Lauresham und Kloster Lorsch
Sonntag, der 4. Oktober 2020
In der Nacht stürmt es reichlich und Böen rütteln immer wieder den HoGo hin und her. Morgens sieht es nicht viel besser aus, dazu prasseln noch Regentropfen aufs Dach 😑🙁. Da mögen wir nicht noch mal runter in die Stadt gondeln. Nach dem üblichen Check: Schubladen zu, Luken dicht, Gas aus, Hubstützen hoch, Wasserpumpe aus …) düsen wir los gen Süden-Osten.
Einen klitzekleinen Zwischenstopp legen wir zu Hause ein und versorgen uns mit 🔦💡🔦für den Nachtcache am Montag. Hatten wir vergessen 🙈.
Dann aber fix weiter nach Lorsch. Unterwegs hat Volker dort 2 Führungen in der Welterbestätte gebucht, eine im Freilichtlabor Lauresham, eine auf dem Klostergelände selbst.
Auf den letzten Drücker stellen wir das WoMo auf dem dafür gedachten Stellplatz der Stadt Lorsch ab und eilen die letzten 900 Meter zum Besucherzentrum. Uff, gerade so geschafft.
Ein sehr fachkundiger Mitarbeiter der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Burgen zeigt und erklärt uns, wie die Menschen zur Zeit Karls des Großen auf einem Herrenhof gelebt und gearbeitet haben. Das ist mehr als „nur“ ein Freilichtmuseum, hier wird durch Wissenschaftler unterschiedlicher Fakultäten geforscht: Experimentalarchäologie.
Was wir sehen, muss dabei nicht zwingend den tatsächlichen Zustand aufzeigen, aber es könnte so gewesen sein. Es ist nur wenig aus karolingischer Zeit (8./9. Jhdt.) überliefert, keine Gemälde, keine Holzbauten, so gut wie keine Schriftstücke. Und erst recht nicht von einem Bauernhof.
Überliefert ist indes das Prinzip der frühmittelalterlichen Grundherrschaft: Die Bauern waren an das Land gebunden und mussten ihrem Herrn dienen. Wurde Land verschenkt oder verkauft, so wurden die Menschen mit veräußert. Auch wenn man das offiziell nicht Sklaverei nennt – die Ähnlichkeit ist unübersehbar! Auf dem Modellhof Lauresham „lebten“ 25 bis 30 leibeigene Arbeiter und der Gutsherr mit seiner Familie.
zupfen kämmen prüfen Spindel spinnen gefärbt
Nach 2 informativen Stunden gehen wir rüber zum Kloster Lorsch – bzw. zu dem, was davon übrig ist: Ein gutes Stück Mauer, ein Kirchenfragment und die berühmte Königshalle, alles erbaut auf einer eiszeitlichen Flugsanddüne.
Um 16 Uhr erklärt uns eine junge Historikerin dort die geschichtlichen Zusammenhänge und Hintergründe. Das macht sie ganz klasse, man merkt ihre Begeisterung für das, was sie uns erzählt!
Das Kloster beruht auf einer Stiftung einer reichen Adelsdame und ihres Sohnes im Jahr 764. Sie lassen in der Nähe der heutigen Anlage die Abtei Altenmünster errichten und schenken es ihrem Verwandten Chrodegang, dem Abt von Metz. Seine Benediktinermönche sollten fürderhin für das Seelenheil der Stifter beten, eine probate Methode um die Verweildauer im Fegefeuer zu verkürzen.
Chrodegang ist ein echter A-Promi der frühmittelalterlichen Kirchenszene, seinerzeit einziger Erzbischof nördlich der Alpen. Damit rückt auch Lorsch ins Rampenlicht, vor allem nachdem Chrodegang in Rom die Reliquien des Hl. Nazarus für sein neues Kloster organisiert. Dessen Überreste führten zu einem regen Bittsteller-Tourismus, denn die Anrufung eines Heiligen galt als Allheilmittel gegen jedwede Beschwer. Besonders hilfreich zeigt sich der Heilige, wenn man ihm Geschenke darbrachte, nicht etwa Kleingeld oder Blümchen, nein es muss schon etwas mehr sein: So bringt es das mittlerweile auf die Düne umgesiedelte Kloster in den ersten 10 Jahren nach seiner Gründung schon auf mehr als 3.000 Schenkungen und Besitzländereien von der Nordseeküste bis in die Schweiz!
