Nach der Strich und nach der Faden

23.9.-1.10.2022: Praktikum bei Polski4 und ein paar Tage in Moers

Endlich steht am Samstag das von den lieben mag_delaines für uns mitergatterte Praktikum bei den Popolskis an! Wir fahren schon ein paar Tage vorher los und machen es uns ab Donnerstag Abend in Moers gemütlich.

Moers ist eine alte Festungsstadt mit einem riesigen Park- und Freizeitgelände, in dem seine ca. 100.000 Einwohner alles vorfinden, was das Herz begehrt: Sportplätze, eine Eisbahn, ein Hallenbad, ein Naturfreibad, eine Halle für Events und Konzerte, Skateranlagen, viele Spielplätze und, und, und …

Im Park

Und am hintersten Ende von alledem einen ordentlichen WoMo-Stellplatz. In der Halle nebenan spielt am Wochenende die Punkband Betontod und so ist der Platz ab Samstag rappelvoll. Gut, dass wir vorher online gebucht haben.

Am Freitag satteln wir Erika und Erich und machen uns auf eine ausgedehnte (ca. 60 km) Radtour durch das „Revier“.

Eine kurze Geschichte des Steinkohlebergbaus:

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Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird in Deutschland in großem Stil Steinkohle abgebaut. Das „schwarze Gold“ lagert meist tief unter der Erde, im Tagebau kann man nur geringe Mengen fördern. Die ergiebigen Kohleflöze liegen in 1.000m Tiefe. Um Schächte so tief abzuteufen, muss man erst einmal durch eine 100 Meter dicke Mergeldecke durch. Das gelingt erstmals dem Unternehmer Franz Haniel im Jahr 1832. Er ist einer der prägenden Unternehmer seiner Zeit, besitzt eine Spedition, eine Kohlenhandlung, eine Reederei und eine Reihe weiterer Geschäfte. Mit der „Erfindung“ des Untertagebaus wird er zum Pionier des Kohlebergbaus im Ruhrgebiet. Unter anderem gründet er in Moers die Zeche Rheinpreußen; in Essen geht die Zeche Zollverein auf ihn zurück. So buddelt man sich im Ruhrpott 150 Jahre lang in die Erde.

Die Steinkohle ermöglicht erst die Dampfmaschine, dann die Stahlherstellung und die Waffenindustrie des 3. Reichs, und schließlich die Stromproduktion der Nachkriegsära. 1957 fördern über 600.000 Kumpel im Kohlebergbau, davon Zehntausende Gastarbeiter, 150 Millionen Tonnen Steinkohle.

Doch dem Höhepunkt folgt – naturgemäß – der Abstieg: Der aufwendige Steinkohlebergbau ist ab den 1960er Jahren nicht mehr rentabel, am Ende sind die Förderkosten für eine Tonne doppelt so hoch wie der Marktpreis. Selbst Kohle aus Australien ist billiger als deutsche, kommt sie dort doch in mächtigen oberirdischen Lagerstätten vor, nicht in 2 m dicken Flözen in 1000 m Tiefe. Eine Zeche nach der anderen schließt, Erdöl, später Atomenergie und Erdgas ersetzen die Kohle. Der „Kohlepfennig“ der Verbraucher, später der Staat, subventioniert den Abbau noch bis zum bitteren Ende. Im Dezember 2018 ist dann Schicht im Schacht: Das letzte Steinkohlebergwerk Prosper-Haniel in Bottrop macht dicht.

Was bleibt sind Bergarbeitersiedlungen, Fördertürme als Industriedenkmale und … die riesigen Abraumhalden.

Denn alles, was man an taubem Gestein ausbuddelt – und das ist mehr als die geförderte Kohle – wird zu riesigen Schutthalden aufgeschüttet, die heute als ca. 100 Meter hohe Hügel aus der flachen Landschaft ragen.

Halde Pattberg

Wie mag es dann wohl unter der Erde aussehen? Wie ein Schweizer Käse, durchzogen von Schächten und Stollen, die zumeist nicht wieder verfüllt sind. Risse in den Hauswänden sind mancherorts eher die Regel als die Ausnahme. Ab und zu sackt mal eine Baugrube ein oder die Erde senkt sich ein. Das gehört zu den Ewigkeitskosten des Kohlebergbaus, wie das Grubenwasser, das ständig abgepumpt werden muss, verklappte hochgiftige Filterstäube und verschmutztes Grundwasser.

