Mattstall, Mai und Maginot

1. Mai 2024: France Passion auf der Ferme der Familie Suss in Mattstall

Landvergnügen auf Französisch heißt France Passion. Da sind wir natürlich angemeldet und können für schlappe 33 Euro bei richtig vielen landwirtschaftlichen Betrieben einen Tag/Nacht für umme campieren.

Von Wissembourg (H) nach Mattstall (I), 21 km

Unser erster France Passion Anlaufpunkt ist die Ferme laitière der Familie Suss. Schon die Anfahrt ist total schön und sehr ländlich! Der Hof liegt etwas außerhalb und beherbergt 56 Milchkühe und dazu noch Färsen und Kälber, insgesamt ca. 100 Rinder. Heute am 1. Mai kommen die Kühe auf die Weide.

Heute ist „Almauftrieb“ und die Mädels kommen raus.

Trotz der vielen Arbeit werden wir extrem freundlich empfangen und auch hier heißt es: Im Elsass spricht man – selbstverständlich – deutsch! Wir stehen total schön – wenn auch hinter einem Holländer – auf der Wiese vor dem Ferienhaus, das auch zum Hof gehört.

Das Wetterchen ist prachtvoll (noch 🫣) und wir machen uns auf eine Fahrradtour, die wir gestern schon in Komoot gefunden haben. Auch in Frankreich ist der 1. Mai ein Feiertag, entsprechend ist es sehr ruhig – man könnte auch sagen wie ausgestorben. Scheinbar sind die Leute alle zu Hause oder beim Volkswandertag, der heute stattfindet. Für uns geht es auf und ab, durch schnuckelige Ortschaften und leuchtend grüne Wälder.

Und ins Tal der Sauer, die wir hier nicht erwartet hatten. Es ist auch nicht die Sauer, sondern ein 80 km langer Nebenfluss des Rheins, der bei Rastatt mündet.

Wir schnappen uns den ein oder anderen Geocache, darunter unsere Nummer 7.000 – nix Besonderes aber mit einem hübschen Schutzengelchen 👼. Und ein für uns sehr witziges Versteck unter einem Pöller mit Reflektoren, wie sie hier in manchen Kurven stehen. Die sind innen hohl und unten offen und einfach nur lose in eine Hülse (wie in einen Eimer) gestellt. Man kann sie easy hochheben und halt einen Cache unten reinwerfen. Ist für Franzosen wahrscheinlich so langweilig wie ein Leitplankencache, für uns aber total neu und witzig.

Unser 7.000ster Fund

Daneben gibt es viel Lokalkolorit, Volksfrömmigkeit, Landschaft und in jedem Dorf einen Brunnen.

Am Höhepunkt der Tour passieren wir den Col de Pfaffenschlick auf 375 m. Das „Bergrestaurant“ ist leider „complet“, so dass die erhoffte Jause ausfällt. Die können wir aber nur knapp 2 km weiter in einem auf Bayrisch getrimmten Gasthaus nachholen. Mit Oktoberfestbier (zu ebensolchen Preisen) und Flammkueche (nicht Küche, Kuchen!) füllen wir die Speicher auf und das werden wir auch bald brauchen!

Und dann kommt die Geschichtsstunde: Schon mehrmals haben wir die Hinweisschilder auf die Maginot-Linie gesehen und auch der ein oder andere Bunker oder Beobachtungsposten taucht immer mal wieder am Straßenrand auf. Nun kommen wir zur „Ouvrage Four à Chaux“ und das ist nun ein komplettes Artilleriewerk, in einen Hügel gebaut, mit 4,5 km unterirdischen Gängen und Kaserne/Infrastruktur für 580 Mann Besatzung. Heute ist es als Museum zugänglich und wir haben voll Glück, denn kurz nach unserer Ankunft beginnt eine Führung auf Deutsch.

Die Maginot-Linie ist eine von den Franzosen von 1930 bis 1940 erbaute Verteidigungslinie entlang der gesamten Westgrenze von der Nordsee bis zum Mittelmeer (Ausnahme: Grenze zur Schweiz). Frankreich hatte nach den Verlusten des 1. WK und durch die generelle Bevölkerungsentwicklung immer weniger Einwohner und konnte kein Heer unterhalten, das es zahlenmäßig mit dem expandierenden Deutschland aufnehmen konnte. Also entsann man sich der defensiven Bauten des großen Generals und Festungsbaumeisters Ludwigs XIV., Sébastien Le Prestre de Vauban. Beobachtungsposten, Bunker, Festungsanlagen mit Artilleriegeschützen unterschiedlicher Feuerkraft und Überflutungsgebiete sollten vor einer neuerlichen Invasion deutscher Truppen schützen.

