Um die Ecke: Vom Südkap nach Jæren

Pfingstsonntag, 28. Mai bis Mittwoch, 31. Mai 2023

Sonntag: Fahrtag durch idyllische Orte und dramatische Felsen

Wir verlassen das beeindruckende Südkap am nächsten Morgen bei wieder strahlendem Sonnenschein und steuern das Städtchen Flekkefjord an. Hier gibt es – wen wundert’s – wieder viele weiße Häuser, eines schöner als das andere.

Außerdem gibt es ein „Grand Hotel“ und eine achteckige Kirche – auch aus Holz und weiß getüncht; wir konnten leider nicht rein, denn es war grade der Pfingstgottesdienst im Gange.

Wir lassen uns ein Eis schmecken (nicht teurer als bei uns!) und fahren nach anderthalb Stunden weiter.

Wir verlassen die Provinz (das fylke) Agder und kommen nach Rogaland. Und ehrlich gesagt, wissen wir da noch gar nicht, dass die nächsten 40 Kilometer die spektakulärsten sein werden, die wir seit Neuseeland 2019 gefahren sind!

Wir sind auf der E44, der Nordseestraße, die mehr oder weniger küstennah von Kristiansand nach Stavanger führt. Hinter der Grenze zu Rogaland windet sie sich geradezu dramatisch durch eine Landschaft, in der Trollkinder mit Steinen gespielt und hinterher nicht aufgeräumt haben.

Felswand an der E39 bei Mandal: Man sieht deutlich, welche Urgewalten gewirkt haben, um massives Gestein so zu falten.

Besserwisserabteilung:
Wir sind hier im Magma Geopark.
Vor rund 930 Millionen Jahren türmte sich hier (nicht nur hier, aber auch 😉) ein Gebirge auf, hoch wie der Himalaya. Es übte einen so starken Druck auf die tief darunter liegenden Gesteinsmassen aus, dass diese schmolzen und noch tiefer ins Erdinnere absanken. In 20-30 km Tiefe erstarrte diese Schmelze in großen Magmakammern. Man muss sich das so vorstellen, dass feste Kontinentalplatten auf dem (zäh)flüssigen Erdkern schwimmen, wie Eisschollen im Wasser: Sie können je nach Gewicht mehr oder weniger untertauchen, sich ineinander verkeilen, sich über- oder untereinander schieben, hochkant stellen, brechen, verbiegen (ok – da hinkt der Vergleich, Eisschollen biegen sich nicht). Genau das geschah vor ca. 500 Mio. Jahren: Die eurasische und die amerikanische Kontinentalplatte rumsten ineinander. Durch den enormen Druck wurden entlang der heutigen Westküste Norwegens tiefere Schichten nach oben gepresst und gefaltet und uns Magmakammern hier kamen an die Oberfläche. Auch die amerikanische Platte bekam was ab, hier entstanden die Appalachen. Und ständig ebnete die Erosion alles wieder ein, gegenläufig hob sich Land (weil die Platte leichter wurde). Ein ständiges Hin und Her. Die Eiszeiten haben den Felsen dann sozusagen den Feinschliff verpasst und alles rund geschmirgelt. Seit dem Abtauen des Eisschildes ist Skandinavien übrigens um ca. 800 Meter höher aus der Erdsuppe aufgetaucht – und hebt sich immer noch.

Eine Besonderheit ist die Gesteinsart die hier vorkommt: Anorthosit. Nie gehört – kein Wunder, gibt es auch auf der Erde kaum. Dafür massenweise auf dem Mond!

Am Aussichtspunkt hoch über dem Jøssingfjord weht eine so steife Brise, dass man Angst hat, vom Felsen gefegt zu werden 😂😂.

Hinter diesem „Pass“ geht es dann bergab und die Landschaft wird merklich ruhiger. Das können wir jetzt auch gebrauchen!

Wir machen einen Anstecher nach Sogndalsstrand, laut Volker ein Geheimtipp, abseits der Touristenströme.

Doch ein paar Touristen am Hafen
Blick vom Hafen zum Dorf

Nun, es mag ja sein, dass kaum „echte“ Touristen hier sind, dafür ist heute das halbe einheimische fylke anwesend, bei einer Art Volksfest mit Konzert (inkl. Solidarität für die Ukraine), Künstlermarkt und „Fressgass“. Sognsdalstrand ist eine Art Museumsdorf, voll mit Anitquitäten, Selbstgemachtem und Krimskrams. Überaus liebenswürdig! Mal steht eine Bank vor’m Haus, mal ein Bücherschrank, mal ein Tesla.

Überaus beschaulich sind die Pfahlhäuser in Sogndalstrand

Wir schlendern durch den bunten Trubel und lauschen der Musik, freuen uns über den Nippes und die netten Kleinigkeiten. Dann geht bes weiter zu unserem nächsten Standort Egersund. Dort ergattern wir den aller- nicht hinter, sondern – vorderletzten Stellplatz auf dem bobil parkering, mit unverparkbarer Sicht auf die Schokoladenseite von Egersund.

