Mit dem Fahrrad durch Metz

Samstag, 4. Mai 2024: Kirchen, Klöster und Kasernen

Kleiner Teaser zu Beginn: Was hat Metz mit Mainz zu tun?
Nun, ohne Metz gäbe es wohl die Mainzer Neustadt nicht. Und das kam so: Mit dem Sieg 1871 über Frankreich verschob sich die Westgrenze des nagelneuen Deutschen Kaiserreichs bis nach Lothringen. Mainz blieb zwar Bundes- bzw. Reichsfestung, war nicht mehr Grenzfestung, diese Rolle übernahm nun Metz. So konnte man in der Mainz die Zügel etwas lockerer lassen und mit der preußischen Militärverwaltung aushandeln, dass das Gebiet der heutigen Neustadt bebaut werden durfte. Vorher war es „Rayon“, und dort durften nur Baracken stehen, die man im Fall eines Angriffs schnell abreißen konnte, um freies Schußfeld zu haben.
Aber das nur nebenbei.

Unser Tag in Metz beginnt mit viel Sonne und einem französischen Frühstück in der Campingplatzkneipe nebenan.

Dann radeln wir los Richtung Altstadt. Wir möchten den großen Virtual Cache von Metz spielen, Geopoly, angelehnt an Monopoly: Man muss Straßen und Plätze in der Stadt besuchen und dort ein Foto machen. Man bekommt Punkte zwischen 90 und 400 und man muss am End 4.000 Punkte zusammen haben. So sieht das am End aus:

Gleichzeitig ist das halt auch eine Stadtführung, die uns zu den interessantesten Ecken der Stadt bringt. Und die Wegpunkte sind vorgegeben, man muss also nix rechnen. Nur an jedem Straßenschild ein (Beweis-)Foto machen.

Brücke über die Moselle, die sich in Metz in mehrere Arme aufteilt. Außerdem fließt noch die kleinere Seille durch die Stadt

Ein echter Hingucker ist die Oper auf der Place de la Comédie, gelegen auf einer Insel zwischen 2 Mosel-Armen. Opulent! Eine Hinweistafel belehrt uns, dass ein Marschall Fouquet, Militärgouverneur von Metz, diese Oper – das älteste noch genutzte Opernhaus Frankreichs -, 1738 erbauen ließ. Nicht nur dieses, er sei für viele prächtige Bauten und Plätze verantwortlich.

Wir haben aber schon die berühmte Kathedrale von Metz im Blick, die nur wenige hundert Meter weiter auf der anderen Seite der Mosel liegt (also quasi auf dem „Festland“).

So herrlich wie sie auch sind: Sie lassen sich verdammt schlecht fotografieren, diese riesigen Kirchen! So groß können die Plätze drumherum gar nicht sein, dass man sie gescheit auf’s Bild bekommt. Selbst dann nicht, wenn dumherum der ehemalige Exerzierplatz, die Place d’Armes viel Abstand zulässt und die Kathedrale St. Etienne (zu deutsch Stefan) noch nicht mal einen besonders hohen Turm hat.

Die Kathedrale unterstreicht die wichtige religiöse Stellung von Metz, es gab massenweise Kirchen, Kapellen und Klöster, Bettel- und Ritterorden.

Die Fenster von Marc Chagall

Gebaut wurde St. Etienne ab 1220 und eigentlich hat man nie aufgehört. Die neuesten Teile sind Fenster von Chagall. Aber das meiste war 1520 fertig. Der 41 Meter hohe Innenraum ist nach Amiens und Beauvais der dritthöchste Frankreichs und sie hat 6.500 m2 Fensterfläche, das ist Landesrekord und hat ihr den Beinamen: Die Laterne Gottes“ eingebracht.

Viele Sagen ranken sich um die Kathedrale und der Teufel hatte natürlich auch seine Hand im Spiel: Er half dem verzweifelten Baumeister Pierre Perrat bei der Planung der Kathedrale und ließ sich als Gegenleistung versprechen, nach der Beerdigung den Leichnam erhalten zu dürfen. Als Perrat Jahre später das Zeitliche segnete, bestattete man ihn aber nicht in der Erde, sondern in einem steinernen Sarg unter dem Altar. So waren die Vertragsbedingungen nicht erfüllt und der Teufel hatte das Nachsehen. Merke: Salvatorische Klausel nicht vergessen 😜.

