Must see: Honfleur

Mittwoch, 4. Juni 2025: Im schönsten Küstenstädtchen der Normandie

Normandie-Reiseführer überschlagen sich geradezu mit Superlativen, wenn es um Honfleur geht: Highlight, Juwel, Schmuckstück, pittoresk, charmant und malerisch. Letzteres trifft hier ganz besonders zu, denn im 19. Jahrhundert kamen romantisch veranlagte Maler zu hauf nach Honfleur – Monet, Courbet, Cezanne und Renoir – um nur die zu nennen, die ich kenne. Und einen indigenen Maler hat es auch, Eugène Boudin wurde 1824 hier geboren und hat posthum natürlich auch ein Museum bekommen.

So viele Vorschusslorbeeren, erst recht auf touristischen Seiten, machen mich eher skeptisch, aber selbst Wikipedia kommt ein kleines bisschen ins Schwärmen. Also schaun’n mer mal. Immerhin hat Honfleur den großen Vorteil, dass es im 2. WK nicht zerbombt wurde. Und 4 Millionen Besucher pro Jahr können sich nicht irren.

Trotz der Warnungen und Besorgnisse der „Stellplatzfrau“ Linda (zu kalt, zu nass, zu steil, zu weit 🤣) machen wir die Fahrräder startklar und radeln schon in den frühen Morgenstunden los (also um Viertel nach 9 🤭).

Ich erkläre Linda, dass wir in Deutschland sagen: „Wir sind nicht aus Zucker“, wenn das Wetter schlecht ist. Linda meint darauf nur, sie sei sehr wohl en sucre 😂.

Es geht in natura viel steiler runter als man auf dem Bild sieht

Einen richtigen Fahrradweg ins ca. 10 km entfernte Honfleur gibt es nicht, und angesichts des vom Navi empfohlenen Abstechers auf eine Nebenroute bin ich froh, als wir wieder auf der D62 sind. Der Verkehr hält sich in Grenzen.

Kurz vor Honfleur machen wir Halt und bewundern zunächst die Aussicht über die Seinemündung auf den Seehafen von Le Havre, ein imposanter Anblick.

Ein paar hundert Meter weiter kommen wir direkt an den endlos langen und breiten Sandstrand (ist natürlich mal wieder Ebbe für mich). Endlos ist so um die 5 Kilometer, aber jedenfalls ist es weiter als man gucken kann.

Und kurz drauf stehen wir schon mitten in der Altstadt und der erste Blick bestätigt: Honfleur ist wirklich ein überaus malerisches Städtchen.

Das Herzstück der Stadt, Le vieux bassin, das alte Hafenbecken
Bis zu 7 Stockwerke hoch sind die Häuser, dafür ziemlich schmal, ein Steuersparmodell, das nach der Grundsteuerreform vielleicht auch bei uns in einigen Bundesländern wieder attraktiv wird: Es zählt nicht was drauf steht, sondern nur die Grundfläche wird besteuert.

Als Fischerdorf würden wir es aber nicht bezeichnen (wenn auch heute noch gefischt wird). Die stattlichen Häuser um das alte Hafenbecken sind alles andere als Fischerhütten und zeugen vom Reichtum der Hafenstadt, in der in recht großem Maßstab Handel mit Kabeljau und Salz betrieben wurde.

Von den mittelalterlichen Befestigungsanlagen ist nichts mehr zu sehen, die Stadtmauern nutzte man ab dem 17. Jahrhundert als Baumaterial für die Stadtvergrößerung. Übrig geblieben ist die Lieutenance, ursprünglich aus dem 14. Jahrhundert (Karl V.) aber zig mal umgebaut und erweitert. Von 1684 bis zur Revolution residierte hier der Statthalter des Königs.

Von Honfleur aus stach 1608 Samuel de Champlain nach Kanada in See, ein Multitalent als Seefahrer, Forschungsreisender, Soldat, Kolonisator, Geograph, Schriftsteller, Architekt, Kartograph und bis an sein Lebensende Statthalter bzw. Kommandant von Neufrankreich.  Er gründete die Stadt Quebec, wo er auch 1635 starb. Herrn Champlain gedenkt man indes hier nur mit einer kleinen Büste nebst Tafel am Torbogen der Lieutenance (im Bild oben rechts).

Noch herrscht hier die Ruhe vor dem (Mittags-) Sturm

Wir begeben uns in das Getümmel der Gassen und Gässchen zur Kirche St. Catherine. Da ist grad Markt und nun sieht man auch, dass doch ganz schön Betrieb ist. Es stehen auch überall Touristengrüppchen mit Guides herum. Ich will nicht wissen, wie das hier am Wochenende aussieht!

Der freistehende Glockenturm von St. Catherine
Doppelhaushälften mit Anbau: die Zwillingsschiffe

Die Kirche ist ein absoluter Hingucker! Sie wurde Mitte des 15. Jahrhunderts von Schiffszimmerleuten ganz aus Holz erbaut. Sie hat zwei Schiffe und die sehen von innen auch wirklich aus wie auf dem Kopf stehende Schiffsrümpfe.

