Bei die Wikingers

17. August 2023: Haithabu bei Schleswig

Nun haben wir uns wacker fast drei Monate lang um sie rumgedrückt, aber heute ist Schluss damit: Wir besuchen die Wikinger – oder was von ihnen übrig ist. Und das machen wir in good old Germany nicht irgendwo, sondern mal wieder an einer UNESCO-Welterbestätte: Haithabu.

Wikinger kennt jeder! Sollte man meinen. Aber hätte man uns vor dieser Reise gefragt, wann es die denn überhaupt gab und wo, wären ich ins Faseln geraten. Aber da sind wir gar nicht mal so allein auf weiter Flur. Zwar lässt sich eine „Wikingerzeit“ eingrenzen, ziemlich genau sogar, von 793 bis 1066: 793 überfällt eine große Flotte nordischer Piraten das Inselkloster Lindisfarne vor der nordenglischen Küste. Als das Ende der Wikinger gilt der Tod des Norwegerkönigs Harald Hardrada in der Schlacht von Stamford Bridge im Jahr 1066, in der 2 „Nordmänner“ um die Herrschaft in England kämpfen. Der siegreiche aber geschwächte Harald II – ebenfalls skandinavischer Herkunft – wird 3 Wochen später in der bekannten Schlacht beim Hastings durch den (französischen) Normannen Wilhelm der Eroberer besiegt. Wenn zwei sich streiten … Aber das nur nebenbei.

Zwischen diesen beiden Daten berichten zeitgenössische Quellen von Plünderungen, Raubzügen, Piraterie, meist vom Wasser aus, manchmal auch zu Lande durch räuberische Horden aus Skandinavien, die sie Wikinger nennen. An dieser Definition einer seefahrenden Räuberbande kommt man leider nicht vorbei. Dabei spielt es keine Rolle, von wem diese Banden angeführt werden und man kann sie auch nur sehr grob verorten: sie stammen aus Norwegen, Schweden oder Dänemark. Die Wikinger sind also kein Volksstamm, keine Ethnie, sondern Beschäftigte im Bereich Bandenkriminalität. Die Piraten des Mittelalters. Dieser wunderbar sarkastische Youtube-Beitrag fasst das sehr schön zusammen. Absolut sehenswert! Auch Planet Wissen stellt klar: „Das Wort Wikinger bezeichnet … keine ethnische Zugehörigkeit, es ist vielmehr eine Zustandsbestimmung: Ein Wikinger ist ein Skandinavier, der sich auf Beutefahrt befindet.“

Die skandinavischen Bauern, Fischer, Händler, Tuchmacher, Töpfer, Bäcker, Frauen, Männer, Kinder und und und, die ihr Lebtag lang kein Schiff betreten geschweige denn irgendjemanden überfallen hätten per definitionem also keine Wikinger, sondern „nur“ Waräger oder Angeln, Sachsen, Dänen oder Volksstämme, deren Namen zu unbedeutend sind, als dass sie heute noch einer kennt! Wenn sich aber um das Jahr 900 ein Bauern-, Fischer- oder Töpferssohn aus den teils trostlosen, kargen Breiten Norwegens aus Perspektivlosigkeit einer plündernden Seefahrerhorde angeschlossen hat, dann finde ich das nicht weiter verwunderlich. Und den nennen die Überfallenen dann Wikinger. Es ist zu alledem nämlich auch keine Selbst- sondern eine Fremdbezeichnung.

Insofern ist die oben erklärte Zeitrechnung eigentlich Quatsch: Harald Hardrade war ein hoher Adliger der Anspruch auf den englischen Königsthron erhob und „regulär“ in den Krieg zog – kein Wikinger also.

Nun aber wirklich zu Haithabu!

Es dürfte nun klar sein, dass Haithabu zwar in der Wikingerzeit bestand, dass hier aber keine Wikinger lebten! Es waren Dänen oder Jüten. Die Siedlung, um 770 gegründet, war eine florierende Handelsmetropole, der mit der gesamten damaligen Welt in Verbindung stand. Und natürlich wurden von hier aus keine Überfälle gestartet! Auch die UNESCO nennt in ihrer Begründung an keiner Stelle irgendwelche Wikinger als Bewohner Haithabus.

