Go East!

Na, sieht das lecker aus? Die Beeren sind die „Beute“ der gestrigen Küstenwanderung durch die Moorheide. Molte-, Blau- und Krähenbeeren. Von Letzteren nur ein paar, die sind ein wenig psychotrop 🤪.

Dienstag, 25. Juli 2023: Kappenfahrt 😉 nach Vardø

Von unserem ruhigen, einsamen Übernachtungsplatz rumpeln wir nach Ifjord, wo der Fylkevei Fv98 nach Osten abbiegt. Und oh Wunder, die Straße befindet sich auf einmal in einem 1A Zustand. Wir gleiten dahin wie auf Schienen 😊😊. Zudem blinzelt die Sonne hinter den Wolken hervor, da sieht die Welt gleich freundlicher aus.

Es geht lange Zeit „über Land“, also auf eine Hochebene und ab 150 Metern ist wie immer hier im Norden Schluss mit nennenswerter Vegetation.

Immer wieder fallen uns in den letzten Tagen lange Zäune auf, mit dünnem Draht bespannt, oft mit bunten Fetzen behängt. Damit werden die Rentierweiden begrenzt, oft sind es hunderte Kilometer lange Zäune, denn die Gebiete sind riesig, 1.000 bis 5.000 km2 und mehr. Die Samen, die hier die Rentierwirtschaft betreiben, ziehen ihren Herden nicht mehr mit Lavvu (das sind die Zelte) und Kind und Kegel zu Fuß hinterher! Sie sind größtenteils sesshaft und fahren winters mit dem Motorschlitten, Sommers mit dem Geländemotorrad raus, um nach den Tieren zu schauen. Manche nutzen sogar Kleinflugzeuge. Mit den Zäunen wird der Aufenthaltsort der Tiere begrenzt, dann lässt sich so eine zerstreute Herde leichter handlen. Ich nehme an, nachdem im Herbst die Tiere zum Schachten aussortiert sind, lässt man die übrigen ganz frei, denn sie wandern ja im Winter in den Süden. Wie die Samen dann wissen, welches ihre Rentiere sind und welche nicht – keine Ahnung!

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Rentier des Tages – das ist wirklich ein kapitaler Bursche

Wo ich das schreibe und mal aufschaue, ist der HoGo umringt von einem großen Trupp männlicher Rene, die sich das Gras schmecken lassen. Leider bewege ich mich wohl zu sehr im Auto, denn sie laufen davon, als ich sie fotografiere.

Ob das wieder auseinander geht ?

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Ungerührt von allem Geholper wird der HoGo 30 K 🎂

Wir haben uns zu früh über die schöne Straße gefreut, denn bald rumpelt und pumpelt es wieder wie gestern. Der Straßenbelag ist fast schon archäologisch interessant: man könnte die Ausbesserung der Schlaglöcher nach Farbe kartieren und datieren!

Der Vollständigkeit halber sei die Kirche von Tana erwähnt, an der wir kurz halten. Weil da bald eine Beerdigung stattfindet, werden wir gleich wieder hinauskomplimentiert. Bemerkenswerter ist ohnehin die Tana Bru, die Brücke über den gleichnamigen Fluss.

Die gesamte Brücke mit 234 m Spannweite hängt mit Schrägseilen an nur einem Pylon. Das sieht sehr gewagt aus! Die ursprüngliche Brücke wurde – wie so furchtbar vieles in der Finnmark -, von den Nazis beim Rückzug 1944 gesprengt. Der Ort gleich mit 😞.

Hinter der Brücke beginnt die Halbinsel Varanger und etwas weiter, in Varangerbotn, die Landschaftsroute. Da freuen wir uns auf weitere schicke Toiletten 😂🚽🚾🚻. Die erste lässt nicht lange auf sich warten: In einem alten Steinhaus, das den Nazis als Munitionsdepot diente und mit viel Beton „aufgepeppt“ wurde.

Gornitak

Der Varanger Turistveg wird von Visit Norway wieder in den malerischsten Tönen angepriesen, da ist die Rede von Mondlandschaft und Klippen und Wildnis. Das wird man aber man erst ganz am Ende, an der Nordost-Küste, erleben. Die Süd- und Südost-Küste ist flach, grasbewachsen und wird zur Viehzucht genutzt. Statt der Rentiere begegnen uns hier nach langer Zeit mal wieder Schafe, sogar Rinder und weiße Heuballen.