Die aktuelle Deko mit dem Flaggenalphabet ist der 164sten Fête des Marins am kommenden Pfingstfest geschuldet. Dafür schmücken auch zwei Frauen schon Schiffsmodelle und Heiligenfiguren, die dann per Prozession hoch zur Kapelle Notre Dame de Grâce getragen werden. Dort bittet man zu Heiligen Jungfrau und – wie könnte es anders sein, zur Hl. Therese von Lisieux. Die kurbelt auch hier unten schon den Umsatz an Votivkerzen tüchtig an.

Nach der Kirchenbesichtigung wird es Zeit, uns am Kai einzufinden, wir haben uns nämlich Tickets für eine kleine Hafenrundfahrt besorgt. Vorher falle ich aber mit großem Entzücken zuerst in einen Salzladen ein (Beute: ein Tütchen Malabar-Pfeffer für 10 Euro 80) und gleich nebenan in einen Laden der normannische Karamelbonbons vertickt (Beute um die 300 Gramm, Preis 🫣🫢). Die machen das geschickt: Man kann sich mit einem Schäufelchen selbst bedienen, erst an der Kasse wird gewogen und man erfährt, was es denn kostet!

Dann steigen wir in die Schaluppe mit dem exotischen Namen Calypso, die uns zwar kein Karibikfeeling, aber interessante Fakten rund um den Hafen von Honfleur bringt. Wir erfahren dank einem ausführlichen Paper auf deutsch das Wichtigste von dem, was der Guide in rasantem Französisch so von sich gibt. Über die Fischerei (Jakobsmuscheln!), die Kreuzfahrtschiffe (wie die auf dem Rhein), die Dreh- und Hubbrücken, die Flutschleuse und und und.

Im Vieux Bassin hat man wirklich tolle Blicke auf die „Hochhäuser“ am Kai – dazu schenkt uns das Universum blauen Himmel, die für den Nachmittag angekündigte Wetterverschlechterung hat Petrus scheinbar ersatzlos gestrichen oder auf morgen verlegt.

Dieser alte Hafen ist aber auch wirklich schnuckelig, man kann sich gar nicht dran sattsehen. Und je mehr die Sonne rauskommt, um so schöner wird es.

Geocaching bringt uns dann zu einem Ort, den wir sonst wohl nicht entdeckt hätten, den Jardin Tripot, ein ganz bezauberndes, verwinkeltes und stilles Paradies mitten im Touristentrubel. Nur ein paar Schritte durch einen Torbogen und man ist in einer kleinen grünen Oase, Wasser plätschert überall, ein Jüngling schaut uns unter seinem Regenschirm hinterher, ein fast verwunschener Ort.

Eine weitere Überraschung erwartet uns im Grenier, einem der beiden Salzspeicher aus dem 17. Jahrhundert: Im Vorfeld der Feierlichkeiten der Fête des Marins sind hier eine Unmenge wunderschöner, blumengeschmückter Schiffsmodelle ausgestellt, die wir ausgiebig bewundern.

So sieht es aus, wenn die Halle leer ist

Die imposante Halle hat eine gewölbte Holzdecke, wie ein umgekehrter Schiffsrumpf. 10.000 Tonnen Salz passen in so einen Grenier! Man brauchte es früher, um den Kabeljau haltbar zu machen, den man vor der Küste von Neufundland fing – so weit fuhr man zum Fischen schon im ausgehenden 17. Jahrhundert! Die Wände schmecken noch heute nach Salz, versichert uns der freundliche Franzose am Eingang.

Next stop: Pause! Haben wir uns verdient!

Um den Calvados haben wir uns schon gestern gekümmert
Menschen, Tiere, Leuchttürme

Sehr zufrieden verabschieden wir uns von der Altstadt von Honfleur mit ihrem bunten Treiben, den Geschäften, den Straßen voller Kunst und Kitsch – nur die sogar von Wikipedia versprochenen Maler rund ums Hafenbecken hat es nicht gegeben.
Wir strampeln hoch zur Kapelle Notre Dame de la Grace, wo am Sonntag die Pfingstprozession der Seeleute hinführt. Unterwegs bappt ein uniformierter Mensch Zettel unter die Autoscheibenwischer – alles muss hier weg, freie Bahn für die Prozession.

Weil das Kapellchen die Masse an Menschen nie und nimmer fassen wird können, hat man gegenüber einen Freilichtaltar eingerichtet.

Das Kirchlein ist sehr hübsch, überall hängen Schiffsmodelle von der Decke – das haben wir in der Bretagne und in Norwegen auch schon gesehen. Eine Seefahrer-Kapelle.

Dann geht es auf den Heimweg und wir erhaschen noch mal einen schönen Blick über den Strand und vor allem auf die Pont du Normandy, die Brücke über die Seinemündung, eine der längsten Brücken Europas.

privat

Sehenswert sind auch die noblen Villen und fürnehmen Hotels, die die Straße säumen. Besonders das Ferme St. Simeon hat es mir angetan, komplett mit Schiefer verplättelt, da würde jeder Hunsrücker gelb vor Neid. Bei den Zimmerpreisen eher blass um die Nase (classique von 265 bis 520, Juniorsuite um die 1.000, Ciel du Seine bis 2.540. Frühstück geht extra, das macht dann aber auch keinen großen Unterschied mehr).

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