Mai bis Samstag, 3. Juni 2023

31. Mai: Noch eine weiße Stadt

Von Orre (E) nach Stavanger (F)

Es ist nur eine kurze Fahrt von 38 km von Orre nach Stavanger, wo wir gegen Mittag doch tatsächlich noch einen Stellplatz am Hafenkai in Stadtnähe ergattern.

Leider versperrt uns ein Schiff die Sicht auf Stavanger – aber immerhin ist es eine 100 Mio. Dollar teure Luxusyacht, die INVICTUS des amerikanischen Immobilienmoguls Rick Caruso (nein, den muss man nicht kennen, wir haben gegoogelt 😉).

Da staunen Fledi und Schlappmann!

Wir machen uns alsbald auf, die Stadt zu erkunden und beginnen …

links im Bild übrigens das Stavanger Konserthus

… beim nächsten Schiff, diesmal wieder ein „Plattenbau“, die italienische Costa Firenze mit einem Fassungsvermögen von gut 4.000 Passagieren. Die latschen jetzt wohl alle in Stavanger rum – aber das verläuft sich. Aber es ist schon mächtig, wie das Schiff da am Kai alles überragt. Da helfen auch die Kanonen von Vizeadmiral Thore Horve nicht.

Nur wenige Gehminuten von unserem Platz sind wir schon in Gamle Stavanger, der wirklich überaus bezaubernden Altstadt mit ihren liebevoll herausgeputzten weißen Holzhäusern.

Beim Geocachen

Die 170 Holzhäuser aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert waren nach dem 2. Weltkrieg in einem bemitleidenswerten Zustand und man hatte vor, ihn komplett abzureißen und neu zu bebauen. Es war nur einem Mann zu verdanken, dass das nicht umgesetzt wurde, Einar Hedén, damals Stadtarchitekt, konnte das Stadtparlament 1956 davon überzeugen, die Altstadt zu sanieren statt abzureißen.

Stavanger erlangte vor allem in den 1800er Jahren Bedeutung als „Heringsstadt“ und noch mehr Ende des 19. Jahrhunderts, als hier Norwegens erste Konservenfabrik gegründet wurde. Zur Zeit des 1. Weltkriegs produzierten um 50 Konservenfabriken 70 % des norwegischen „Dosenfutters“. So gilt der Dosenöffner als heimliches Wahrzeichen der Stadt. Es waren übrigens nicht die Norweger, die beides erfunden haben. Die Konservendose aus Metall ließ sich der Engländer Peter Durand 1810 patentieren. Man musste diesen Dosen allerdings mit schwerem Gerät beikommen – mit Hammer und Meißel – um sie zu öffnen. Erst in den 1850er Jahren wurden spezielle Geräte zum Dosenöffnen erfunden und 1858 in England und in den USA patentiert. Aber das nur nebenbei.

Den richtig großen Aufschwung erlebte Stavanger dann ab den 1960er Jahren: Die Stadt wurde zur ersten Ölmetropole Norwegens, nachdem man vor der Küste bei Probebohrungen auf Erdöl gestoßen war. Davon berichten wir später noch etwas mehr.

Dann geht es runter zum Hafen, der ganz beschaulich mit seinen bunten Häusern daherkommt.

Allerdings dominiert auch hier wieder die Costa Firenze das Bild. Das riesige Schiff liegt da wie ein eigener Stadtteil! Die Kreuzfahrtschiffe sind Fluch und Segen zugleich. Sie bringen Umsatz, aber auch Hektik in die Stadt. Wo man auch hinschaut – immer ist so ein Pott im Bild. Oder auch zwei, ja sogar bis zu vier gleichzeitig! Hier liegen tags drauf zum Beispiel zwei Aidas und die Viking Jupiter.

Uns stören sie übrigens nicht wirklich, doch das kann ja noch kommen, denn die schwimmenden Kleinstädte werden uns auf unserer Reise begleiten. Vielleicht wird man ihrer irgendwann überdrüssig. Aber wie man auf den Bildern sieht: So ein Schiff verkraftet die Stadt ganz gut, es ist wirklich nicht überfüllt!

