Auf Talfahrt

Dienstag, 13. Juni: Ottatal, Gulbrandsdalen und Romsdal

Der Norweger ist ein Freund der gepflegten Rasenfläche und hält das schmucke Grün konsequent kurz. Sehr kurz. So sitze ich hier nicht neben, sondern im HoGo, weil draußen ein laut knatternder Aufsitz-rasenmähender Norweger mit Hingabe seine Arbeit verrichtet.

Blick aus dem Dachfenster 😯
Nu weiß ich es doch: Es ist das Romsdalshorn, 1555 m

Nun ja, und auch ein wenig, weil über mir ein riesiger Klotz von einem Berg dräut, genaugenommen zwei, von jeder Seite einer. Bei dem einen handelt es sich um den berühmten Trollveggen, wie der andere heißt weiß ich nicht. Aber das kriegen wir eh später.

Nach einer sehr ruhigen Nacht auf dem kleinen und fast leeren CP vor Lom begrüßt uns der uns der Dienstag mit blauem Himmel (in die andere Richtung mehr davon, aber da war nix zu fotografieren).

Nach einer warmen Dusche für uns und einer Katzenwäsche mit dem Kaltwasserschwamm für den völlig versifften HoGo fahren wir dann die paar Kilometer nach Lom, wo uns eine weitere Stabkirche erwartet.

Hier sieht man auf dem großen Bild das „Stabwerk“, ein Grundgerüst aus dicken Holzpfeilern, die am Boden zu einer Art Kasten verbunden werden, der dann aufrecht gestellt wird.

Es ist eine sehr clevere Architektur, im Prinzip wie eine gotische Kirche, nur halt aus Holz. Heute würde man wohl Ständer- oder Skelettbauweise dazu sagen, materialsparend und leicht.

(Der Norweger hat den Aufsitzmäher geparkt und macht jetzt die Feinheiten mit so einem Rasenkantentrimmer. Genauso laut!)

Wir finden in Lom ein geöffnetes Vinmonopolet, das sind die Läden, in denen Alkohol mit mehr als 4,7 Umdrehungen verkauft wird. Bisher gab es keine oder sie waren geschlossen. Also nix wie rein in die gute Stube! Die Auswahl ist groß, die Preise beachtlich – aber das wussten wir ja. Beim Wein hatte ich sie mir sogar schlimmer vorgestellt.

Der Staat kassiert für alkoholische Getränke über 4,7 % bis 22% Alkoholgehalt etwa 5 Kronen pro Prozent und Liter. Bei destillierten Alkoholika sind es sogar fast 9 NOK! Für einen Liter Wein mit 12 % macht das also 60 NOK Steuern, ca. 5 Euro. Bei Doppelkorn 40% x 9 NOK = 360 NOK = 30 Euro!

Man muss also ganz schön Kronen latzen, bevor man selbst einen in der Krone hat!

Wir besuchen dann die hochgepriesene Bakeri in Lom, die fürwahr sehr köstliche Zimtschnecken und leckeren Cappuccino serviert. Und zudem haben sie ein wirklich sehenswertes Klo mit einem stylischen Waschbecken:

Wir kaufen auch noch ein Walnussbrot aus dem Steinofen, wirklich köstlich! Überhaupt kann sich das norwegische Brot sehen lassen: Es gibt eine große Vielfalt (viel mit Hafer, Sauerteig, Vollkornbrot …) und es schmeckt wirklich gut. Vor allem die Konsistenz ist super, nicht labbrig, sondern schön fest!

Jetzt wird es aber höchste Zeit, dass wir mal richtig in die Puschen kommen, der Tag versaut sich nicht von selbst und wir wollen mal voran kommen!

Unter den Klängen von Kenny Rogers and friends cruisen wir auf der breiten, geraden Straße von Lom durch das breite Ottadalen (Otta-Tal) und der Schlappmann und Fledi halten brav Ausschau.

Schlappmann ist uns auf einer Lahn-Padddeltour Pfingsten 1982 zugelaufen: er saß eines Morgens einfach so auf unserem Faltboot. Seither begleitet er uns auf jeder Reise und ist ein prima Fahrrad-Tacho. Fledi hat sich vor 3, 4 Jahren dazugesellt.

Der/die Otta ist ein sehr breiter Fluss, im Oberlauf sieht er eher wie ein langgestreckter See aus, kaum Strömung und ein wunderbarer Landschaftsspiegel:

Das ist mein heutiges Lieblingsbild 😍

Das Tal ist breit und fruchtbar, überall sieht man Bauernhöfe und Weiden an den Berghängen und es erinnert ein wenig an das Voralpenland.

Links rum geht es weiter

In Otta wechseln wir in das Tal des großen Flusses Lågen, das aber nicht etwa Lågendalen heißt sondern Gulbrandsdalen. Warum hab ich nicht verstanden, wahrscheinlich wissen es die Norweger selber nicht. Otta selbst ist oft überschwemmt, meist in den ersten Juniwochen, da haben wir wohl Glück gehabt.

