Santa-Mania, noch mehr Sauna und Potholes

Sonntag, 30. und Montag, 31. Juli 2023: Von Vuotso über Rovaniemi nach Torpio

Es gibt betreutes Frühstücken bei Eeva und Jouko im B&B. Jouko deutet auf einen Kochtopf mit einer undefinierbaren Masse und meint: „This first, very gesund“. Es ist Puuro, Haferbrei oder zu neudeutsch Porridge. Mit ohne alles gekocht. Darauf kippt man Obst oder, wie hier, Blaubeersuppe. „Mehr“ dirigiert Jouko nach dem ersten zaghaften Löffel und wir gehorchen 😇. Schmeckt gar nicht mal so übel! Dann gibt es getoastete Brötchen mit Käse oder Wurst und Gurkenscheiben und Heringshäppchen, lecker süß-sauer eingelegt. Ein hartgekochtes Ei gehört auch dazu, ein Eierschneider steht auf jedem Tisch. Finnisches Frühstück: ✅.

Wir laufen noch ein wenig in der Gegend rum und machen uns dann auf nach Rovaniemi.

Läppisches Fahrrad-Recycling

„Fotografier mal das Mistwetter“ sagt Volker und damit bin ich die nächsten 2 Stunden beschäftigt. Bitte sehr: Mistwetter in allen Abstufungen und dazu eine abwechlungsreiche Strecke. Es wechseln sich lange Geraden mit noch längeren Geraden ab. Rechts und links die vielbeschworenen einsamen finnischen Wälder.

Ab und an hat es bunte Cafés am Straßenrand, wobei 3 von 2 geschlossen sind. Für Abwechslung sorgen auch die Renis mit ihrer sehr eigenen Vorstellung von adäquatem Verhalten im Straßenverkehr.

Kurz vor Rovaniemi heißt es dann Stop für einen ganz besonderen Besuch. Hier wohnt nämlich der Weihnachtsmann. Nicht am Nordpol, wie die Amerikaner behaupten (da würden ja seine Rentiere verhungern), auch nicht in Grönland, wie die Dänen wähnen. Das heißt, eigentlich wohnt er im Norden Lapplands an der Grenze zu Russland am Ohrenberg, damit er die Wünsche der Kinder hören kann. Doch das ist sehr unzugänglich und so hat er seit 1950 in Napapiiri unweit von Rovaniemi, der Hauptstadt Lapplands, einen Zweitwohnsitz. Oder besser eine Außenstelle: Mit Büro, Postamt und dem «Welt-Drehgeschwindigkeits-Regulator», mit dem er die Zeit langsamer stellen kann, um die vielen Geschenke rechtzeitig zu verteilen.

Nur die Amerikaner glauben es immer noch nicht und suchen mit high tech nach dem Aufenthaltsort von Santa Claus. Wer die Suche verfolgen will, kann sich bei der North American Aerospace Defense Command – NORAD – umschauen. Jedes Jahr ab dem 1. Dezember heißt es dort: NORAD tracks Santa.

Das mit dem Büro und dem Postamt ist ganz süß, um die Weihnachtszeit kommen täglich bis zu 30.000 Briefe an und man kann Postkarten mit ganz besonderen Briefmarken und Poststempel versenden, die es nur hier gibt.

So ganz kann man sich dem nicht entziehen

Wenn nur der restliche Rummel nicht wäre. Seit 1985 gibt es ein riesiges Weihnachtsdorf im einheitlichen Stil mit so „Hütchen“-Häusern und Santa bis zum Überdruß. Rentier- und Hundeschlitten, Schnee-Scooter – im Sommer alles auf Rädern -, Kinderbelustigung, Restaurants, unendlich viele Souvenirshops mit teurem billigem Zeugs und das Personal im Wichtelkostüm.

Außerdem gibt es massenweise mehr oder minder stylische Lodges und Ferienapartements, die im Sommer quasi alle leer stehen. Im Winter mag das ganz nett sein, auch mit den ganzen Lichtern und Lämpchen und Weihnachtsstimmung. Jetzt ist es zwischen „geht so“ und häßlich.

Ferienapartements

Und obendrauf haben sie auch noch den Polarkreis mitten durch das Santa-Dorf gelegt. N 66°32′ 35 – wir wissen ja, dass das nur ein temporärer Wert ist.

