Dienstag, 1. August 2023
Es ist nun wirklich nicht weit von Tornio nach Katmandu – ähh Haparanda, aber sprachlich sind es Welten! Kaum sind wir über die Grenze, versteht man wieder die Straßenschilder, Plakate und Reklame! Und damit es auch jeder kapiert, hat der alte Schwede direkt an der Grenze sein Markenzeichen aufgestellt: den großen Möbelmarkt mit dem kleinen Sechskant-Inbus.
Da es hier bis auf die Grenzlage nichts wirklich Bemerkenswertes gibt, fahren wir auf der E4 glatt durch. Die Zeit bis zu unserem Tages-Besichtigungsziel vertreiben wir uns mit Geocachen. Da sind heute ein paar nette dabei.
Bei der Gelegenheit wird für Volker endlich eine der Kardinalfragen seiner frühen Jugend beantwortet! Immer ist er mit mit Vattern auf dem Motorboot rumgeschippert, aber nie über Bornholm hinausgekommen. Aber wie sieht es am Ende des Boddens, des bottnischen Meerbusens aus? Diesen blinden Fleck, die Lücke im Weltbild, hat der Mann nun lange genug ertragen müssen! So sieht es aus:
Gegen 14 Uhr erreichen wir Gammelstad, den historischen Ortskern der heutigen Hafenstadt Luleå. Als der Ort im 14. Jahrhundert entstand, lag er im Mündungsbereich des Flusses Lule älv und hatte einen bedeutenden Hafen, der aber Mitte des 17. Jahrhunderts versandete. Grund ist wieder einmal die uns nun hinlänglich bekannte postglaziale Landhebung, die genau hier in ganz Skandinavien am stärksten war. 1 Zentimeter pro Jahr, 1 Meter in einem Jahrhundert. Da kommt über die Jahre schon was zusammen. Man gab die Siedlung auf und zog mit Mann und Maus ans Meer.
Zurück blieb die große Kirche aus dem 14. Jahrhundert und um sie herum, die kyrkstad, das Kirchendorf.
Die Kirchengemeinden (socken) in Mittel- und Nordschweden waren riesig, hier zeitweise bis zu 90.000 km2, größer als Österreich! Die Menschen kamen nur zu besonderen Anlässen von weither angereist und blieben dann, um Angelegenheiten zu regeln oder Handel zu treiben. Wer konnte, baute sich ein Häuschen in der kyrkstad, dies war Landbesitzern vorbehalten und man musste auch weit genug weg wohnen. Über 400 kleine Holzhäuschen wurden hier errichtet, und sie sind alle noch erhalten!
Dazu kamen ein oder mehrere Vorratshäuser, ein Gasthaus und natürlich auch die Häuser der ständigen Einwohner und was die so brauchten. Es gab Stallungen für die Pferde oder Vieh, die sind aber bis auf wenige abgerissen worden, als man sie im 20. Jahrhundert wegen neuer Verkehrsmittel nicht mehr brauchte oder sie wurden im WW II als Brennholz verfeuert.
Und weil das alles hier so prächtig erhalten ist, wurde es 1995 in das Welterbe der UNESCO aufgenommen. Damit geht aber hier keiner hausieren, es ist alles sehr unaufdringlich, entspannt und gemütlich. Und komplett for free!
Man kann auch einen Blick hinter die schwedischen Gardinen 🤡 werfen: Die Hütten sind liebevoll mit alten Dingen eingerichtet. Aber ab und an entdeckt man einen elektrischen Wasserkocher oder das Spiel des Jahres 2005: Die Hütten dienen immer noch Besuchern als Unterkunft und auch Konfirmanden wohnen zeitweise hier für den Unterricht.
Toiletten gibt es in den Häuschen nach wie vor keine, doch einige Hütten sind zu Toiletten/Bädern für die Bewohner umgebaut.
Wir schauen uns zum Schluss noch im angrenzenden kleinen Museumsdorf um:
Der Hit des Museumsdorfs ist eindeutig dieses Etablissement:
Das überhaupt nicht stille Örtchen war ein gesellschaftlicher hotspot: Hier traf man sich und konnte ungestört über wichtige und unwichtige Dinge reden. Zumindest zu dritt.
Sehr zufrieden mit dem Besuch dieses besonderen Ortes fahren wir noch ein Stück weiter nach Öjebyn in der Nähe von Piteå, einem beliebten Ferienort. Wir suchen uns einen netten kleinen Campingplatz am Ufer des hiesigen Flusses, der sinnigerweise Piteälv/en heißt. Das ziehen die hier durch, die Schweden, und benennen ihre Flüsse konsequent nach dem Ort an der Mündung. Oder umgekehrt den Mündungsort nach dem Fluss. Praktisch! Wenn ich da an Memmingen denke 🙄 (siehe 2020).
Es ist mal wieder Regen angekündigt, da genießen wir heute noch ein wenig die Wärme und hängen zusammen mit der nassen Wäsche von gestern in der Sonne ab.
Das Universum scheint mit uns zufrieden zu sein und schenkt uns einen goldenen Sonnenuntergang.
Nur die Wäsche muss im HoGo nachsitzenhängen.
Übrigens wird es schon wieder richtig dunkel! Wir sind halt etwa 7 Wochen über die Sommer-Sonnwende hinaus. Die Tage werden merklich kürzer, auch hier am 62. Breitengrad. Es ist aber schon verrückt: Vor gerade mal 9 Tagen haben wir am Nordkapp auf die Mitternachtssonne gehofft und jetzt ist hier richtig Nacht! Piteå