Wir folgen der E6, das ist sozusagen die A7 Norwegens, einmal durch von oben nach unten. Das Gulbrands-Tal ist eines der längsten des Landes, etwa 200 km lang. Da die Talsohle hochwassergefährdet ist, liegt hier alles ein wenig höher am Berg, auch die Straße. Im Süden des Tals wird vor allem Holzwirtschaft betrieben, im Norden Viehzucht. Von hier kommt der bekannte Braunkäse, der Gudbrandsdalsost (Ost = Käse), der aus karamellisierter Kuh- und Ziegenmolke hergestellt wird. Klingt fragwürdig, schmeckt aber lecker, vor allem auf Knäckebrot.

Begleitet von der Bahnlinie links und dem Fahrradweg rechts frisst der HoGo nur so die Kilometer, auch auf der anschließenden E136 Das Tempolimit von 80 km/h empfinden wir als sehr angenehm für entspanntes Reisen.

Dann wechseln wir den Fluss und fahren entlang der Rauma durch das schöne Romsdal. Wir müssen wohl eine Wasserscheide passiert haben, denn die fließt plötzlich andersrum, mündet also über den Romsdalsfjord am End in den Atlantik. Die Rauma ist eine steiler Wildfluss und einer der schwierigsten Wildwasserkajgewässer des Landes. Von beidem können wir uns am Slettafossen überzeugen:

Man beachte das prächtige „pothole“, die halbkreisförmige Aushöhlung links im Bild, in der das Wasser wie in einer Waschmaschine im Kreis wirbelt

Mit ungeheurer Gewalt und lautem Getöse stürzt sich der Fluss durch eine enge Schlucht, wirbelt und schäumt.

In diesem Wasser sind so viele Luftbläschen, da schwimmt nix mehr, kein Auftrieb. Ich sag noch zu Volker: „Hier mit dem Paddelboot runter, das ist eine sichere Methode, sich umzubringen!“

Da stehen wir schon vor dem Schild, das an den Tod des Ingolstädter Kanuten Karlheinz Schumacher erinnert. Er kenterte wenige Meter vor dem Slettafossen und starb, da halfen weder Erfahrung noch die Rettungsversuche seiner Kameraden. Er wurde 34 Jahre alt und hinterließ eine Frau und zwei kleine Kinder (von der Vereinsseite des Faltbootclubs Ingolstadt.

Die muss dann wohl als Animal of the day herhalten

Wir erwerben an der putzigen Souvenir-Hytta noch eine Salami vom Rentier (Steffi bitte verzeih uns!) und fahren weiter in das immer enger werdende Tal. Fast bedrohlich rücken die wuchtigen Berge immer näher (Quatsch, da rückt nix, wir fahren drauf zu 😂) und unzählige große und kleine Schmelzwasserfälle rauschen die Abhänge hinunter. Soviel herabstürzendes Wasser wie in diesen drei Wochen Norwegen hab ich glaub ich noch nie gesehen!

Überhaupt: Flüsse, Bäche, Seen, Fjorde, Meer, Schmelzwasserseen mit und ohne Eis, Wasserfälle, Gletscherwasserrinnen, Moore … Wasser wohin man schaut! Nur richtigen Regen hatten wir noch nicht, aber da legen wir auch nicht sooooo Wert drauf (der wird aber noch kommen 🙄).

Die Berge recht gehören gehören zum Nationalpark Rondane, der östlich der E6 von Otta bis Dover reicht.

Schließlich erreichen wir unseren Übernachtungsort, den kostenlosen Parkplatz am Trollveggen Infocenter kurz vor Andalsnes:

Hier heißt alles Troll! Die Trolltindene sind der Gebirgszug mit den Gipfeln Trollryggen, Store Trolltind und der berüchtigten Steilwand Trollveggen. Morgen fahren wir den Trollstigen die wohl berühmteste Straße Norwegens, der Alpe d’Huez des Nordens 😂.

Socializing mit dem Parkplatztroll

Trollveggen, die Trollwand, ist 1.700 m hoch und davon sind 1.000 m senkrecht, stellenweise 150 m überhängend. Das ist von der Höhe her Europarekord und dazu sei es weltweit eine der schwierigsten Steilwände. Die Erstdurchkletterung (oder wie war 1965 und die Bergsteiger hingen sage und schreibe 11 Tage in der Wand! Heute geht es schneller (aber immer noch mit Biwak) und es gibt viele Kletterrouten, sogar für Freikletterer. Bis 1986 war Trollveggen sogar ein begehrter Startplatz für Basejumper 😱, das wurde dann aber verboten.

Für alle, die es nicht überlebt haben, ist ein Gedenkstein aufgestellt.

Wir feiern unseren teuer erworbenen Allolol zum Tagesabschluss mit einem zünftigen Anleger: Campari-Orange, streng limitierte Auflage.

33 Euronen für eine Flasche Campari, da sind 3 Liter Rotwein für 31 Öcken ja fast geschenkt. Ein Hoch auf die Leberwerte!

Mir hat das heute sehr, sehr gut gefallen, herrliche Landschaft, so schön grün und entspannt zu fahren.

Von unserem Campingplatz (A) kurz vor Lom (B) über Otta (C) nach Trollveggen (D) kurz vor Andalsnes, 220 km in 6 Stunden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.