2. Tag: Eine unaussprechliche Schleife und Meeresboden hochkant

Dienstag, 15. September 2020

Nach einer geruhsamen aber morgenfrischen Kreuzberger Nacht und einem opulenten Frühstück mit frischen Brötchen, Bio-Eiern von Petras glücklichen Legehennen, Avocado und Tomate sind wir gewappnet für eine „kleine“ Wanderung. Klein ist relativ. Hier kommt es nun anders als bei der Kabeltrommel nicht nur auf die Länge an, sondern auch auf die Höhe. Und Höhenmeter hat es hier viele.

Nebenan bei Altenahr fließt die Ahr in einer großen Mäanderschleife um Engelsley und Teufelsloch. Da wollen wir hin.
Jedesmal, wenn wir „Ahrschleife“ sagen, müssen wir lachen. Es klingt wie Arsch-leife, probiert es aus. Das ist wohl bei den Einheimischen auch so, sie sprechen lieber vom Langfigtal.

Das Rheinische Schiefergebirge entstand nach dem Zusammenprall von Gondwana und Laurussia (-> Pangäa). Der große Rumms führte zur variszischen Orogenese, zur Auffaltung mächtiger Gebirgszüge, wo die Kontinentalplatten aufeinandertrafen. Das war vor ca. 350 Mio. Jahren. Kaum war es da, wurde das Gebirge durch das WWW – Wind, Wetter und Wasser – auch schon wieder abgetragen. Viele Millionen Jahre lagerte dann ein flaches Meer die Sedimente um und ab. Durch Druck und Hitze bildeten sich aus Sand, Schluff und Ton das harte Gestein des heutigen Rheinischen Schiefergebirges. Im großen und Ganzen war das eine flache Angelegenheit mit vielen in der Ebene mäandrierenden Flüssen. Das änderte sich vor ca. 700.000 Jahren: Das Land hob sich schnell an (fragt nicht warum genau, laut Geologie für Dummies ist die Antwort auf alles nicht 42, sondern Subduktion, also Plattentektonik), der Rhein lag in seinem Graben in geologischen Maßstäben gesprochen plötzlich sehr viel tiefer, denn der Rheingraben machte die Hebung nicht mit. Seine Nebenflüsse waren quasi gezwungen, mitzumachen: Ein viel stärkeres Gefälle ließ sie sich Schnell tief in ihre Täler einschneiden. Da blieb keine Zeit, erst noch den Flusslauf zu begradigen. Auch die Ahr blieb in ihren Mäandern gefangen und so entstanden die beeindruckenden Talschleifen. An Stellen, wo der „Hals“ besonders schmal ist, kam es auch mal zu einem Durchbruch und ein Altarm blieb zurück. Das geschieht vielleicht auch „bald“ in Altenahr: Schon heute nimmt die Ahr bei Hochwasser die Abkürzung durch den Straßen- und Eisenbahntunnel an der Engstelle am Beginn/Ende der Schleife.

Leider wird der schöne Morgen überschattet von einer sehr traurigen Meldung von Zuhause: Plötzlich und völlig unerwartet ist eine liebe Bekannte gestorben mit der vor allem Volker über den Turnverein viel Kontakt hatte. Das Leben ist manchmal echt ein Scheiß Verräter 😖. Wieder eine mehr auf der Wolke, die da noch nicht hingehört 😢.


Aber wir rappeln uns wieder zusammen und radeln ein paar Kilometer ahraufwärts zum Startpunkt der Wanderung in Altenahr. Unterwegs zwei Earthcaches, die uns die Geologie der Gegend näher bringen: Türkisfarbene „Mariensteine“ sind Relikte der Eisenverhüttung aus dem 16. Jahrhundert und die Cloos-Falte sei gar eines der bemerkenswertesten geologischen Naturdenkmäler Europas.

Na wenn das man stimmt. Immerhin wurde der Aufschluss ja nur durch den Bau der Straße freigelegt. Aber was soll‘s, er zeigt, welche Kräfte hier am Werk waren: Tonschiefer in Falten legen kann nicht jeder. Ich hab dann noch ein Handtuch-Modell gebaut:

In Altenahr werden die Fahrräder am Bahnhof geparkt und dann geht’s stramm den Bersch enuff, eine schweißtreibende Angelegenheit bei der sommerlichen Hitze Mitte September.

Ich bin ganz verzückt ob der Landschaft: genau wie im Elzwald! Auch die Ahr, die ich größer in Erinnerung hatte, sieht aus wie der Elzbach. Da kommen Jugenderinnerungen auf ☺️.

Die Kraxelei wird belohnt durch fantastische Blicke in das felsige Engtal der Ahr.

Burg Are. 2 Eisenbahn- und 1 Autotunnel. Tonsteinklippen
Schön zu sehen der Talverlauf

Da brauchst du wirklich nicht in die Ferne schweifen! Eine herrliche Landschaft.

Nach dem Teufelsloch geht es weiter mal hoch mal runter außen über das Langfigtal, bis wir schließlich hinter dem Scheitelpunkt der Schleife auf Serpentinen ganz hinab ins Tal steigen.

Während des Abstiegs unterhalten wir uns über so grundlegende Themen wir Plattentektonik auf der Venus und den letzten Ausbruch des Olympus Mons, was uns durchaus skeptische Blicke anderer Wanderer einbringt 🤣. Tja, Hauptsache man hat sich nach 37 Jahren Ehe überhaupt noch was zu sagen außer Guten Morgen und Gute Nacht 😍.

wildromantisch

Ein Highlight erwartet uns noch am Schluss, die Tonsteinklippen.

Aus der Ferne

Steil ragen sie absolut senkrecht 100 Meter in die Höhe und bieten einen schwindelerregenden Anblick.

Es ist ehemaliger Meeresboden, der da vor uns steht, man erkennt gut die Riffelung, die das flache Meer vor 300 Millionen Jahren in dem feinen Sediment hinterlassen hat, bevor es durch Hitze und den Druck überlagernder Schichten zu Stein verfestigt wurde. Faszinierend! Wider die Schwerkraft sichern Felsanker und Stahlkabel das Naturspektakel.

Aus der Nähe
Bahnhof Altenahr

Wir steigen nicht mehr zur Burg Are hinauf, sondern genehmigen uns statt dessen ein kühles Hefeweizen 0,0 am Bahnhof Altenahr, bevor es mit einem Umweg über den Penny in Pützfeld wieder zum Campingplatz zurück geht.

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