Zechenkolonie Repelen: Arbeiter-Ghetto oder sozialer Wohnungsbau?

Wir drehen eine Runde: nach Norden – zum Rhein – nach Süden – zurück nach Moers. Vorbei an den Halden Norddeutschland, Pattberg und Rheinpreußen. Auf letzterer prangt das Geleucht, eine überdimensionale Grubenlampe. Auf der anderen Rheinseite liegt das riesige Fabrikgelände von Thyssen-Krupp Steel in Duisburg.

Hafen Orsoy, gegenüber Kraftwerk Walsum
Blick von der Halde Rheinpreußen. Die Industrieanlagen sind Thyssen Krupp Steel

Dazwischen Landschaft, Landwirtschaft und ein paar Gadgets.

Das Geleucht
Geleucht bei Nacht – haben wir leider nicht gesehen

Am Samstag steht dann die Stadt Moers auf dem Programm. Mit seinen knapp über 100.000 Einwohnern gilt Moers als kleinste Großstadt Deutschlands. Der Name kommt von „Morast“ und der wiederum vom Rhein. Der floss nämlich bis vor ein paar Hundert Jahren hier noch vorbei.

Daher rührt der Untergrund aus Sand und Kies, der hier auch ausgebaggert wird. Der Rhein schuf hier mit seinen Mäandern auch Donken und Kendel – das eine sind leicht erhöhte Gebiete innerhalb der ehemaligen Fluss-Schleifen, Kendel die tiefer liegenden Flussbetten. Es sind aber nur wenige Meter Höhenunterschied.

Dem historischen Rheinverlauf verdankt Moers auch seine Gründung: Wer hat’s erfunden? Die Römer! Die unterhielten hier einen Hafen und ein Militärlager

Um 1280 kam es – warum auch immer – zu einer Verlegung des Rheinlaufs und Moers lag nur noch an der Moerse – ähh – am Moersbach.

Regiert wurde die Region um Moers von einem Grafengeschlecht, noch heute nennt man die Gegend deshalb „die Grafschaft“. Die war aber klein und stand unter der Fuchtel ihrer Nachbarn, des Erzbistums Köln oder der mächtigeren Grafschaften Kleve, Berg oder Geldern. Dann starb das Grafengeschlecht aus und Moers kam um 1500 an die Grafen von Neuenahr. Die führten den Protestantismus ein und bauten sich ein schönes großes Schloss.

Allerdings geriet die Grafschaft in die Wirren des spanisch-niederländischen Krieges, es sind ja nur 30 km bis zur niederländischen Grenze, und wurde von den Spaniern besetzt.

Als sich dann Graf Adolf zu allem Unglück noch beim Hantieren mit einer selbstgebastelten Bombe (genauer: einer Petarde) in die Luft sprengte, schenkte seine Witwe die Herrschaft an Moritz von Oranien (ein Sohn des Vaters der Niederlande, Wilhelm von Oranien). Der kampferprobte junge Mann vertrieb die Spanier und baute Moers zur Festungsstadt aus.

Das wäre nicht nötig gewesen, denn bis auf ein paar kleine Kabbeleien mit den Nachbarn aus Kleve/Jülich blieb Moers von Kriegen verschont, sogar der 30-jährige Krieg ging an der Stadt spurlos vorbei. Die Oranier traten kampflos von der Bildfläche, indem sie mit Wilhelm III. ausstarben und Moers fiel um 1700 aufgrund irgendwelcher ollen Verträge und Verbandelungen an Preußen in persona Friedrichs I. (der Opa vom alten Fritz). Das fanden die Niederländer zwar nicht wirklich lustig, aber aufgrund irgendwelcher anderen ollen Verträge und Verbandelungen taten sie auch nicht wirklich was dagegen.

Die Preußen behielten die Grafschaft Moers (die übrigens mittlerweile ein Fürstentum war), schleiften die Festungsanlagen (eher halbherzig, man sieht sie noch), wichen mal kurz Napoleon, bekamen Moers wieder zurück und irgendwann ging das alles dann im Deutschen Reich auf – oder unter, wie man’s nimmt..