Wir finden es bedauerlich, dass – wohl aus billigen Marketinggründen – das Wikingerklischee dennoch hier auf Schritt und Tritt bemüht wird und keiner sich Mühe gibt, damit mal aufzuräumen. Hägar der Schreckliche und Wickie lassen grüßen 😏. Wir ärgern uns auch immer grün und blau, wenn auf Burgen der Eindruck erweckt wird, jeder sei Ritter gewesen und den ganzen Tag in einer Rüstung rumspaziert 😖.

International vernetzt

Neben dem Handel (und durch ihn) war das Handwerk eine weitere Säule des Wohlstands der Siedlung: Man stellte Waren aus Rohstoffen aus aller Welt her: Gold-, Silber- und Bronzschmuck, Glasperlen, Schmiedewaren, Tuche, Lederwaren … für den Weiterverkauf und den Eigenbedarf. Ein wichtiges und lukratives Handelsgut waren Sklaven.

Das Museum zeigt Ausgrabungsfunde von Alltagsgegenständen, Waffen und Schmuck, die besonders wertvollen Exponate sind Grabbeigaben.

Eisenwaren von A-Z
Modell des Grabs einer sehr reichen Frau.Man sieht, dass trotz Christianisierung an heidnischen Begräbnisriten festgehalten wurde: Man gibt den Toten Kleidung, Essen, Schmuck, manchmal sogar Pferd und Diener für das Jenseits mit. Sicher ist sicher!
Handel mit Waren und Rohstoffen aus allen Himmelsrichtungen
Mühlsteinfragment aus der Eifel! Solche Mühlsteine für den Export haben wir im Vulkanmuseum in Mayen gesehen. Immer wieder schließen sich Kreise!
Wunderschöner Schmuck

Im Bereich des Hafens hat man Reste eines Langschiffs gefunden, vermutlich ein Kriegsschiff. Ob es zur Verteidigung Haithabus diente bzw. wem es gehörte, wissen wir nicht. Die Relikte (viel isses nicht) sind ausgestellt, dazu eine Teilrekonstruktion und 2 Modelle (Kriegs- und Handelsschiff). Für Schiffe der Wikingerzeit sollte man nach Roskilde! Da sind viele gefunden worden und sie werden originalgetreu rekonstruiert und liegen fahrbereit im Hafen. Wir hatten dafür leider zu wenig Zeit. Zumindest ist Volker abends durch den Hafen spaziert und hat ein paar Fotos von den rekonsturierten Schiffen der Wikingerzeit gemacht. Roskilde kommt auf die „Da wollen wir nochmal hin“-Liste.

Nach dem Museum geht es in das Außengelände. Haithabu liegt am Haddebyer Noor, einem geschützen Haff mit Zugang zur 42 Kilometer entfernten Ostsee über einen schmalen Meeresarm, die Schlei. Über einen kurzen Landtransport zur Eider war man auch fix mit der Nordsee verbunden. Auf der Landseite schützte ein Wall die Siedlung und ihre bis zu 1.500 Bewohner.

Man hat 7 Häuser rekonstruiert und im Sommer führen hier „Wikinger“gruppen alte Handwerkstechniken vor, machen Workshops und sorgen für ein authentisches Ambiente.

Es ist wirklich klasse angelegt und wird durch die sachkundigen Vorführungen unterhaltsam gestaltet. Ich bin zwar kein Fan von Mittelalterspektakel und -märkten, doch Claudias Vorstellung zum Schwertkampf und vor allem die Erläuterung unterschiedlicher Pfeile war wirklich interessant und lehrreich. Und ihr nordisch-trockener schlagfertiger Humor ein Erlebnis 😂.

Haithabu wurde mehrfach angegriffen, dreimal niedergebrannt und zweimal wieder an gleicher Stelle aufgebaut. Nach der 3. Zerstörung 1066 durch die Slawen gab man die Siedlung auf und zog ans andere Ufer der Schlei, ins heutige Schleswig.

Nach dem Besuch von Haithabu beziehen wir Quartier auf einem Landvergnügen Hof in der Nähe, der Meierei Geestfrisch der Familie Sierke. Wir stehen neben dem Ammenstall, wo die neugeborenen Kälbchen von älteren Tieren gesäugt bwerden, die nicht mehr viel Milch geben, aber als Ammenkühe noch gut taugen.

Wie die Wikinger überfallen und plündern wir den Hofladen – zahlen aber am End doch die Rechnung.

Heute haben wir nun endgültig Skandinavien verlassen. Wir sind von Anslet Strand (H) am Kleinen Belt nach Haithabu (I) gefahren, und anschließend zu unserem Landvergnügen Hof bei Krapp (J), 135 km in 7 Stunden.

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