Wir cachen das Weihnachtsgedöns weiträumig leer, immerhin kommen wir so locker auf unsere täglichen Schritte.

Für den Abend haben wir einen Tipp von Volkers finnischem Arbeitskollegen Harri: Die beste Sauna in Rovaniemi, direkt am Fluss Kemi gelegen und mit Restaurant. Wir sind gespannt, was uns erwartet!

Der Eintritt in die Sauna ist frei und es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Die Sauna hat getrennte Umkleiden und zwei Eingänge, von links kommen die Frauen, die Männer von rechts. Man trägt Badeanzug / Badehose, hockt sich ohne sonst was auf die oberste Stufe, es wird geredet, gelacht, getrunken, alle Ritt lang kippt jemand eine Kelle Wasser auf den Ofen. Gewedelt wird nicht. Manche gehen nach zwei Minuten schon wieder raus, andere bleiben länger. Eine Sanduhr wird man vergeblich suchen. Die Gäste sind bunt gemischt, auch viele Kinder und Jugendliche, Jungs wie Mädels, die man bei uns nie in der Sauna antreffen würde. Da ist es auch verständlich und sogar angenehm, dass alle Badebekleidung tragen.

Es ist jedenfalls völlig anders, als das rituelle Gehabe, das bei uns in der Sauna zelebriert wird. Sehr ungezwungen, fröhlich und alltäglich. Und wer fertig ist, hüpft oder steigt n den Fluss und kühlt sich ab. So 18, 19 Grad hat das Wasser. Sehr angenehm.

Der Hit ist eine Familie mit einem zweijährigen Bub, der einen riesen Spaß hat. Die Mutter meint, er will oft länger in der Sauna bleiben als sie selbst. Und völlig selbstverständlich geht es danach mit Schwimmflügelchen in den Fluss zum Abkühlen. Ich glaub aber, das schlagen wir Fe, Abi und Soso lieber nicht vor, die halten uns für übergeschnappt!

Ein kurzer aber heftiger Regenschauer beschert uns zum Bier einen Regenbogen und nach einem zünftigen Burger mit Fritten auf der Terrasse fahren wir zum Übernachten auf einen der Parkplätze Rovaniemis. Das war ein klasse Abend und jetzt können wir wirklich sagen: Finnische Sauna ✅.

Lapin Kulta – das Gold Lapplands

Am Montag lacht die Sonne und wir statten der Hauptstadt Lapplands, Rovaniemi, einen kurzen Besuch ab. Auch Rovaniemi erstreckt sich über viele Quadratkilometer und ist keine „hübsche“ Stadt. Was der Krieg nicht zerstört hat, das hat der Bauboom der 60er und 70er Jahre geschafft: Zweckbauten bestimmen das Stadtbild. Ob moderne finnische Architektur – allen voran der berühme Alvar Aalto – die Zweckmäßigkeit schön macht, darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich mag es meistens nicht. Da kann sein Werk noch so sehr auf der Vorschlagsliste zum UNSECO Welterbe stehen.

Hergelockt hat uns dieser Platz, der Lordi Square:

Hier huldigt man der finnischen Kultband, die 2006 den Eurovision Song Contest gewonnen hat. Der Sänger Mr. Lordi (Tomi Putaansuu) stammt aus Rovaniemi und er und seine Bandkollegen wurden zu Ehrenbürgern ernannt und der Platz umbenannt.

Die Hall of Fame. Man beachte die Krallen der 2. Hand von links 😂

Ich lade die Reiseleitung zu einem sehr leckeren (und sehr teuren) Eis auf die Hand beim kleinen superhübsch dekorierten Eisständchen ein (im Bild ganz links nicht mehr drauf), derweil vor der Mittelsäule ein Straßenmusiker ebenfalls ein Ständchen darbietet. Er spielt sogar Heart of Gold – HoGos Lied 😍.

Damit hat sich dann auch unser Besuch, es geht on the road again. Nun immer entlang des Kemijoki, der längste Fluss Finnlands (550 km). Mein finnischer Wortschatz umfasst inzwischen 4 Wörter: Kiitos=Danke, Kippis=Prost, Joki=Fluss und Järvi=See. Aber es bleibt dabei: Diese Sprache ist heftig! Es stört mich wirklich, dass ich so gar, gar gar nichts verstehe oder ableiten kann. Könnte in China nicht schimmer sein. Deshalb freu ich mich auf Schweden, da kriegt man wieder was mit!