Sehr schön ist der Zwischenstopp an der Nesseby-Kirche, einem der wenigen Bauten, die den WW II überstanden haben. Wie schon erwähnt haben die Nazis beim Rückzug die Taktik der verbrannten Erde angewendet, um den einmarschierenden Russen keine Infrastruktur zu hinterlassen. Die Kirche wurde verschont – vielleicht hatten die Soldaten doch Skrupel und kriegswichtig war sie auch nicht. Ein Wunder, wie gern behauptet wird, war es wohl kaum.

Eine solche Altar“umzäunung“ haben wir noch nie gesehen. Hier kniet man nieder bei Hochzeiten, Segnungen und besonderen Anlässen.

Zwei nette blonde Frauen in Norwegerpullis sind die Gästeführerinnen in der Kirche. Sie sind Cousinen und sehen sich zum Verwechseln ähnlich, worüber wir scherzen und lachen. Die Kirche hat keinen festen Pfarrer mehr, keiner will hier wohnen. 26 Gottesdienste werden pro Jahr von anderen Gemeindepfarrern „bedient“. Bei durchschnittlich nur 10 Anwesenden lohnt selbst das nicht. Aber für Taufen und Hochzeiten ist die Kirche sehr beliebt. Auch außen ist es sehr schön, der alte Friedhof hat wunderbar gegossene Metallkreuze.

Ein weiterer Hingucker ist das alte Trockengerüst für Stockfisch:

Im Sonnenschein strahlt die Barentssee türkisblau.

Wir verabschieden uns herzlich und fahren weiter, verpassen aber einen Abzweig und stehen am Hafen von Nesseby. So ein Glück aber auch, denn hier erwartet uns dieses wirklich schöne Fotomotiv:

Hier noch einmal mit mehr Drama und mehr Türkis (der Streifen am Boot hat genau die Farbe des Wassers 💕)

Ausgemusterte Boote schmeißt man hier nicht weg, man schneidet sie in der Mitte durch und stellt sie hochkant hin! Sieht schicke aus. Oder man nimmt zwei halbe Boote hochkant gegeneinander und hat eine ganze Schutzhütte. Wer nicht sägen will, legt ein ganzes Boot umgekehrt als Dach auf den Schuppen. Man könnte auch Strandkörbe draus bauen ….

Varanger ist auch bei Vogelfreunden sehr beliebt und es gibt viele geschützte Beobachtungspunkte (auch da könnte man ein halbes Boot … 🙊). Mal sehen, ob wir zu einem hinfahren. Man kriegt die Vögel aber auch so sehr nah zu Gesicht:

Norweger beim Volkssport: Angeln

Unser letzter Stop für heute hat den unaussprechlichen Namen Ceavccageaꝺge – sieht aus wie mit dem Kopp auf die Tastatur geknallt 😂. Es ist ein kleines Museum über die Glaubenswelt der Samen, Eintritt frei und so köstlich nach Waffeln duftend, dass wir nicht widerstehen können.

Die Ausstellung berichtet unter anderem von den Noaidi, den samischen Schamanen, die in Trance Verbindung zu anderen Welten aufnehmen können. Diese Welten können sich überall befinden, in Ritzen, Höhlen, Baumlöchern … Es erinnert mich an den letzten Krimi, den ich gelesen habe, Vaters unbekanntes Land, der teilweise in der Finnmark spielt und in dem eine Naidi vorkommt.

Das Museum mit einer kleinen, feinen Ausstellung

Dann gibt es noch ein großes Außengelände, auf dem Reste steinzeitlicher Häuser und Werkzeuge (8.000 bis 3.000 v.d.Z.) gefunden wurden. Außerdem Begräbnisstätten und ein ritueller „Transtein“ der Samen. Bis auf den Stein sieht man davon recht wenig, angedeutete Steinkreise, Dellen, kahle Stellen.

Ob die Samen erst hier siedelten, als die anderen Menschen die Gegend schon verlassen hatten, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Die Samen sind nach der Eiszeit vor rund 10.000 Jahren, aus Eurasien eingewandert, die anderen Menschen allerdings auch, denn als Norwegen unter 3 Kilometer Eis lag, lebt hier niemand. Hier ein ganz interessanter Link über die Bevölkerungsverteilung in Europa während der letzten Eiszeiten. Alle haben also einen Migrationshintergrund.