Ein weiteres sagenhaftes Geschöpf begegnet uns am Seitenportal: Der Drache Graoully (deutsch: Grauli). Er versetzte Metz in Angst und Schrecken und galt als unbesiegbar, bis Bischof Clemens ihm einfach nur seine Stola um den Hals legte, worauf hin sich das Untier brav aus der Stadt führen ließ.

Weitere Gestalten am Seiteneingang. Die Dame (?) in der Mitte finde ich besonders cool.

Auch am Hauptportal wird mit drastischen Darstellungen nicht gespart. Über der Tür sortiert eine Justitia Gut von Böse. Die Frommen gehen durch das Himmelstor, die Unzüchtigen verschluckt der Schlund der Hölle. Eine sehr beliebte Darstellung, die uns schon ein paar mal untergekommen ist.

Nach so viel Himmlischem wenden wir uns irdischen Genüssen zu und schlendern durch die Markthalle mit ihren Köstlichkeiten:

Einmal im U herum
Wachteln und Tauben

Dann geht es kreuz und quer durch die belebte Altstadt. Uns fällt auf, dass alle Fußgängerstraßen mir Pöllern gesichert sind. Hat man auch bei uns, aber hier sehr viel mehr.

Sicher ist sicher
Place Saint-Louis

Eine Seite ist gesäumt von Arkadenhäusern, die ältesten Wohngebäude der Stadt, die auf das 13. Jahrhundert zurückgehen.

Di Archimatth – Opera propria, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6089442

Wir machen einen Abstecher zur Zitadelle von Metz, finden dort aber nur sehr sterile Bauten aus der Gründerzeit vor, die heute zivilen Zwecken dienen. Den Festungscharakter erkennt man kaum noch.

Metz war immer schon eine der wichtigsten Festungsstädte in Europa, geschuldet seiner günstigen Lage am Kreuzungspunkt bedeutender Fernstraßen. Daran änderten auch die wechselnden politischen Verhältnisse nichts: Schon die Römer legten hier eine Militärbasis an, später wurde es als Hauptstadt des Ostfrankenreichs stark befestigt. Metz war dann freie Reichsstadt des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation und wurde noch stärker gesichert: Stadtmauer und Stadttore sind zum Teil aus dieser Zeit erhalten. Ab 1552 besetzte Frankreich Metz, Toul und Verdun und fast 100 Jahre später wurde dies nach dem 30-jährigen Krieg im Westfälischen Frieden vertraglich festgelegt. Mit den Franzosen wandelte sich Metz von der Stadt der Klöster zu einer Festungsstadt. Niemand geringerer als Vauban baute diese Festung im 17. Jahrhundert weiter aus. Die Verhältnisse änderten sich nach 1871, als das neue deutsche Kaiserreich sich Elsass-Lothringen einverleibte. Nun war Metz plötzlich Grenzstadt des Deutschen Reichs und wurde nochmal militärisch aufgerüstet.
Nach dem 1. WK holte Frankreich sich die Gebiete zurück, die Deutschen dann wieder von 1940 bis 1945. Hier war was los!

Auf der Suche nach den Resten der Befestigungsanlagen kommen wir zur Porte des Allemands, dem einzigen übrig gebliebenen Stadttor aus dem 13. Jahrhundert.

Von dort folgen wir den 5 Stationen eines Labcaches an der Stadtmauer entlang, über die Seille und hinein in die neuzeitlichen Befestigungsanlagen, wo wir im Festungsgraben bis zu einem Aussichtspunkt hochradeln. Auch dies ein Tipp vom Geocaching. Leider ist der teilweise steile, schmale Weg durch den Regen matschig und wir müssen aufpassen. Daher kaum Bilder.

Wir werden belohnt mit einem tollen Blick auf die Altstadt und die Kathedrale!

Im Bistro de la Cathédrale lassen wir den inzwischen verregneten Tag bei einem Weinchen ausklingen. Sehr beeindruckend ist der weiße Schäferhund unseres Tischnachbarn, ein perfekt erzogenes Tier, entspannt und aufmerksam zugleich. Souverän. Mich erinnert es an die Schattenwölfe aus Game of thrones. Ein Hingucker.

Gegen 17 Uhr sind wir froh, dem Nieselwetter nun zu entkommen und kleppern ein Ei über das Sightseeing in Metz. Leider auch über die erhoffte heiße Dusche auf dem Campingplatz, denn die ist leider nur lauwarm. Gibt Schlimmeres!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.