Volker wählt die kleinere Straße 926 am linken Ufer des Flusses, sie steht aber der E75 am rechten in nichts nach und führt wie gehabt schnurgerade durch läppischen lappländischen Kiefernwald.

Doch da! Ein Schild weist zu einer Sehenswürdigkeit! OK, das wussten wir vorher, deshalb sind wir ja die Strecke gefahren.

Wir biegen links ab unnd holpern 2 Kilometer bis zu einem Waldparkplatz, wo als erstes die EU um eine freiwillige Besichtigungsgebühr von 5 Euro bittet, weil sie das Gelände instandzuhalten gedenkt. Bei aller Liebe zum europäischen Gedanken, denken wir nicht dran. Wir sind so frei und nicht willig.

Mit diesen riesigen Felsklötzen hat der Teufel um sich geschmissen (wie Teufel das so tun, wenn sie jemand ärgert) und dabei auch noch „Teufelslöcher“ in sie hineingeschlagen. So sagt die Sage.

In der Gletschermühle rundgeschliffene Findlinge

In Wirklichkeit sind die Potholes, die wir hier bestaunen können, das Werk einer Gletschermühle. Durch diese senkrechten „Entwässerungsschächte“ der Gletscher rauschte das Wasser mit Schmackes nach unten, herausgetaute Steine wurden mitgerissen, in Rotation versetzt und vergrößerten den Schacht. Auch im Grundgestein schufen die Mühlen Vertiefungen, die Gletschertöpfe. Früher glaubte man, wenige große Felsbrocken hätten sie ausgehöhlt. Dies gilt aber als überholt: es war der immense Aufpralldruck des subglazialen Wassers sowie Sand und Kies, das diese Jettegryter unter dem Eis schuf.

Diese hier sind wirklich gewaltig groß!

Finde fünf Jettegrytter

Zum Schluss mache ich noch eine sensationelle Entdeckung, die alles eingangs so superschlau Erläuterte ad absurdum führt.

Wie man hier zweifelsfrei im direkten Vegleich feststellen kann, sind die Gletschertöpfe nichts anders als die steinzeitlichen Vorläufer des Thermomix! Natürlich viel größer, weil sie ja von Trollen und finnischen Waldriesen verwendet wurden. Das hätten wir also geklärt!

Der Rest der Fahrt ist echt einschläfernd – lange Geraden durch Kiefernwald -, fast wär ich mit dem Kopp auf’s Armaturenbrett geknallt. Etwa 25 Kilometer vor Kemi kommt Leben in die Bude, Bauerngehöfte, Heuballen, Kartoffelfelder und sogar ein paar Rinder. Geht doch! Eine Baustelle macht unseren Plan zunichte, am Ufer des Kemijoki eine Kaffeepause einzulegen und Kemi selbst reiht sich ein in die Liga der unsehenswerten Städte Lapplands. Also fahren wir weiter in das nicht minder unsehenswerte Tornio, um bei dem schönen Wetter auf dem dortigen Campingplatz ein wenig Camping zu machen, so mit Markise raus, Grillen und vorab natürlich der Anleger!

Willkommen in Tornio
Gestern sind wir von Vuotso (H) nach Rovaniemi (A) und heute weiter über die Gletscherhöhle Hiidenkirnut (B) nach Tornia (C) gefahren, insgesamt 371 km.

Morgen verlassen wir Finnland über die Grenzstadt Tornio/Haparanda. Kein Witz, die heißen wirklich so und wir sind auch nicht an der Grenze Italien/Indien. Die Städte arbeiten eng zusammen und im schwedischen Haparanda kann man mit Euro zahlen.

Mein Fazit zu dem Teil von Lappland, den wir bereist haben, fällt nüchtern aus. Kurzum: Mein Ding ist es nicht. Die Landschaft ist immer gleich, Wald und Wasser. Wanderungen bestehen hier zumeist aus Mehrtagestouren durch die Wildnis und für mich/uns zugängliche Sehenswürdigkeiten sind rar. Hübsche Städte/Orte gibt es nicht. Wir haben die Orte als Supermärkte und Tankstellen erlebt. Vermutlich tue ich dem gesamten Lappland damit furchtbar unrecht, es ist aber mein/unser Eindruck.

Und es gibt eindeutig viel zu viele Blutsauger!

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