Welterbe in a nutshell

Sonntag, 6. August 2023, Trysunda

Heute fahren wir Schiffschebootsche!

Um 11 Uhr legt die Minerva ab und fährt mit uns und etwa 10 anderen Passagieren hinüber auf das Inselchen Trysunda. Einst waren es drei noch kleinere Inselchen, durch drei Mini-Sunde (oder Sündchen) getrennt – daher der Name – aber dann hob sich das Land … das hatten wir nun ja zur Genüge.

Die Minerva dreht mächtig auf, der Bug kommmt hoch, da muss man sich auf der Bank gut festhalten! Im Hintergrund erkennt man, dass unser bärtiger Mitreisender nicht nur sich, sondern auch seine Kippa festhalten muss, vor allem weil es an Haupthaar darunter mangelt, an dem er sie feststecken könnte 😂 – das ist nicht despektierlich gemeint, er musste selber schmunzeln!

Die Minerva bringt uns binnen einer halben Stunde in eine Postkartenidylle!

Die Minerva düst ab.
Ihr Schwesterschiff, die MS Ulvön, wird uns um 16:40 Uhr wieder abholen.

Wir kommen uns ein bisschen vor, wie in der Truman Show, zumindest wirkt das alles zu schön, um wahr zu sein! Kein Souvenirladen, keine Reklame, kein Geschäft, keine Autos! Die paar Hansel an Touristen verlaufen sich im Nu, und dann sind wir alleine! Das in Norwegen? Undenkbar!

einmal rundherum

Wir haben einen Plan, nämlich eine Rundwanderung um den rechten Teil der Insel, mit Abstechern zu den drei Stränden, die jeweils mit einem Geocache bestückt sind. Auch wenn das nur eine kleine Runde ist (3 km), haben wir Proviant und Badesachen eingepackt, denn unser Wandertempo ist legendär langsam und unterwegs gibt es natürlich keine Einkehr.

Es fängt schon damit an, dass wir uns erst einmal eine knappe halbe Stunde an dem bezaubernden Kirchlein (nebst Cache) aufhalten. Die Tür ist zwar abgeschlossen, doch oben rechts hängt unübersehbar der riesige Schlüssel für die Eingangstür.

Sogar hier der freistehende Glockenturm

Das Betreten des Innenraums ist wie eine Zeitreise! Die Wandmalereien, die Kanzel mit Stundenglas, der schlichte Altar mit dem Bild des letzten Abendmahls – alles von anno dunnemals (17. und 18. Jahrhundert).

Spätestens jetzt komme ich zu der Überzeugung, dass die Schweden dieses angebliche Fischerdorf nebst Zubehör abends säuberlich einpacken und wegstellen, und am nächsten Morgen kommt einer, und stellt alles wieder auf 😂.

Als sehr echt entpuppt sich indes der Kapellenberget, den wir spontan zu Beginn der Rundtour erklimmen.

85 Höhenmeterchen, die es in sich haben!
Geschafft!

Wieder unten, geht es rund! Ob der überschaubaren Entfernungen sind wir ratzfatz an Bucht Numero 1, der Rödskateviken, der Rötelbucht.

Ein orangeroter Strand aus Nordingra-Granit, im vorderen Teil als Kies im hinteren Bereich erkennt man am Bild oben schon die Felsküste, die sanft ins Wasser abfällt.

Das Spiel von Farben und Formen, wenn das Wasser auf die Felsen spült, ist faszinierend!

Für den hiesigen Geocache müssen wir uns ein Stück vom Weg abwenden und durch die „Pampa“ großer Felsbrocken. Eine richtige Wildnis! Die Rentierflechten knistern unter unseren Schritten und andere Flechten legen sich wie Spitzendeckchen auf die Steine.

Nachdem wir a) den Cache und b) zum Weg zurück gefunden haben, steuern wir die Bärenbucht, Björnviken, an. Was für ein wunderbarer Sandstrand! Der muss nun mal gar keinen Vergleich scheuen! Und auch die Badeschuhe hätte es nicht gebraucht – feiner weicher Sand auch im Wasser! Großartig!

Und dazu sind wir hier fast mutterseelenallein! Weiter hinten liegt ein kleines Motorboot vor Anker und drei Leute sonnen sich, später kommen noch zwei mit so einem Wassermoped – das war’s.

