In der (neuen) Mainzer Altstadt

Sonntag, 13. Februar 2020: #16 Liebfrauenplatz und #18 Altstadtplätze und ein Besuch im alten Mainzer Dom

Am Sonntag machen wir uns gleich wieder auf die Socken (besser gesagt auf die Reifen) und nehmen den Liebfrauenplatz und die Altstadt unter die Lupe.

Mit der Achse Höfchen – Markt – Liebfrauenplatz – Fischtorstraße – Fischtorplatz öffnet sich die Innenstadt zum Rhein und in der Gegenrichtung führt sie zum Schillerplatz und dem darüber liegenden Kästrich. Ein schöner Blick:

Kaum zu glauben übrigens, dass bis in die 70er Jahre vom Höfchen bis zur Rheinstraße reger Verkehr floß. Noch früher – bis 1847 – bildete das Fischtor den Abschluss der Stadt an der Rheinstraße.

Witzig ist auch die Verkehrsregelung mit einer sogenannten Heuer-Ampel

Am Liebfrauenplatz begegnet uns zuerst eine Abordnung der Prinzengarde beim Sektfrühstück und bald darauf wird weitere Prominenz in der Rikscha herangekarrt:

„Mein Professor“ – Präsident Urban mit Gefolge

Ein Kameramann filmt das Spektakel, das man ab 26. Februar 2022 gegen eine geringe Gebühr in der MCV-Mediathek als „Närrische Stadtrundfahrt“ anschauen kann. Hier der Teaser.

Wir kümmern uns aber um Kultur und Geschichte, bewundern das prachtvolle Haus zum Römischen Kaiser (ein Nachbau) mit seiner herrlichen Stuckdecke im Durchgang zum Gutenbergmuseum, werfen einen Blick durch die Betonröhre der Seilergasse auf die Betonwand des Brands und erfahren, dass diese Gasse einst eines der malerischsten Sträßchen der Stadt gewesen sein soll. Kaum zu glauben.

Der Römische Kaiser am Liebfrauenplatz

Am Liebfrauenplatz zeugt eine Bronzetafel von der gotischen Kirche die hier einst stand, heute ist der Platz eher bekannt vom Marktfrühstück, das allsamstäglich hunderte, wenn nicht tausende Besucher zum Mainz WWW lockt: Weck, Worscht und Woi.

Helles Pflaster markiert die Umrisse der Liebfrauenkirche. Sie wurde bei der Rückeroberung der 1792 den französischen Revolutionstruppen kampflos übergebenen Stadt durch die preußische Armee 1793 beschädigt und unter der neuerlichen französischen Besatzung 1803 abgerissen. Die Ruine stand dem Bau der Grande Rue Napoléon, der heutigen Ludwigstraße im Wege.

Völlig an uns vorbeigegangen ist indes bisher dieser Bau, genau an den Umrissen der Liebfrauenkirche:

Die (Reste der) Preußische(n) Hauptwache von 1829

Hier war der Sitz der preußischen Militärpolizei. Ich muss unbedingt mal diese ganze Geschichte der Festung/Bundesfestung Mainz aufdröseln. Irgendwann, wenn viel schlechtes Wetter ist oder so.

Natürlich werfen wir auch einen Blick auf die Nagelsäule, Zeugnis eines Crowdfundings im 1. Weltkrieg: Gegen eine Spende konnte man hier einen Nagel einschlagen, der Erlös diente der Kriegskinderfürsorge und Soldatenfrauen. 50 Pfennige kostete der kleinste Nagel, 20 Reichsmark ein großer vergoldeter. Übrigens keine Mainzer Besonderheit, sondern eher so ’ne Art „Eisbucket-Challenge“, ein Hype: Solche Kriegsnagelungen gab es zu Hunderten im Kaiserreich und Österreich-Ungarn.

Mit einem Blick auf die Heunensäule und die Markthäuser ist der Rundgang über den Liebfrauenplatz auch schon beendet und wir machen uns auf in die Altstadt. Nicht ohne zum wiederholten Mal über das Praxisschild des Herrn Professor Nix zu schmunzeln:

Wa nix – dann is ja gut!

Bevor wir aber zum Leichhof abbiegen, werfen wir einen Blick in die heute geöffnete Johanniskirche.

„Es sollte eine Fußbodenheizung werden“ … und „es fand sich der alte Dom zu Mainz“, so besagt das Plakat der Evangelischen Kirche, die die Ausgrabungen leitet und finanziert. In der tat fand man Relikte aus allen Epochen bis zurück zu den Römern, sogar Reste eines Paradiesgangs , der alten und neuen Dom verband. Wichtigste Entdeckung ist das Grab von Erkanbald, der von 997 bis 1011 Mainzer Erzbischof war. Es gilt als Beweis, dass die Johanniskirche der alte Dom von Mainz ist. Der neue Dom wurde von Erzbischof Willigis nach 975 gebaut, geriet jedoch am Tag seiner Weihe 1009 in Brand und fackelte ab. Es dauerte bis 1036, bis er wiederaufgebaut war und in Betrieb genommen wurde.

Danach gehen wir durch die engen Gassen der Altstadt, über Leichhof und Kirschgarten in die Kartäuserstraße und kehren auf einen Zwischenstopp im Goldstein ein. Was einst eine verruchte Kaschemme war, die die Drogenfahndung im Visier hatte, ist längst ein uriges Wein- und Speiselokal. Wir sitzen auf der Terrasse unter der großen Kastanie, lassen es uns gut gehen. und halten einen Schwatz mit dem Portugiesen aus Rio De Janeiro am Nebentisch, der für 1&1 in Deutschland ein Projekt leitet. Kleine Welt!

Dann setzen wir den Spaziergang über Rochusstraße/Rochusspital, Heringsbrunnengasse, Weihergarten bis zum Bischofsplatz fort. Hier stand dereinst das prächtige Bischofspalais, das im Krieg beschädigt wurde. Die Kirche ließ es nicht wieder aufbauen, sondern verscherbelte es an den Hertie-Konzern für den Bau des Parkhauses. Ein Gartenportal bildet heute den Eingang zur Domstraße am „Kalten Loch“.

Das war’s dann für heute. Es geht heimzu’s.

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