Braunkäse Gulbrandtalsost

Am Donnerstag besuchen wir das Norwegische Ölmuseum. Hier erfährt man alles über die Erdölförderung in Norwegen, Geschichte, Technik, Erfolge und Rückschläge, gesellschaftliche Auswirkungen und auch einen vorsichtigen Ausblick auf die Zukunft im Zeichen der Klimakrise (das Wort Klima“wandel“ will ich nicht mehr benutzen, das klingt mir zu harmlos).

Die Architektur soll Grundgebirge, Kontinentalschelf und die Ölbohrinseln symbolisieren (von rechts nach links)
Von der anderen Seite.

In den 1960er Jahren begann man, in der Nordsee ernsthaft nach Ölvorkommen zu suchen. Als man kaum noch an den Erfolg glaubte, wurde im Oktober 1969 mitten in der Nordsee auf norwegischem Terrain das Ekofisk-Ölfeld entdeckt, bis heute eines der größten offshore-Vorkommen. Weitere Lagerstätten folgten, wie 1979 das riesige Trollgasfeld. Dort steht die größte Bohrinsel der Welt. Norwegen wurde quasi über Nacht zu einem der reichsten Industrieländer. Ein staatlicher Fonds verwaltet die gigantischen Überschüsse aus der Eröl und -gasindustrie für spätere Generationen.

Interessant ist natürlich, wie Norwegen sich angesichts der Klimakrise positioniert: Einerseits pflegt man ein grünes Image, verbietet ab 2025 neue Verbrennerautos und produziert 98% des Stroms aus Wasserkraft. Andererseits werden die Öl- und Gasförderung und der Export weiter vorangetrieben, bis hinauf in den hohen Norden in der Barentssee.

Am End scheinen die Norweger sich das so vorzustellen: Mit Windkraft wird Strom produziert, damit stellt man grünen Wasserstoff her. Außerdem fördert man weiter fleißig Erdgas, trennt es in („blauen“) H2 und CO2 und verpresst das CO2 dann in die ehemaligen Öl- und Gaslagerstätten im Kontinentalschelf.

Wie können uns nicht helfen: Das kommt uns zu einfach vor. Wir können doch nicht die Erde mit CO2 „aufpumpen“ und glauben, das bleibt da drin und richtet keinen Schaden an.

Nach so viel Wissen schlendern wir zum Abschluss durch die bunteste Straße Norwegens, die Ovre Holmegate.

Und wir schauen der AIDA nova bei der Abfahrt zu. Majestätisch gleitet sie in der Spätnachmittagssonne fast lautlos aus dem Hafen.

Laut Wikipedia wird der Pott von 2 Elektromotoren angetrieben – dann hätte er seine Aufschrift „green cruising“ und den hinten aufgebappten blauen Umweltengel wirklich verdient.

Abgekanzelt

Wetter passt!

Am Freitag, den 2. Juni, ist der Tag gekommen, vor dem ich etwas Bammel habe: Die Wanderung zum Preikestolen steht auf der ToDo-Liste. Ein, wenn nicht DAS must do in Norwegen, auf jeden Fall unter den Top 10 Sehenswürdigkeiten ganz oben. Und natürlich auch auf unserer bucket list (das war jetzt aber viel englisch 🙃).

Der Preikestolen ist eine recht ikonische Felsformation, die sehr spektakulär aus ihrem Berg herausragt – living on the edge, um noch mehr Englisch zu bemühen. Der Name bedeutet „Predigerstuhl“ oder „Kanzel“.

Und warum hab‘ ich Bammel: Nun, weil diese Kanzel mal locker in 600 m Höhe hängt und man hier in Norwegen immer ziemlich weit unten losmarschiert. Das macht dann mit auf und ab zusammen 500 Höhenmeter auf 4 Kilometer Strecke und das ist für mich schon arg. Dazu kommt, dass wir ein Zeitlimit haben, denn wir machen eine 9-stündige Kombitour cruise and hike:

Mit dem Boot (ein großer Katamaran mit Elektroantrieb) in den Lysefjord bis unter den Preikestolen, dann ein Stück zurück und umsteigen in den Bus. Der setzt uns gegen 13 Uhr am Wanderparkplatz ab (am „Basecamp“!) und dann haben wir Zeit, bis um 18:15 Uhr der letzte Bus zurück nach Stavanger fährt.

