Hoch, höher, am höchsten

Auf dem Dach Norwegens

Landschaftsroute Sognefjellet

12. Juni 2023

Nach knapp drei Wochen Sonne pur in Norwegen trübt sich das Wetter heute mal etwas ein. Am Nachmittag soll es sogar etwas regnen. Justamento dann, wenn wir über das Hochgebirge Norwegens cruisen möchten. Aber was soll’s, wir lassen uns nicht entmutigen. Für die 150 km planen wir schon mal einen kompletten Tag ein; wir kennen uns: Dumpen, Einkaufen und viele, viele Viewing Points zum Anhalten liegen vor uns … das dauert.

Wir haben gestern übrigens die ursprüngliche Planung der weiteren Streckenführung bis nach Trondheim ein wenig umgekrempelt. Die Besichtigung einer der vielen Gletscherzungen des größten europäischen Festlandgletschers, dem Jostedalbreen, gehen wir nun nicht von Süden aus an, sondern verschieben sie auf später von Norden her. Neuer Plan ist der Brensdalbreen nach den Highlights Romsdal, Trollstigen und Geiranger.

Am Lusrafjord, dem letzten Ausläufer des Sognefjords

Unser erster Viewing Point führt uns zum berühmten österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951), dem Begründer des logischen Positivismus und der analytischen Sprachphilosophie. Er besaß von 1914 an hier in Skjodalen eine Ferienhütte. Die Hütte ist dann irgendwann abgebrannt und auf den noch vorhandenen Grundmauern neu errichtet worden.

Suchbild: Wo ist Wittgensteins Hütte?

Kurzer Kameraschwenk nach rechts und ein nächster ABC ist zu sehen. Es handelt sich um den Asafossen. Den schnappen wir uns. Für norwegische Verhältnisse wird uns ein „easy hike“ bis unter den Wasserfall geboten (versprochen).

Kunscht am Wegesrand

Wieder einmal mussten die nepalesischen Sherpas schuften, um für künftige Touries Stufen mit schweren Steinen zu legen. Wir kraxeln über die grob gehauenen Stufen hoch, unter umgefallenen Bäumen hindurch und über sumpfigen Boden bis direkt unter den Wasserfall.

Oben angekommen stehen wir im wahrsten Sinne in der kalten Dusche. Der Asafossen ist hier schon sehr, sehr mächtig und sehr laut.

Länger als eine Minute ist es hier ohne Regenklamotten nicht auszuhalten
Der Durchblicktwar schon mal besser

Wir fahren um die letzte Ecke des Fjords und verlassen damit die Höhe des Meeresspiegels. Jetzt ist unser HoGo gefordert, er macht es wie gewohnt mit Bravour. Nach ein paar Serpentinen wird uns ein letzter Blick in Richtung Sognefjord geboten. Noch ist alles so schön grün hier.

Nach ein paar weiteren Serpentinen wird es schon recht karg und weitaus weniger grün.

Während ich (heute schreibt Volker mal den Blog, wie vielleicht schon bemerkt wurde) mich in die Ferne schauend an der kargen Gebirgslandschaft mit Freude ergötze, blickt unsere Botanikerin Uschi zu ihren Füßen und erfreut sich mit größtem Vergnügen an der spärlichen Botanik. Wie unterschiedlich doch die Sichtweisen sein können.

Von o. re. nach u. li.: Wacholder, Krähenbeere, Spießweide, Wollweide, Zwergbirke. Großes Bild: Spießweiden-Büsche sind hier auf 1.100 m flächendeckend

Wie wir erfahren, herrscht hier im Jotunheimen eigentlich noch Winter. So richtig Sommer ist hier im Juli / August. So ist zum Beispiel der Gebirgssee im nächsten Bild noch komplett zugefroren.

Da bin ich dann wohl eher unpassend gekleidet.

Aber was lässt man als Fotograf nicht alles über sich ergehen, um Kunscht am Berg vor die Linse zu bekommen.

Smørstabbree durch’s Granitfenster
Der Fotograf heute mit seiner Handy-Knipse in flagranti

Also ich persönlich finde das heutige Schietwetter passt ganz wunderbar zu der Hochgebirgslandschaft. Ich bin fasziniert, während Uschi eher etwas rummault. Es sei ihr hier einfach zu grau und öde. Sie vermisst sexuell aktive Blütenpflanzen! Wobei wir übrigens erfahren müssen, dass es hier in den zwei Sommermonaten Juli und August ganz herrlich grün und buntig ausschauen muss. Aber wir sind nun mal jetzt hier. Bei „bloß“ drei Monaten „Wechsein“ müssen auch wir uns die Zeit einteilen. Der Juli/August ist bei uns für die Lofoten und das Nordkap um den 70. Breitengrad vorgesehen. Und da isses nun doch angebrachter in wärmeren Monaten sich aufzuhalten. So erleben wir den Jotunheimen im ausgehenden Winter.

Smørstabbree

Unsere höchsten Freunde, der Galdhøppigen (2.469 m) und die*) Glittertinde (2.465 m) sind, wie wir leider erfahren müssen, von der Straße aus nicht zu sehen. Sie verstecken sich hinter den 2.200er Gebirgsketten. Wahrscheinlich haben wir uns auf dem Auerslandfjellet bereits getäuscht, als wir in der Ferne die beiden Freunde wähnten. *) Uschi gendert den Berg halt zu einem Mädchen

Natürlich lassen sich die Gipfel hier auch erwandern, geführt oder individuell. Aber das ist nix für uns. Wir sind weder konditionell, noch klamottentechnisch gerüstet, um solch ein Abenteuer zu bewältigen. Auch fehlt uns die Erfahrung für eine solche Hochgebirgswanderung. Da sind wir doch eher die Warmduscher und schauen uns das Ganze von den Viewing Points an der Straße aus an.

Überall stürzt das Schmelzwasser hinab

Und dann geht’s wieder bergab. Unser HoGo hat die Hochgebirgsstrecke, deren höchster Punkt bei 1.445 m liegt, super gemeistert. Wir haben inzwischen auch das Bergabfahren ohne glühende Scheibenbremsen im Griff.

Wir durchfahren die Baumgrenze nach unten. Und nun wird auch Uschi wieder zunehmend wohl gelaunter.

Wohldosiert!

Am End‘ sind wir kurz vor Lom auf einem schnuckeligen kleinen Campingplatz (Bøverdalen Vandrerhjem) für die Nacht zum Halten gekommen. Und siehe da, Uschi findet doch tatsächlich in den Abgründen unseres HoGos noch einen letzten Rest Schnappes für den „Anleger“

Von Lærdal (H) mit Fährübersetzer nach Sogndalsfjøra (I) und weiter auf der 55 über das Sognefjellet bis kurz vor Lom (J), 149 km in 8 Stunden

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