Natürlich gehen wir schwimmen bzw. baden, 19 Grad hat das Wasser, eine sehr angenehme Temperatur, in der man es bestens „aushalten“ kann. Herrlich!

Auf dem Weg zur dritten Bucht kommen wir an dieser alten Dampfmaschine vorbei: Um 1900 wurde gab es für eine kurze Zeit Bergbau auf Trysunda, man suchte nach Eisen- und Vanadiumerz. Das Ganze war wenig erfolgreich und die Unternehmer nach wenigen Jahren pleite. Die Dampfmaschine ließ man einfach zurück, anscheinend war sie wertlos.

Dann kommen wir zum Storviken, der großen Bucht und das ist so ein „save the best for last“-Erlebnis. Erst laufen wir über ein Feld von faustgroßen Steinen, rot, weiß und grau. Dann werden diese Steine immer größer, schier endlos dehnt sich die Fläche vor uns aus! Und am End sind es kopfgroße Steine in feinstem weiß und rot! Ein fantastischer Anblick!

„Klappersten“-Felder nennen das die Schweden, und wer einmal drüber gelaufen ist, der weiß warum! Es klappert und klackert bei jedem Schritt wie Billardkugeln 😂.
Sehr witzig sind auch die Fichten (oder sind es Tannen), die auf diesen Steinteppichen wachsen: Oben rum nur spärliche Äste, aber die unteren sind weit ausladend und liegen wie Teppiche über dem Boden!

Nach all diesen Naturschönheiten werden wir am Ende noch von einer besonders schönen Skulptur überrascht: „Wellenbewegungen“ heißt sie und sieht aus jedem Blickwinkel anders aus. Das kann man gar nicht beschreiben, das muss man gesehen haben!

Das Werk wurde 2017 aus dem Nachlass des uns inzwischen bekannten Herrn Nätterlund gekauft.

Damit ist dieser großartige Spaziergang zu Ende, es ist auch schon Viertel vor vier, bald Zeit zur Abfahrt. Wir marschieren noch fix durch das ganze Dörfchen auf die andere Seite der Bucht, hier gibt es eine putzige (was sonst) Jugendherberge mit einem Mini-Lädchen, wo wir uns ein Kaltgetränk kaufen.

Ganz am End entdeckt Volker noch einen Aussichtshügel und bringt von seinem Sprint da hinauf dieses schöne Abschiedsfoto mit:

Es ist wirklich wie aus dem Bilderbuch!

Wir sind hellauf begeistert – auch heute, einen Tag später, wo ich das aufschreibe. Das war ein Highlight, rundum! Hier würd‘ ich eine Woche bleiben, jeden Tag in eine andere Bucht, einen Tag Blaubeeren sammeln, einen anderen Steine, einen am Strand abhängen, einen auf den Felsen sonnen, einen durch das Dorf stromern ….

Den Schweizern, die wir heute getroffen haben, haben wir Trysunda wärmstens empfohlen, es vereint auf kleinstem Raum alles, was es an den Höga Kusten zu sehen gibt:

malerisches Fischerdorf ✅
Aussichtsberg ✅
historisches Kirchlein ✅
Wildnis ✅
feinster Sandstrand ✅
Kullerstein-Strand ✅
Küste aus rotem Granitfels ✅
Erklärtafeln zu alledem ✅
Stechmücken 😤✅

Es mag ja sein, dass es das anderswo auch oder größer oder höher oder sonstwas gibt, aber hier ist alles zusammen auf einer Insel: Welterbe in a nutshell eben.

Ihn hier müssen wir noch nachreichen: Das ist Alwin, 9 Jahre alt und ein überaus liebenswürdiger Geselle. Er tollte am Kirchlein „freudestrahlend“ auf uns zu, kurz drauf kam sein Herrchen hinterher mit den Worten „He tends to run away, he loves people“ 🤣. Eindeutig mal wieder ein Animal of the Day!

Am Abend gibt es vor dem Sonntags-Tatort stilechtes schwedisches Essen: Köttbullar mit Kartoffelpüree und Gurkensalat! Den Gurkensalat hab ich selber gemacht 🤗.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.