Das ruft Neider auf den Plan und man streitet, wem denn nun das Kloster (und seine Erträge!) gehört: Der Kirche oder der Stifterfamilie? Darüber entscheidet im Jahr 772 niemand geringerer als der Frankenkönig Karl der Große: Er spricht das Kloster den Benediktinern zu, die es ihm kurz darauf schenken. Im Kloster Lorsch gilt das ora et labora nun für König und Dynastie, dafür steht es unter herrscherlichem Schutz. Daneben gilt es Abgaben zu leisten, militärische und diplomatische Leistungen zu erbringen, den Herrscher und seine Gesandten unterzubringen. So ein Königskloster ist alles andere als ein kontemplativer Ort von Gebet und Besinnung, sondern ein knallharter Wirtschaftsbetrieb mit hohem politischen Einfluss und Macht.
Das wird unterstrichen durch zahlreichen hohen Besuch ( Karl der Große selbst 774, sogar ein Papst war mal da) und die Wahl einiger bedeutender Herrscher, sich hier bestatten zu lassen: Ludwig der Deutsche, der Enkel Karls des Großen, dessen Sohn und Enkel, allesamt deutsche Könige im 9. Jhdt.
Doch nothing lasts forever, das Kloster verliert an Einfluss, Ländereien werden als Lehen weggegeben und die Benediktiner werden durch „modernere“ Mönchsorden abgelöst, Zisterzienser und Prämonstratenser.
1229 verliert Lorsch seine Immunität, das heißt es ist nun nicht mehr dem König unterstellt, fällt 100 Jahre später an Kurmainz, wird von diesem an die Kurpfalz verpfändet und schließlich 1564 durch deren protestantischen Landesherrn Ottheinrich säkularisiert. Der 30-jährige Krieg machte dem Kloster dann endgültig den Garaus: Spanische Truppen verwüsten 1621 die Klosteranlage, die dann über viele Jahrzehnte als Steinbruch für die gesamte Region dient.
Übrig bleibt ein Stück mittelalterliche Klostermauer, ein Kirchenfragment und die prachtvolle Königshalle, die ungefähr auf das Jahr 900 datiert wird. Wozu sie bestimmt war, weiß man nicht mit Sicherheit, die Forscher vermuten, dass es ein Gerichtsgebäude war, unten für öffentliche Verhandlungen, oben für geheime. Es ist jedenfalls ein aufwendig repräsentativer Schmuckbau, eines der ganz wenigen Bauwerke, die aus dem frühen Mittelalter erhalten sind.
Daneben blieben Schriften der Klosterbibliothek erhalten, das Lorscher Arzneibuch und der Codex Laureshamensis, der Lorscher Codex, ein Ende des 12. Jahrhunderts erstelltes umfangreiches Manuskript der Klostergeschichte, mit Äbteverzeichnis und 3.800 dokumentierten Schenkungen. In diesen werden zahlreiche Orte das erste Mal urkundlich erwähnt, der Codex ist also so was wie ein mittelalterliches Grundbuch.
1991 wurde das Kloster Lorsch als eines der bedeutendsten Relikte vorromanischer Baukunst, das über die Jahrhunderte hinweg sein ursprüngliches Aussehen bewahrt hat, zum UNESCO-Welterbe erhoben. .
Vollgestopft mit diesen Informationen marschieren wir gegen 17.30 Uhr zurück zum Stellplatz und widmen uns nun kulturell weniger hochwertigen Beschäftigungen: Kochen, Essen und Tatort gucken. Auch schön 😊😋😊!
Bei Fe und Abi müssen wir uns wohl entschuldigen, dass wir uns nicht gemeldet haben, aber es blieb einfach keine Zeit.