Wie happig das nun wirklich ist – das muss ich selber rauskriegen. Die Norweger stufen die Tour als „moderat“ ein, komoot als „schwer“. Aber Feigheit vor dem Berg gilt nicht und ich will es zumindest versuchen!

Aber zuerst kommt der unanstrengende Teil: Ganz leise gleitet das große Boot durchs Wasser, vorbei an Lachsfarmen, schweineteuren Sommerhäusern und putzigen Leuchttürmchen auf Inselchen.

Schließlich biegen wir ab in den Lysefjord, wo uns das bzw. die animals of the day erwarten: Ziegen, die das Boot schon erwarten, denn es legt kurz an und lädt Futter oder Leckerli ab.

Ziegen in Erwartungshaltung – gleich geht’s im Galopp runter zum Futtertrog

Wir machen das notorische Foto „Preikestolen von unten“: Da isser, das fast quadratische Klötzchen oben in der Bildmitte. Und wenn man gaaanz genau hinschaut, kann man winzige Menschen am Rand erkennen 😨.

Da geht es also rauf – natürlich nicht von hier, sondern von hinten – siehe Bild oben.

Ein eher flaches Stück Weg
Steile Stufen in den drei Anstiegen

Die langen, steilen Natursteintreppen wurden von nepalesischen Sherpa* angelegt, mir wären Hobbits lieber gewesen, die hätten die Stufen nicht so hoch gemacht 😜.

*Besserwisseranmerkung: Sherpa sind keine „Träger“ oder Lastenschlepper, sondern ein ehrwürdiges nepalesisches Volk. Edmund Hillary hatte Angehörige der Sherpa als Träger angeheuert, seither wird der Name oft fehlgedeutet.

Hochplateau vor dem letzten Kilometer zum Ziel

800 Meter vor dem Ziel klinke ich mich nach gut zwei Stunden um 15:15 Uhr aus: Mir langt’s 🥵. Mit Pause bleibt mir dann ungefähr genauso lange für den Abstieg und vor dem hab ich mords Respekt. Ist ja oft so: Hoch ist anstrengend für die Lunge und runter für die Muskeln. Sowieso bringen mich keine 10 Pferde an den Rand des Preikestolen, nicht mal in die Nähe! Ich setze mich also gemütlich etwas abseits des Wandervolks, futtere meinen Proviant, genieße die Aussicht und strecke die Beinchen aus.

Volker geht natürlich weiter, für ihn ist das ja ein Klacks und schwindelfrei ist er auch. So hat jeder sein Highlight.

Mein Held!

Auf dem Rückweg bleibt dann doch mehr Zeit als gedacht und ich bleibe öfters stehen, schaue mich um (beim Gehen unmöglich, man muss wirklich ständig auf die Füße gucken, sonst war’s das) und mache noch ein paar schöne Fotos von der beeindruckenden und sehr unterschiedlichen Landschaft: Wald, offenes Gelände und Moor.

Bergsee nach dem 3. Aufstieg
Holzsteg durch’s Moor

Überhaupt nimmt man rückzus ja doch ganz andere Dinge wahr, als beim Aufstieg. So zum Beispiel diesen herrlichen Blick:

Ungefähr auf der halben Strecke holt Volker mich ein und wir gehen den Rest gemeinsam runter. Es geht dann doch schneller als gedacht und um 17:15 sind wir wieder im Basecamp.

Der Bus bringt uns durch den längsten Autotunnel der Welt, den 17 km langen Ryfylke-Tunnel zurück in die Stadt und wir gönnen uns im Fisketorget am Hafen ein leckeres Abendessen.

Das haben wir uns verdient, vor allem ich!

Ein Kommentar

  1. Mei scheeee! Auf dem Preikestolen waren wir letztes Jahr auch, beeindruckend dort oben. Und so ein tolles Wetter! Ich hatte allerdings mein „P“ dabei 😁 viel Spaß weiterhin!

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