Zwischen Optik und Olivenöl: Besuch in Wetzlar

13. bis 15. Dezember 2021

Das Bindeglied zwischen Wetzlar und Olivenöl heißt „Uschi und Heiko“. Unsere Freunde waren mal wieder in der Villa Palagione und haben ein Kanisterchen feinstes Olivenöl für uns nach Deutschland importiert. Das gilt es nun abzuholen. Nix lieber als das!

Also wird der HoGo aus dem Winterschlaf geholt, Proviant gebunkert und auf geht es nach Wetzlar. Wir beziehen Quartier auf dem Parkplatz Lahninsel, gleich neben der Altstadt. Draußen ist trübes, feuchtkaltes Wetter, im WoMo haben wir es kuschlig warm und gemütlich. Und sogar weihnachtlich.

Aber es hilft ja nix, wir müssen raus.

Brücke über den Mühlkanal der Lahn, oben die Ruine Kalsmunt

Das Gebäude im Hintergrund dieses Bildes ist der alte Firmensitz der Firma Leica.

Wetzlar nennt sich mit Fug und Recht „Optikstadt“. Hier gründete ein Herr Carl Kellner 1849 das Optische Institut, das der bekanntere Ernst Leitz 20 Jahre später ausbaute (und in Ernst Leitz Werke umbenannte). Hier wurden aber keine Kameras hergestellt, sondern zunächst nur Mikroskope, später FerngläserEpiskope und Epidiaskope und schließlich professionelle Filmkameras.

Um die Jahrhundertwende war ein gewisser Oskar Barnack Leiter dieser Abteilung.  Er war Hobby-Naturfotograf, konnte aber wegen seines Asthmas die damals großen und schweren Plattenkameras nicht auf seinen Ausflügen mitschleppen. So entwickelte er in Privatarbeit in den Jahren 1913/14 eine kleine Fotokamera die mit auf Rollen gezogenem 35mm-Filmen arbeiten konnte: Die Kleinbildkamera war erfunden. Als Leitz Camera kam sie 1925 auf den Markt und wurde ein Welterfolg – bis heute.

Seit 2014 hat Leitz Camera eine superschicke neue Firmenzentrale etwas außerhalb der Stadt im Leitz Park. Sehr stylisch!

Hier kann man eine großartige Ausstellung besuchen, künstlerisch wie technisch hochinteressant.

Nach einem kleinen Fußmarsch kommen wir bei Uschi und Heiko an. Auch hier ist es super gemütlich und bei Kaffee und Kuchen lässt es sich schön schwätzen. Mit dem Ölkanister im Schlepp geht es noch gemeinsam ins Städtchen und Heiko macht den Stadtführer.

Hübsch ist das abendliche Wetzlar und – schon wieder – gemütlich.

Dann wird uns aber allmählich kalt und jede Uschi verzieht sich nebst zugehörigem Gemahl wieder in das jeweilige traute Heim.

Bei uns steht lecker Kochen an

Am nächsten Tag ist Geocachen angesagt. Neben der Optik hält Wetzlar auch große Stücke auf Herrn Goethe, dem folglich auch ein Multi-Cache gewidmet ist. Außerdem wollen wir den Altstadt-Grüngürtel abspazieren, hier lockt ein Lab mit Bonus. So wetz(lar)en wir uns also ordentlich die Hacken ab, wie weiland Goethe. Der kam 1772 als 23-jähriger Jurastudent an das hiesige preußische Reichskammergericht, sozusagen den damaligen Bundesgerichtshof. Er schrieb sich ein – und ward nimmer gesehen. Zumindest nicht bei Gericht, wohl aber in den Kneipen der Stadt.

Eigentlich müsste Wetzlar sich schämen, denn Goethes Urteil über die Stadt fiel vernichtend aus: „Die Stadt selbst ist unangenehm […]“und „Wetzlar ist eine schlechte Stadt für daß, was sie im Reich vorstellt […]“ schrieb er. Allerdings räumte er ein, dass „rings umher eine unaussprechliche Schönheit der Natur“ zu finden sei und „… die Lebensart ist hier freier und angenehmer als in dem übrigen Deutschland, das ich kenne. Alles athmet Liebe. Du kannst Weiber und Mädchen sehen, ohne daß sich die Männer oder Eltern darum bekümmern.“