Gebiete, bei denen man einen Angriff befürchtete, wurden stark befestigt, während Gebiete, die durch ihre Topographie geschützt sind, weniger befestigt wurden. Funktioniert hat das am End nicht, die Deutschen stießen in den Ardennen bei der französischen Grenzstadt Sedan durch, überquerten die Maas und fielen den Alliierten in den Rücken. Ohne die Maginot-Linie wären die Nazis aber wohl viel früher und einfacher eingedrungen.

Tja, was soll man jetzt schreiben. Ich versuche mal, die 2 Stunden Führung mit dem Unikat Gérard, möglichst knapp zusammenzufassen. Das geht am Besten mit Bildern.

Die Anlage ist in einen Hügel gebaut, alles ist ca. 30 m unter der Erde, nur die Geschütze gucken oben raus und sind mit „Glocken“ geschützt, Stahlkappen, die wie ein Pilzhut aussehen und die Artilleriekanonen tarnen und schützen. Will man schießen, werden die Glocken hochgekurbelt und die Kanonenrohre kommen an die Oberfläche.

Gänge, Gänge, Gänge: 4,5 km. Auf der Schmalspurbahn fuhren Loren mit Munition und Versorgungsgütern – von Hand geschoben

Die 580 Mann Besatzung sahen hier kein Tageslicht – alles war unterirdisch. Gearbeitet wurde in 3 Schichten, Wachdienst, Schlafen und „Freizeit“ für Essen, Körperpflege etc.. So gab es auch nur Betten für 1/3 der Belegschaft, 3 Mann teilen sich ein Bett.

24 Mann in einem Zimmer
Hier unser Guide Gérard, ein Unikum.
Die Küche versorgte 580 Soldaten rund um die Uhr. Es gab weder einen Speisesaal noch feste Essenszeiten
Clever geschützter Notausgang: Man klettert bis zur Hälfte im 1. Schacht hoch und öffnet dann ein Schott. Der 2. Schacht ist mit Geröll verfüllt, das dann runterfällt und den Weg hinaus freigibt. Geht aber nur einmal!

Am End kommen wir zu Block 2, dem einzig erhaltenen Panzerdrehturm der ehemals 6 Kampfblöcke, die alle unterschiedlich bewaffnet waren. Die „Kanone“ ist ein Artillerie-Schnellfeuergeschütz, dass mit 60 Geschossen vom Kaliber 7,5 cm beschickt wurde, die es in 1 Minute abfeuern konnte. Es konnte um 360° gedreht werden, also in alle Richtungen schießen. Reichweite gut 9 Kilometer (das sei nicht viel, sagte Gérard).

Four à Chaux wurde im Mai 1940 von der Wehrmacht angegriffen und ergab sich im Juni 1940. Das waren die einzigen Kampfhandlungen, die hier in 5 Jahren stattgefunden haben.

Man kann nun nicht behaupten, diese Besichtigung habe Spaß gemacht, aber es war ein sehr interessantes, lehrreiches Erlebnis. Geschichte hautnah. Und so manches Mal kam uns die Ukraine in den Sinn.

Um 17.30 Uhr sind wir wieder raus aus den Katakomben und jetzt heißt es Schluss mit Radtour und zurück zum Hogo. Nur den Multi, den wir ganz nebenbei erledigt haben, den schnappen wir uns noch.

Der sonnige Abend ist ganz wundervoll, wir grillen, was der Kühlschrank so hergibt und lassen uns den Frühlingswind um die Nase wehen.

Ich beantrage eine relativistische Zeitschleife, die das alles so 8-10 Mal hintereinander abspult, bis wir STOP sagen und die Zeit weiter läuft. Leider sind wir noch nicht so weit.


Aber den Universaltranslator von Leutnant Uhura, den gibt es inzwischen. DeepL heißt er – ein echt geniales Teil. Und man muss es sich auch nicht ins Ohr stopfen, es reicht ins Handy zu sprechen.

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