Kloster Maulbronn

27./28. April 2024:
Esel, Hesse und Herrgottsbescheißerle

4 links, 4 rechts
Von Schwetzingen nach Maulbronn

Der schöne Frühlingstag begleitet uns auf der kurzen (62 km) Fahrt nach Maulbronn, wo wir doch tatsächlich wieder den letzten freien Stellplatz ergattern. Man kann es auch Stellplätzle nennen, knuffig klein ist der Platz. Zudem sind wir hier im Württembergischen – für uns klingt das wie schwäbisch.

Wir machen uns in einem aufopferungsvollen Selbstversuch auch sogleich mit der lokalen Spezialität bekannt, der Maulbronner Nudeltasche, kurz Maultasche.

Zur Maultasche wird eine lustige Story serviert, nach der ein hiesiger Mönch in der Fastenzeit in den Besitz eines Stücks Fleisch kam. Das durften die Brüder aber nicht essen, weshalb er es zusammen mit Gemüse klein hackte und das Ganze in Nudelteig einrollte. Wenn der Abt die verbotene Speise nicht erkennen würde, dann würde auch der Herrgott auf den Schwindel hereinfallen. So wurde in Maulbronn angeblich die Maultasche, das Herrgottsbescheißerle, erfunden. Samt dieser Geschichte 😂. Etwas Wahres ist dran, denn es war in der Tat so, dass Mönche sehr erfinderisch waren, wenn es darum ging, den schmalen und zumeist fleischlosen Speisezettel, den die Ordensregel vorgab, zu erweitern. So wurde alles was im Wasser lebte, als Fisch bzw. Wassergemüse deklariert – auch Biber, Fischotter und Enten.

Sonntag, den 28. April, haben wir für den Besuch des Klosters reserviert. Hier kann ich auch endlich mal unsere Freikarten loswerden, die die Verwaltung der Schlösser und Burgen BaWü 2021 am Valentinstag unter dem Motto Küss mich verschenkt hat. Die Sparfüchse aus dem StKW haben mich damals drauf gebracht (😉 insider) und heute – zack – 18 Euro Eintritt gespart!

Die Unsitte, sich an Mauern zu verewigen, gab es schon zu Hölderlins Zeiten

Die Zeit bis zum Beginn der Klosterführung verbringen wir im kleinen, feinen Literaturmuseum der Abtei. Nach der Reformation war hier nämlich ein theologisches Seminar untergebracht, in dem eine ganze Reihe namhafter Persönlichkeiten eingecheckt waren, allen zuvörderst die Herren Kepler (um 1585), Hölderlin (um 1785) und – nochmal gut 100 Jahre später – Hermann Hesse.

Da flogen die Telegramme:
Krisen-Korrespondenz Vater Hesse mit Lehrer Paulus: „Wir wissen nichts“

Hesse kam aber nur für ein halbes Jahr 1892/93 in den Genuss des klassisch-theologischen Unterrichts: Er fand das alles ganz furchtbar, türmte und ward der Anstalt verwiesen. Seine gesammelten Eindrücke hat Hesse sodann in vielen seiner Prosa verarbeitet, insbesondere in der Novelle „Unterm Rad“. Die folgenden Jahre verbrachte der Jüngling zwischen Rebellion und Depression in verschiedenen Schulen, Nervenheilanstalten und bei Lehrmeistern. Erst eine Lehre als Buchhändler traf seine Interessen und passte zu seinen Ambitionen als Schriftsteller.

Ich hab mit Hesse nix am Hut, den Steppenwolf musste ich wohl mal in der Schule lesen, kann mich aber nicht erinnern. Ich glaub, mir war der zu problembeladen. Volker hingegen war als Schüler sehr angetan vom literarischen Werk Hesses.

Da ist er in guter Gesellschaft mit Udo Lindenberg, der uns im Museum in einem Filmchen begrüßt und über seine Verehrung für HH vor sich hin nuschelt 😂.

Anschließend gibt es eine Stunde Führung durch das Kloster, sehr informativ und interessant!

Kloster um 1891 Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=156806

Die Anlage ist riesig! Im vorderen Bereich sind die Wirtschaftsgebäude – Ställe, Schmiede, Bäckerei, Mühle, Wagnerei, Speicher …-, im hinteren Bereich die „Klausur“: Die Klosterkirche und Domizile der Mönche.

Von LoKiLeCh, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15259429

Maulbronn ist ein Zisterzienser-Kloster. Dieser Orden wurde 1098 von Robert von Molesme gegründet, einem Benediktinermönch, dem das Ordensleben zu lasch geworden war. Selbst im berühmten Kloster von Cluny, dem religiösen Zentrum des Mittelalters frönte man mehr dem dolce vita als dem „ora et labora“ des Hl. Benedikt.

