Wir verlassen den superschönen CP in Rosendal in Richtung Bergen. Unterwegs wird noch getankt und im Biltema-Baumarkt zwei Kanister AdBlue gekauft (das kostet an der Tanke das dreifache!). Ach ja: Wir überqueren kurz hinter Rosendal den 60. Breitengrad. So weit nördlich waren wir noch nie!
Gegen 13 Uhr kommen wir in Bergen am empfohlenen Stellplatz an: alles rappelvoll. 30 ausgewiesene Parkplätze vor einer Eissporthalle – das ist alles, was die zweitgrößte Stadt Norwegens ihren WoMo-Gästen zu bieten hat. Es gibt für Camper keine anderen offiziellen Parkmöglichkeiten! Und ob man nun über Nacht bleiben will oder nur ein paar Stunden: Bezahlen muss man 300 NOK (25 Euro) für 24 Stunden. Ach ja: Das Ganze liegt auch noch 7 km vom Stadtzentrum. Das ist schon ein schwaches Bild, das Bergen da abgibt.
Es ist wie gesagt alles voll, bis auf den ersten Platz vor dem Halleneingang. Der ist mit einem gelben Betonpömpel blockiert. Volker ruft bei der im Park4night angegebenen Telefonnummer bei der Stadt an und bequatscht 2 Angestellte so lange, bis sie ihm erlauben, den Pömpel wegzuräumen 😂. Gesagt – getan! Da stehen wir!
Nun aber! Wir laden die Fahrräder ab, denn 4 x 40 NOK für die Stadtbahn wollen wir nicht auch noch ausgeben. Google Maps führt uns auf verschlungenen Wegen – von Fahrradwegen mag man nicht sprechen – in einer knappen halben Stunde ins Zentrum. Geschafft!
Nach dem Motto save the best for last, spazieren wir erst einmal am „zugeparkten“ Hafen entlang durch das Viertel Nordnes bis vor zur Spitze der Halbinsel.
Dort erwartet uns ein kleiner Park, ein schöner Blick, ein Geocache und ein Marterpfahl – nein, natürlich nicht, das ist ein Totempfahl, ein Geschenk der Stadt Seattle (warum auch immer).
Auf dem Rückweg spazieren wir erst durch ein Gebiet mit wunderschönen Steinhäusern, danach durch schmale Gassen mit den wohlbekannten Holzhäuschen.
Auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Freundin statten wir danach dem Julehus einen Besuch ab.
Ja ist denn schon Weihnachten? Oder immer noch? Beides vermutlich, wenn man sich das „Kugellager“ im Julehus so anschaut 😂. Und wenn meine 5 Wichtelberte zu Hause diese Wikinger-Wichtelin => sehen könnten, würden sie bestimmt durchdrehen
Danach haben wir ein Kaltgetränk vor der malerischen Kulisse der Holzhäuser am Hafenkai wirklich nötig. Die Preise sind gar nicht mal so unverschämt, ein Bier für 9 Öcken ist moderat 🙄, das bleifreie Weizen gibt es für 6,50.
Früher nannte man das hier Tyske Bryggen, den Deutschen Kai. 1360 eröffneten in Bergen nämlich deutsche Hanse-Kaufleute eine Niederlassung, ein Hansekontor. Die Hanse war eine sehr einflussreiche Händlervereinigung, die über Jahrhunderte den Handel in Europa bestimmte. Heute würde man das vielleicht ein Kartell nennen oder eher ein riesiges Franchise, denn die Händler waren schon eigenständige Kaufleute. Eine „richtige“ Hansestadt wie Hamburg oder Lübeck war Bergen aber nie, es gab zwar das Kontor, aber die Stadt als Ganzes hatte sich nicht der Hanse und deren Regeln angeschlossen.
Die „Kontore“ umfassten Büros, Warenlager, auch Versammlungs- und Verhandlungssäle sowie Bankhäuser und sie befanden sich direkt am Hafenkai, dem Bryggen. Eins neben dem anderen erstrecken sie sich 30 Meter weit nach hinten, immer ein Anbau am nächsten, getrennt durch schmale Gänge.
Das ist natürlich nicht nur einmal abgebrannt (zuletzt 1916 und 1955), wurde aber immer wieder originalgetreu aufgebaut und sieht daher heute noch so aus, wie im 14. Jahrhundert. Deshalb wurde Bryggen als Beispiel hanseatischer Baukunst in Norwegen durch die UNESCO 1979 zum Weltkulturerbe ernannt.
Es ist wirklich faszinierend, durch diese schmalen Gänge zwischen den Holzhäusern durchzugehen, finster ist es und eng und man fühlt sich irgendwie aus der Zeit genommen,
Wir gehen weiter bis zur Festung Bergenhus, eine der ältesten und am besten erhaltenen Festungen Norwegens. Ehrlich jetzt: Viel macht sie nicht her, da hat selbst die Zitadelle in Mainz mehr zu bieten, geschweige denn sowas wie Ehrenbreitstein oder Neuf-Brisach – beides haben wir auf unserer Rhein-Radtour 2018 besichtigt. Aber nun denn, andere Länder, andere Festungen. In dieser hier bzw. von ihr aus, wurde auch nur einmal gekämpft, als 1665 englische Kriegsschiffe eine niederländische Handelsflotte im Hafen von Bergen überfielen. Ganz ähnlich wie in Kristiansand – scheint in Norwegen üblich zu sein 😂.
Jetzt haben wir aber Hunger! Nichts liegt – im wahrsten Sinn des Wortes – näher als der Fisketorget, der Fischmarkt.
Der ist nämlich gleich um die Ecke und bietet alles, was das Meer vorrätig hat. Inklusive Wal 😣, da kennt er nix, der Norweger. Jährlich sind 1000 bis 1300 Zwergwale, eine „kleine“ Walart, 7 bis 10 Meter lang, zum Fang freigegeben; etwa die Hälfte davon werden gefangen, getötet und das Fleisch zum Verzehr verarbeitet. Ich werd’s wohl aus Prinzip nicht essen, Volker will es mal probieren. Heute gibt’s aber Fish & Chips ohne Meeressäuger.
Und dann kommen wir, wieder im wahrsten Sinn des Wortes, zum Höhepunkt des Tages: es geht mit der Floybanen auf einen der Hausberge Bergens, den Floyen.
Die Standseilbahn bringt uns in 10 Minuten 300 Meter hinauf und natürlich hat man von hier oben einen herrlichen Blick über Stadt und Landschaft! Es ist ca. 22 Uhr und das Licht wird sanft und golden. Dazu herrscht trotz der vielen Menschen eine schöne, ruhige Stimmung hier oben.
Mit der schönen Stimmung ist es eine halbe Stunde später vorbei, als die Floybanen eine Horde Schüler:innen ausspuckt, die lauthals die Aussichtstreppe stürmen. Wir suchen das Weite und fahren den Nerobersch von Bergen wieder runter.
Für den Heimweg nehmen wir den nagelneuen Sykkelvei, den die Dame in der Touri-Info Volker angepriesen hat wie warmes Bier. Sogar ein Tunnel nur für Fahrradfahrer habe die neue Strecke. Nun, die Dame hat nicht übertrieben, da wird ja selbst der Holländer neidisch, so eine geile Fahrradstraße haben sie da gebaut! Da macht die Heimfahrt richtig Spaß und geht ganz fix.
Zum Schluss noch 2 Bilder off the record.
Das erste ist für Abi 💗, das zweite ein Beispiel für norwegischen Humor 😂.