Wir marschieren strammen Schrittes die knapp anderthalb Kilometer zum Transtein, der in Mitten noch deutlich sichtbarer konzentrischer Steinkreise Wind und Wetter trotzt. Hier wurden Opferrituale zelebriert, bei denen der Stein vom Noaidi mit Tran oder Fischöl eingeschmiert wurde.

Der Stein ist noch heute total speckig und klebrig! Aber wenigstens riecht er nicht.

Ganz am End kriege ich doch noch meine Botanik, ich entdecke nämlich einen großen Bestand an Lycopodium – Bärlapp – ein lebendes Fossil. Im Karbon vor 350 Millionen Jahren bildeten Bärlappe riesige Wälder.

Das ist der Stoff, aus dem die Kohle ist!

Ein weiteres Fundstück ist dieser flechtenbewachsene Stein, auf dem ein schwarzes Häschen hoppelt. Sogar ein Auge hat es.

Weiter geht es immer press an der Küste entlang. Kräftige Brandung, schöne Sandstrände und viele Dünen.

Irgendwo vor Vadsø steht ein Caravan am Straßenrand und ein Range Rover nebst Abschleppauto: Es ist der nette Finne von gestern, der wohl eine Autopanne hat. Zum Glück sieht es nicht nach Unfall aus. Da wir eh nicht helfen können, fahren wir weiter.

Vadsø lassen wir aus, nur ein kurzer Blick und ein „Beweisfoto“ von diesem Mast: Es ist der Ankermast, an dem die Luftschiffe Norge (Amundsen und Nobile 1926) und Italia (Nobile 1928) einen Zwischenstopp einlegten, bevor sie zum Nordpol starteten. Die Italia ging dabei 1928 verloren, Amundsen begab sich auf eine Suchmission, von der auch er nicht zurückkehrte.

Kurz vor Vardø, in Kiberg, parken wir neben dem Partisanenmuseum – es ist bei Nortrip gelistet.

Wir sind heute von kurz vor Ifjord an der 98 (E) bis zur Landschaftsroute Vardanger (E75) gefahren und folgende Stationen der Landschaftsroute erlebt : Rastplatz Gornitak (F), Nesseby Kirke (G), Mortensnes (H) und unser Übernachtungsplatz Partisanenmuseum in Kiberg (I). Das waren heute 236 km in 8 Stunden.

Volker macht sich nach dem Abendessen auf den Weg, den Ostkapp-Geocache für das Team betazed zu loggen, immerhin 7,5 Kilometer hin und zurück. Das ganze Gebiet ist sehr wild und unwegsam und voll mit Bunkern und Geschützstellungen der Nazis. Eigentlich nicht verwunderlich, die ganze Finnmark war mit ihrer Nähe zu Russland ein hot spot und der strategisch markante Punkt des Ostkaps sowieso.

Das Ostkap Kibergneset

Damit haben wir das Ziel unserer Kap(pen)fahrt erreicht: Alle norwegischen Kaps, seien sie nun echte oder nicht! Hier ein Artikel, der sie alle vier sehr nett beschreibt. Volker fasst das in seinem Log für den Cache für uns schön zusammen:

After visiting the South Cape (Lindesnes Fyr) on 27.5.23, the Vest Cape on 17.6.23 and the North Cape on 22.7.23, we now visited the East Cape. So we have them all, all the capes of Norway!
Late at night, I, Mr.betazed, hiked from Kiberg at the Partisan Museum in the light fog up to East Cape. The remains of the old Nazi gun emplacements made us very thoughtful. The view from East Cape down to the surf on the cliffs of the eastern point of Norway is simply magnificent.
The cache is in excellent condition. We are very happy that we have achieved our self-imposed goal of visiting all four Kapps of Norway in the course of our Norway trip with the camper van.
For the really great experience we of course award a favourite point.
Back again, a herd of reindeer stands around our camper and grazes. What more does it take to be happy.
Takk for cachen. Betazed fra tyskland 🚐🚴‍♂️🚴‍♀️🥾🐴

Der Cache liegt sehr „stilecht“ in einer unterirdischen Geschützstellung, hinter losen Mauersteinen. Von hier unten wurde der Geschützturm ausgerichtet. Von oben sieht das ganze aus wie eine riesige vergrabene Amphore.

Der Cache liegt „stilecht“ hinter losen Mauersteinen in einer unterirdischen Geschützstellung. Von oben sieht das ganze aus wie eine riesige vergrabene Amphore.

Gegen 23 Uhr sind die Rentiere zurück, verdrücken sich aber, als Volker nach Hause kommt.

Da suchen sie schon wieder das Weite

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