💔💘💖

Von Letzterem machte der junge Goethe reichlich Gebrauch: Er verliebte sich in die junge Charlotte Buff, die aber leider schon vergeben war. Nachdem sie ihm unmissverständlich klar gemacht hatte, „daß er nichts als Freundschaft hoffen dürfe“, verließ Goethe auf der Stelle Wetzlar und reiste zurück nach Frankfurt. Dort erreichte ihn wenige Wochen später die Nachricht, dass der fast gleichaltrige Kommilitone Karl Wilhelm Jerusalem sich das Leben genommen hatte – aus unglücklicher Liebe zu einer verheirateten Frau. Dieses Schicksal und seine eigenen Wetzlarer Erlebnisse verarbeitete Goethe in seinem Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“, der im September 1774 erschien. Goethes erster Bestseller, wenn nicht das erste Buch überhaupt, das es weltweit zu Berühmtheit brachte. Und den Werther-Effekt schuf: Suizid in Folge eines aus Medien, Literatur oder Film bekannten Selbstmordes. Etwa ein Dutzend junge Menschen sollen sich im Geiste Werthers umgebracht haben: schwärmerisch, radikal und an der Welt verzweifelnd. Sturm und Drang. Tja 🤷‍♀️.

So wandeln wir also auf Goethes Spuren – mehr oder minder – durch die malerische Altstadt.

Goethe was here

Wir können uns Goethes Urteil über die Stadt übrigens ganz und gar nicht anschließen: Richtig schön ist es hier, prächtige Fachwerkhäuser, schmale Gassen, Altstadtflair. Nun ja – vor 250 Jahren sah das bestimmt noch nicht so schick aus.

Mir fallen vor allem auch die vielen schönen Geschäfte auf: So viele kleine, individuelle Lädchen, das hebt sich angenehm ab vom Einerlei der typischen Innenstädte der Metropolen. Wetzlar hat den ganzen Mobilfunkkram und die Ladenketten in ein „Forum“ ausgelagert, die Altstadt prägen nette kleine Geschäfte mit viel Flair.

Vielfalt statt Einerlei: Schaufenster in der Wetzlarer Altstadt

Volker wird Angst und Bange – aber wir schaffen es, ohne Einkehr an der Einkaufswunderwelt vorbei – mal abgesehen vom Abstecher ins Blaue Haus, ein verwinkelter Stoffladen in dem ich mich gut und gerne einen halben Tag lang verlustieren könnte.

Einkehren tun wir auf dem kleinen Weihnachtsmarkt vor dem Wetzlarer Dom, hier gibt es was zu futtern und Glühwein in lustigen Gläsern.

Dem Dom statten wir natürlich auch innen einen Besuch ab. Er wird seit jeher als Simultankirche von beiden Konfessionen genutzt, was ein paar lustige innenarchitektonische Gadgets zur Folge hat. So haben die Bänke umklappbaren Lehnen, damit man die Sitz- und Blickrichtung ändern konnte um auf den richtigen Altar zu schauen oder den explizit katholischen Opferstock. Das kommt jedenfalls billiger als einen zweiten Dom zu bauen. Ohnehin war der Bau teuer, am Ende des Geldes stand nur ein Turm, der Haupteingang fehlte und man musste ein wenig stoppeln über die Jahre. Immerhin nicht so lange wie in Köln. Und es ist doch ein prächtiger Bau entstanden, der sich Dom nennen darf, ohne jemals einen Bischof gesehen zu haben.

Wir machen uns dann auf zur Umrundung der Stadt auf dem Grüngürtel-Rundweg. Der führt durch 5 Parkanlagen, teils an der Lahn entlang, den Berg hinauf und wieder runter. Spaßig und lehrreich sind die Stationen des Optik-Parcours von denen wir einen Teil auf unserem Spaziergang erlebt haben.

Neues und Bekanntes, auch wirklich Verblüffendes kann man hier er-leben.

Um den Beuchet-Stuhl richtig in Szene zu setzen, hätte es ein paar mehr Leuten bedurft, daher noch ein Bild von der Homepage der Stadt Wetzlar.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit haben wir zwei Lab-Bonusseriche erfolgreich geloggt, für den Goethe-Multi hätten wir nochmal einen Kilometer den Bersch enuff gemusst, das kriegen wir später. So treffen wir uns mit Heiko und Uschi im Biergarten am Lahnufer (ganz in der Nähe vom HoGo) und lassen den Besuch in Wetzlar bei rei Lülei ausklingen.

Schön war’s. Danke Ihr Lieben 💕!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.