Typische Stadtansicht – sagt Volker.
Das Bild ist übrigens um 22:00 Uhr aufgenommen. Taghell ist es!
Unsere heutige Tour von Lindesnes Fyr (I) über Flekkefjord (A) und Sognesstrand (B) nach Egersund (C), 138 km in doch immerhin knapp 8 Stunden

Abendprogramm:
🥘👨‍🍳- 🔪 📺 – 🥱😴. In Worten: Kochen – Tatort – Bett.

Egersund: Stillgelegte Gleise und ein Steinkreis

Auch der Pfingstmontag ist in Norwegen ein Feiertag. Leider ist es heute trüb und auch ziemlich kalt und windig. So um die 12°C, mehr ist nicht drin, wenn die Sonne sich hinter den Wolken versteckt.

Aber wir sind ja nicht aus Zucker, heute ist Radfahren und Cachen angesagt:

In Egersund beginnt die Gamle Jærbanen, ein Fahrrad- und Wanderweg auf der Trasse einer stillgelegten bzw. neu gebauten Eisenbahnstrecke. In Deutschland recht häufig, ist das in Norwegen wohl eine Besonderheit – und dabei ist die Strecke gerade mal knapp 8 km lang 🤷‍♀️🤷‍♂️.

Neben der gamle = alten Bahnstrecke läuft die neue und die nutzt durchaus noch alte Trassenabschnitte und die Tunnel. Auch kreuzen sich alte und neue Strecke mehrfach. Dann muss der Radweg ausweichen und es geht richtig steil bergauf/bergab.

Immer wieder hat man schöne Aussichten über’s Wasser – ich weiß nun grad nicht, ob das ein See, ein Fluss oder ein Fjord ist. Das muss ja für die Kinder in Norwegen ganz schön aufwendig sein, sich in Heimatkunde das ganze Gewässerzeugs draufzuschaffen – und seien es nur die wichtigsten. Ganz zu schweigen von 150.000 Inseln 😲.

Eine Bemerkung für insider: Die norwegische Einschätzung der Terrain-Wertung ist gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig 😂. Da klettert man(n) gerne mal 10 Meter einen steilen felsigen Abhang hoch (nachdem man vorher schon 20 Minuten bergauf gekeucht ist, um überhaupt dahin zu kommen!) und das Ganze ist dann T 2.0 😲. Auf dem folgenden Foto lag oben links ’ne Dose, T-Wertung 3.0.

Man ahnt es schon: Die alte Bahnlinie war eine Schmalspurbahn.
Noch ein bisschen was Buntes: Lupinen und Ginster.

Da wir auf dem Hinweg alle Caches erledigt haben, sind wir rückzus nonstop in einer halben Stunde durch und genehmigen uns am HoGo Kaffee und Kekse! Dann geht es zu Teil 2 des Tagesprogramms: Sightseeing und Geocachen in Egersund. Wieder mal ein nettes Städtchen mit diesmal pastellig angemalten Holzhäusern und einer weißen Kirche.

Vor der Kirche begegnet uns auch das animal of the day, eine dicke Hummel, die vor lauter Pollen kaum noch flugtüchtig ist (wobei Hummeln ja angeblich sowieso nicht fliegen können dürften).

Ein highlight gibt es noch: Die Stoplesteinan. Nein, das sind keine Stolpersteine, sondern so was wie Stonehenge, also ein Steinkreis. Dieser hier diente aber nicht der Astronomie oder magischen Zwecken, sondern markiert wohl ein Gräberfeld, war also eine Art löchrige Friedhofsmauer.

Ein Hinweisschild gebietet uns die Fahrräder abzustellen: „nur bei Fuss“ ist die Devise. Das können wir bestätigen! Dann geht es noch 3 norwegische Minuten steil den Bersch enuff, wofür wir respektive ich eine Viertelstunde benötigen 🥵.

Oben angekommen, lege ich mich genau in die Mitte des Zirkels und …. die Wolken weichen und die Sonne 🌞 strahlt auf mich herab!

Doch ein magischer Ort!

Am Abend ist outdoor-Kitchen angesagt: Spargel-Pfannkuchen aus dem Grillo Chef. Überaus lecker mit einem Topping aus Rucola und sehr altem Balsamico.

Dienstag: Quantenmechanik

Wir verabschieden uns bei strah-len-dem Sonnenschein 🌞 von Egersund:

Heute ist Quantenmechanik angesagt: Man setzt mechanisch eine Quante vor die andere und das immer wieder nach der Formel (Qr x Ql)n. Manche nennen es auch Wandern.

OK – zum Frühstück gab es offenbar Clown 🤡, aber wenn der Pimmel eines Trolls auf dem Programm steht, braucht es schon Humor. Im Ernst jetzt: Wir wandern zu einer Felsformation, die Trollpimmel, zu norwegisch Trollpikken, heißt und – vermutlich – auch so aussieht (wir möchten ja hier nix vorwegnehmen).

Wir fahren ein paar Kilometer zum Parkplatz, der uns mal wieder 100 Kronen (ca. 8 Euro) ärmer macht. Von „überall umsonst mit dem Wohnmobil stehen“, wie es in den Reiseführern beschrieben ist, haben wir noch nicht viel bemerkt 😜. Dann geht es zu Fuß weiter, erst mal auf einem Fahrweg „flach“ voran, also das norwegische flach – unsereine/r würde es bergauf nennen.