Wir cachen uns durch die Stadt und begegnen dabei auch dem wohl prominentesten Moerser Bürger und bekennenden Niederrheiner Hanns Dieter Hüsch.

Am Abend bereiten wir uns dann auf das Praktikum bei der Familie Popolski vor, das uns überhaupt hierher geführt hat.

Pawel Popolski ist einer Erfindung des Musikers und Kabarettisten Achim Hagemann, der zusammen mit Hape Kerkeling zum Beispiel „Hurz“ geschrieben hat. Oder auch die Musik zu „Kein Pardon“.

Der Popolski Show erfand Hagemann 2008 und tourt seither damit gelegentlich sogar durch die Lande: Wir sichern uns gleich mal die fast letzten verfügbaren Karten für den 12.11. in Emmelshausen!

Statt der viele Worte, hier einfach mal der Logeintrag vom 25.9.:

Mein lieber der Cherr Gesangsverein! Der war der geile Scheiss mit der Praktikum bei der Sender von der Polski4.

Aber von der Anfang: Chaben wir der Platz nach der Aufnahmeprufung nicht  bekommen, weil der so viele Praktikanski vor uns waren. Fur der Gluck chaben der mag_delaines einer Platz ergattert und weil der chabe Angst fur alleine bestehe, chabe uns auch angemeldet. So geht der! Also chaben wir 9 Monate geubt Polski fur der Anfanger und dann sind wir mit der Schlachtschiff von der Wohnmobil schon mal vorgefahren, guckst du was geht ab da bei der Gegend.

Cheute in der scheisse fruhe Morgen sind wir dann mit der ganze Geraffel los. Warum der Praktikanski bei der Radiosender einer Radio mitbringen muss chaben wir nicht verstanden. Und chat der keine Wasser da? Und auch keine Strom und keine Kantine? Wie der Laden von der Saft! Und dann der Aufgaben, du meine Gute, der Familie kriegt ja gar nix alleine auf der Reihe, der mussen alles der Praktikanskis machen! Fur der Gluck war der PÜV und der  Gewerkschaft auf der Zack: Der mag_delaines wollten durcharbeiten, wir aber chabe immer streng der Wudka-Pause eingechalten. Na zdrowie! Der bekloppste Aufgaben ging ganz gut, immer zwei, drei trube Tasse und einer mit der blasse Schimmer. Nur einmal chatte alle vier der Chohlbirne. Und eInmal der Wurstfinger. Muss man sich chalt dann anhoren der Beleidung von der Chackfresse von der Chef! Machst du der Ohren auf der Durchzug und gut der ist. Der Frau mag_delaine chat der Buchfuhrung super aufgeschrieben nach der Strich und nach der Faden, auch der Scheiss, wo wir noch nicht mal chaben gesehen oder kapiert. Auf jeder Fall waren wir szybko szybko durch mit der ganze Brimboriumski und der Polkaprufung punktlich um der chalb funf. Wollten wir cheim fahren, aber ney nanana, war der Stempel fur der Zeugnis  futschki und wir mussten der auch noch suchen. Ist schon der Saftladen, der Polski4. Bis auf der Versorgung mit der Wudka, der war dobrze. Chatten wir der Wohnmobil stehen lassen auf der Stellplatz und sind gefahren mit der kleine Autochen von der mag_delaines, da war der minimalski chackedicht kein Problemski.

Jetzt wir wunsche dass der bekloppste Polski Akzent irgendwann wieder aufchort. Vielleicht der geht weg mit der Eierlikor chinter der Tapete kleistern? Oder mit der Favoritepunktchen einwerfen. Wir sagen do widzenia und dziekuje fur diese Praktikum. Der glaubt man gar nicht, aber der war uberhaupt nicht so ubel.

PS: macht der Wudka der Nebenwirkung von der Schnarchen? Du meine Gute, chat der Cherr betazed cheute Nacht gechobelt und gesagt, als gibt der kein Morgen mehr.

Ein gigantischer Spaß!

Für Geochacher: ab hier SPOILERZONE!

Uberchaupt nicht so ubel!

Wir fahren danach nach DD zum längst überfälligen Besuch bei den Enkelchen. Auf dem Rückweg legen wir eine Übernachtung in Bad Berka ein. Wenn ich die Zeit finde, kommen davon noch ein paar Bilder und Worte.

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