Molesme und ab 1112 Bernhard von Clairveaux machten Schluss mit lustig! Arbeit und Gebet statt Völlerei und Müßiggang sollten die Mönche im neu gegründeten Kloster in Citeaux leben (sprich: Zittoh – daher der Name Zisterzienser. Der hat nix mit Zisternen zu tun). Ziel war es, sich nicht von abhängigen Bauern versorgen und verköstigen zu lassen, sondern eine sich selbst versorgende Gemeinschaft zu etablieren. Allerdings merkten die Mönche bald, dass 8 bis 10 Stunden ora über Tag und Nacht verteilt ganz schön viel Zeug ist und für das labora irgendwie keine Zeit mehr übrig war: Gebäude errichten, Felder bestellen, Ernten, Lebensmittel verarbeiten, Tiere versorgen, Kleidung nähen, Kochen, reparieren und und und …. das bisschen Haushalt eben. Erschwerend kam hnzu, dass die Mönche Adelsfamilien entstammten und von Handwerk und körperlicher Arbeit null Ahnung hatten. So kamen die Zisterzienser auf die glorreiche Idee der Arbeitsteilung: Die eigentlichen Mönche lebten in Klausur und kümmerten sich um das Beten, Singen und Lobpreisen. Für die labora gab es Laienbrüder, auch Insassen des Klosters, die aber mit einer Stunde beten durch waren und den Rest des Tages als Handwerker, Bauern, Köche und Hausmeister arbeiteten. Verhältnis etwa 3 Laienbrüder auf einen Mönch.

So war es auch in Maulbronn. Das hiesige Kloster wurde aufgrund einer Schenkung Mitte des 12. Jahrhunderts gegründet: Der Bischof von Speyer schenkte gründungswilligen Mönchen aus dem Elsass ein abgelegenes Gebiet im Salzachtal. Die zogen der Sage nach mit einem Maulesel los, um eine geeignete Stelle zu finden: Steine brauchte es und vor allem Wasser. Für letzteres sorgte das Eseltier, als es an der Stelle des heutigen Klosterbrunnens stehen blieb, mit dem Huf kratzte und siehe da – eine Quelle! Die nannte man Maultierbrunnen, kurz Maulbronn. Kann man glauben, muss man nicht, ist aber nett 😄. Um die Quelle herum wurde dann das Kloster errichtet. Der Brunnen ist im Kreuzgang zu bewundern.

Hauptportal: die älteste Tür Deutschlands, 800 Jahre alt.

Die Zweiklassengesellschaft der Zisterzienser sieht man der Klosterkirche an: Kommt man durch das prächtige Portal, steht man in der Laienkirche (also heute kann man sitzen, damals nur Stehplätze). Dann kommt der Lettner, die Chorschranke, und dahinter das Chorgestühl: 92 holzgeschnitzte Ein-Personen-Abteile mit Notsitz (für Ältere, der Rest musste auch hier stehen).

Der Kreuzgang mit einer 100 Jahre alten Magnolie
Das Kloster war durch Wehrmauern und einen Flutgraben gut gesichert. Das Wasser kam aus umliegenden Stauseen, die die Laienbrüder angelegt hatten.

Mit der Reformation kam das Aus für die Zisterziensermönche: Der Landesherr durfte sich die Konfession seines Landes aussuchen und schwupps – war das Herzogtum Württemberg ab 1556 evangelisch. Nicht, weil der Herzog ein überzeugter Anhänger Luthers gewesen wäre, sondern, weil damit das Kloster nicht mehr der Kirche, sondern dem Staat – also ihm – gehörte. Der Wirtschaftsbetrieb war ja nicht von Pappe! Aus der Klausur machte man eine Schule zur Ausbildung der noch nicht vorhandenen evangelischen Priester.

Heute ist die Klosterschule ein Gymnasium 9.-12. Klasse mit Internat für ca 100 Schüler. Aber kein Nobelinternat, wie uns unsere Guide versichert.

Anekdote: Der „Elfinger“ Wein war kostbar und wurde nicht getrunken, man durfte nur die Finger reintauschen und die Tropfen ablecken. Da wünschte sich mancher, er hätte 11 Finger.

Wir kümmern uns im Anschluss um die Geocaches in der Nähe. Dies ist zuvörderst ein sehr alter Multi aus dem Dezember 2001. So geht es nochmal kreuz und quer und hoch und runter, bis wir alles beisammen haben und bei einem Gläschen Wein der Toplage Eilfinger (das Piffchen für vierfuffzisch 💰️) die Finalkoordinaten ausrechnen.

Das Final finden wir dann in ca 1 km Entfernung, den Bersch enuff und dann wieder runter beim hübschen Studentenbrünnle 😍.

Damit beschließen wir den schönen Tag und verziehen uns in unser tiny Haus auf Rädern. Blog, Essen, Tatort, Bett!

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