Unser animal of the 30. Mai

Fast gleich zu Beginn begegnet uns das heutige animal of the day nebst Kind. Dann beginnt die „leichte“ Wanderung über Stock und Stein auf einem mäßig ausgezeichneten Wanderweg. Am End sucht man sich irgendwie einen der vielen Trampelpfade zwischen den Steinen und Felsen aus 😂.

An vielen Stellen ist es moorig und es wächst viel hübsches Wollgras.

Oben angekommen spitzelt schon der Trollpikken jenseits des Sees hervor.

Und hier nun in voller Pracht:

Am End ist es natürlich auch nix weiter als ein Fels unter vielen, der durch das stetige Wirken von Wasser und Frost abgesprengt wurde, der aber beim Runterfallen so prominent und phantasievoll eingeklemmt wurde. Das hat wohl 2017 jemandem nicht gefallen, zumindest wurde der arme Troll da entmannt: Mit schwerem Gerät haben Marodeure den Pikken an seiner Basis abgetrennt 😖😲, man fand ihn am Boden liegend – zum Glück aber noch in einem Stück. Dank crowdfundig kam innerhalb kürzester Zeit das Geld für die Rekonstruktion zusammen: Mit vier Stahlstäben und viel Epoxidkleber wurde der Pimmel wieder an Ort und Stelle befestigt. Wenn man genau hinschaut, kann man es erkennen.

Auf dem Rückweg begegnen wir unserem ersten, wenn auch kleinen norwegischen Vossen = Wasserfall (ehrlich gesagt, auch schon auf dem Hinweg) und meine Füße und Lymphgefäße kriegen ein erfrischend kühles Bad.

Nach ungefähr drei Stunden sind wir zurück am HoGo – gerade mal 5 Kilometer sind wir gewandert, aber es gab ja mal wieder soooo viel zu sehen.

Weiter geht es nun nach Jæren, eine für Norwegen ganz einzigartige Landschaft, flach und mit Stränden, landeinwärts fruchtbarer Boden, intensiv landwirtschaftlich genutzt.
So sieht das aus, wenn man am Meer steht …

… und so, wenn man im Vorbeifahren aus dem Autofenster schaut:

Wir nehmen Quartier auf dem Bauernhof! Auch in Norwegen gibt es Landvergnügen – hier heißt es Nortrip oder Nortripping. Wir haben die digitale Version für ca. 40 Euro gekauft und können nun jeweils 24 Stunden für umme auf den teilnehmenden Höfen bleiben. Bei dem, was wir bisher an Parkgebühren gelatzt haben, haben wir das locker in 2-3 Nächten raus!

Unser erster Nortrip-Hof ist der Erga-Hof in Orre. Hier gibt es Kühe und Hühner und einen netten Hofladen. Romantisch stehen wir nicht – zugegeben – aber es ist ruhig, wir haben Strom und WLAN und die Besitzer sind überaus freundlich.

Da das Wetter morgen schlechter werden soll, holen wir die Fahrräder vom Rack und radeln 7 Kilometer zum Strand – den schönsten in ganz Norwegen, wie uns unsere Gastgeberin versichert. Hinzus müssen eMil und eRich ganz schön gegen den Wind ankämpfen, da ist Holland aber nix gegen! Dafür werden wir wirklich mit einem fantastischen „Beach“ belohnt.

Dünen, ganz feiner Sand und ein türkisblaues Meer – ziemlich „unnorwegisch“. Ein halbes dutzend Kiter findet sich ein und wir beobachten fasziniert die manchmal halsbrecherischen Manöver, die sie auf dem Wasser und in der Luft vollführen.

Von solchen Bildern mit Meer und Strand kann man irgendwie nie genug kriegen 😍- also noch ein paar mehr davon!

An der westlichsten Spitze reicht ein steiniges Riff in die Nordsee, früher in der Seefahrt gefürchtet.

Am Abend starten wir einen neuen Versuch, den Tatort vom Pfingstmontag zu gucken. Das wurde in Egersund nix, schlechtes Wetter und zu schlechtes Netz für so viele Daten. Also wollen wir aus der Mediathek schauen, aber denkste: Da haben die öffentlich-rechtlichen sogenannte Geoblocker eingebaut. Die merken, wenn man über eine ausländische IP-Adresse zugreift und verhindern das. Über die Gründe mag man spekulieren (Kategorie: Das ist eine gute Frage!). Wir ordnen es unter Schikane ein 😤. Aber NICHT MIT UNS! Volker hat ein VPN am Start, damit sind wir anonym und die ARD-Mediathek gibt klein bei.

Dass wir Moritz und Bibi nur auf dem Handy zuschauen können, kümmert uns da nicht die Bohne!

Die Route:

Von Egersund (C) fahren wir zunächst zum Trollpikken (D), dann wieder zurück über Egersund (C) und weiter in die Nähe von Orre zum Nortrip Erga Gardsutsalg (E)

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